Zum Aufruf zur Bewerbung im Betroffenenrat, vom ´Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs´, Johannes-Wilhelm Rörig,
ein Kommentar von Lisbeth
Dieser Betroffenenrat so wie er jetzt angedacht ist, ist für die politische Darstellung von Interessen von Betroffenen ein Rohrkrepierer und lediglich eine Fortführung der ausgrenzenden Politik des Runden Tisches – unter dem Deckmäntelchen der Beteiligung.
Am Runden Tisch waren Täterorganisationen mit Sitz und Stimme vertreten – einige wenige Betroffene wurden „angehört“. Sie „durften“ ihre persönlichen Erfahrungen berichten. Man übte sich in ein wenig Betroffenheit, verabschiedete einen hoch-gelobten Maßnahmen-Katalog und richtete das Amt des UBSKM ein.
Einige Empfänge, Unterschriftensammlungen gegen Missbrauch und teure Werbekampagnen später wird nun von Herrn Rörig, der sich bisher nicht gerade mit politischer Vision und strahlendem Einsatz profiliert hat sondern eher befangen daherkommt, zum Betroffenenrat geladen.
Und wieder ist die Methode: teile und herrsche. Individuen sollen sich bewerben, keine Organisationen.
Ja glaubt ihr denn, dass wenn es z.B. um Verkehrspolitik in diesem Lande geht, ein paar Autofahrer von der Straße geholt werden, deren einzige Qualifikation ist, dass sie einen Führerschein besitzen. Und die dürfen dann über ihre letzten Fahrten berichten???
Bei allen gesellschaftlichen Fragen und Problemen ist es in der deutschen Politik Gebrauch, dass Interessenverbände mit Regierungsmitgliedern und der Ministerialbürokratie direkt verhandeln und dabei ihren Sachverstand mit einbringen.
Die Geschäftsordnungen des Bundestages und der Bundesregierung sehen dies ausdrücklich vor.
Der geplante Betroffenenrat verstößt gegen diese Art des politischen Prozesses. Betroffene, deren einzige Qualifikation ihre Betroffenheit ist, sollen darin sitzen, individuell ausgewählt, nicht repräsentativ, und nach Kriterien, die bis jetzt nicht offengelegt sind. Dezidiert wird die Beteiligung von Betroffenenverbänden ausgeschlossen und so ergeben sich grundlegende Fragen der Legitimierung:
- Das Vorgehen bei der Auswahl des Auswahlgremiums ist nicht transparent.
- Die Auswahlkriterien mit denen Bewerber für den Rat ausgewählt werden sollen sind auch nicht offen dargelegt.
- Die Funktion des Betroffenenrats ist nicht klar.
- Es wird nicht dargelegt, wie die Stellungnahmen von einzelnen Betroffenen gewertet und gewichtet werden sollen.
- Körperschaften dürfen sich für den Betroffenenrat nicht bewerben, aber der Rat „sollte dann Regelungen vereinbaren, wie Abstimmungsprozesse mit den Betroffenen aussehen können, die nicht Mitglied im Betroffenenrat sind.“
Auch hier Unklarheiten und damit ein Fehlen jeglicher politischer Legitimation da dieser Betroffenenrat nicht die Bandbreite der schon vorhandenen Organisationen spiegelt und in den Prozess mit einbezieht.
Abgesehen davon liebe MitstreiterInnen, machen wir uns doch mal nichts vor. Bis jetzt hat noch keine offizielle Seite wirklich sich klar dazu bekannt alle Altfälle aufzuarbeiten, um die Strukturen, die sexualisierte Gewalt von Kindern erst in einem solchen pandemischen Ausmaß ermöglichen zu identifizieren und dann zu ändern.
Deutliche Gesetzesänderungen (Wegfallen der Verjährungsfristen) die sexualisierte Gewalt gegen Kinder klar als Verbrechen deklarieren und dies als solches auch ahnden und endlich ganz den Täterschutz aufgeben, sind nicht am Horizont.
