Gießener Anzeiger 27.04.2012

(kjf). „Die Taten verjähren, die Folgen des Verbrechens an den Kindern bleiben ein Leben lang und darin liegt die große Ungerechtigkeit“, sagte der Marburger Rechtsanwalt Dr. Thorsten Kahl in der Diskussion über Missbrauch im Gießener Polizeipräsidium. Der Jurist, der viele Missbrauchsopfer vertritt, diskutierte mit dem Publikum nach der Vorführung des Theaterstücks „Missbraucht“ durch das Frankfurter Autorentheater….

Schon nach den ersten Sätzen versetzte Schauspieler Ilja Kamphues die 90 Besucher in starre Betroffenheit. Von Regisseur Wolfgang Spielvogel in minimalistischer Manier in Szene gesetzt, bekam das Publikum die Texte zweier Missbrauchsopfer zu hören. Kamphues brauchte für den ersten Monolog, den der Schriftsteller Bodo Kirchhoff verfasst hat, nur ein paar Playmobilfiguren. „Sprachloses Kind“ schildert die inneren Verletzungen, die der Missbrauch durch eine Vertrauensperson anrichtet. Kirchhoff wurde als Schüler einer evangelischen Internatsschule am Bodensee vom dortigen Kantor missbraucht. In seinem Text macht er den Sprachverlust, den Vertrauensverlust und den Schaden an der Seele spürbar, den ein Missbrauchsopfer erfährt. Die Scham, die dem Opfer oft erst nach Jahrzehnten erlaubt, über das Erlebte zu sprechen, hilft dabei den Tätern über die Verjährungsfrist.

Der zweite Monolog basierte auf dem autobiografischen Bericht von Norbert Denef, der sich ein Jahr lang darauf vorbereitete, sich seiner Familie zu offenbaren und den Missbrauch durch den heimischen Priester öffentlich zu machen. Walter Jauernich spielte den Mann, der sich nach 35 Jahren der Sprachlosigkeit darauf vorbereitet, das Verbrechen des Priesters auf einem Familientreffen zu offenbaren. Der Mann auf der Bühne ringt nach Worten, ist sich bewusst, dass die Familie sich auf die Seite des Priesters stellen könnte und dass er auch seine Ehe aufs Spiel setzt.

Weiter lesen…