Frankfurter Allgemeine 6.11.2010

Margot Wallström – Den Opfern eine Stimme

Von Kai Ambos

Die jüngste Welle sexueller Gewalt gegen Frauen im Osten der Demokratischen Republik Kongo stellt die Glaubwürdigkeit des Völkerrechts wieder einmal auf eine harte Bewährungsprobe. Waren die Täter der Massenvergewaltigungen vor einigen Monaten paramilitärische Milizen, darunter auch die in Deutschland aktive Hutu-Miliz FDLR (“Forces Démocratiques de la Libération du Rwanda“), sollen vor einigen Wochen kongolesische Regierungstruppen die Täter gewesen sein. Margot Wallström, die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten, beklagte in ihrem Bericht vor dem UN-Sicherheitsrat gerade die weitverbreitete Straflosigkeit für solche Verbrechen. „Verzögerte Gerechtigkeit“, so Wallström, bedeute für die betroffenen Opfer nicht nur „verweigerte Gerechtigkeit“ sondern eine „Fortsetzung des Terrors“.

Der internationalen Gemeinschaft fehlt es allerdings nicht an (straf)rechtlichen Instrumenten, um gegen solche Taten vorzugehen. Wurden Sexualverbrechen vom traditionellen humanitären Völkerrecht zunächst nur als Verstöße gegen die Ehre und Würde der Opfer verboten, hat der UN-Sicherheitsrat erstmals im April 1993 aufgrund der Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien Massenvergewaltigungen explizit verurteilt und sich seitdem immer wieder mit dem Thema befasst. Auf originär strafrechtlicher Ebene haben die Statuten der in den neunziger Jahren gegründeten UN-Ad-Hoc-Tribunale erstmals Sexualverbrechen kodifiziert. Auch das im Jahre 2000 gegründete Sondertribunal für Sierra Leone hat diese Taten als Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt und ferner Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, erzwungene Prostitution, erzwungene Schwangerschaft und jegliche andere Form sexueller Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfasst. Das im Jahre 1998 verabschiedete und 2002 in Kraft getretene Statut des Internationalen Strafgerichtshofs enthält nun „Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation“ und vergleichbaren Formen sexueller Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Auf dieser Grundlage haben wiederum zahlreiche Vertragsstaaten nationale Gesetze erlassen.

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