Echte – und damit kostenintensive – Bemühungen um eine Wiedergutmachung der Schäden sind nicht vorbereitet – einige einzelne Betroffene bekommen Minimalzahlungen, was dann wieder dafür verwendet wird, das öffentliche Image der jeweiligen Institution aufzuwerten. Die meisten Betroffenen stehen weiterhin im Regen.
Der Betroffenenrat – so wie er jetzt sich darstellt – ist nur eine Maßnahme um die Betroffenen zu beschwichtigen, ihnen eine Teilnahme am politischen Prozess vorzugaukeln (die wirklichen Entscheidungen werden wo ganz anders getroffen) und die dann brav Teilnehmenden auch noch dafür zu instrumentalisieren, dass man behaupten kann, man tue doch etwas in dieser Problematik und die Betroffenen hätten es ja abgesegnet.
Damit kann man dann das Fass zumachen – und es künftigen Generationen überlassen, vielleicht dann eine bessere Gesellschaft für das sichere Aufwachsen von Kindern zu schaffen. So wie es im Moment aussieht, vertun wir unsere Chance dies jetzt zu tun.
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Betroffene ohne demokratische Anbindung
Aufruf zur Bewerbung im Betroffenenrat
Da ich auch eine Betroffene bin, weiss ich wovon ich schreibe.
Der Aufruf zur Bewerbung im Betroffenenrat scheint mir eher darauf angelegt zu sein, gerade die Betroffenen klein zu halten. Wenn man nur Einzelne auswählt und sie allein mit ihrem jeweiligen schon lebenslang belastenden Leid in einer gut ausgebildeten Runde sitzen lässt, ist der Untergang bei einem solchen erlittenen Verbrechen schon vorprogrammiert. Warum hat Herr Rörig nicht den Mut, die Abgesandten der Betroffenenverbände in den Rat als „Partner“ bzw. als Kernelemente zuzulassen. Denn um diese geht es doch! Na, eben, weil dazu Mut gehört.
Hallo liebe Leute.
ich möchte mal ein paar Gedanken zum Thema Betroffenrat darstellen.
Da hier bereits im Vorfeld des geplanten Betroffenrats vernichtende Kritiken laut werden, möchte ich nur mal in Erinnerung rufen.
Dass bislang niemand die Teilnahme von Betroffenorganisationen ausgeschlossen hat.
Sofern die Teilnahme von Organisationsvertretungen tatsächlich unerwünscht wäre, steht es doch dennoch jedem frei, sich als Privatperson zu bewerben, um auf diesem Weg Verbandsanliegen im Betroffenrat einzubringen.
Im Gegensatz zu anderen intransparenten Mauscheleien, wie etwa dem runde Tisch Heimerziehung, erachte ich den öffentlich Aufruf zur möglichen Mitarbeit im Betroffenrat als überaus positives Signal.
Insofern halte ich die vorauseilenden Kritiken in der Sache für wenig hilfreich, weil damit die Gefahr verbunden ist, bereits im Vorfeld einer inhaltlichen Auseinandersetzung die Interessen von Betroffenen auseinanderzudividieren.
Eine gesunde Skepsis ist durchaus erlaubt, aber doch nicht gleich so destruktiv, wie es in diesem Beitrag durchklingt, noch bevor sich der Betroffenrat konstituieren konnte, oder sich nur leiseste (Zwischen)Ergebnisse abzuzeichnen beginnen.
Denn wenn man dieser Kritik folgen wollte, braucht sich der attestierten Erfolglosigkeit erst gar niemand mehr für so ein wichtiges Anliegen einbringen.
Ich denke da anders und würde lieber alle sich bietenden Möglichkeiten der politisch/gesellschaftlichen Einflussnahme nutzen, um im Sinne von Betroffenen etwas sinnvolles zu erreichen.
Was mich persönlich auch sehr stört, ist, dass man vor Ort sein muss und dafür nicht mal die Hotelkosten erstattet bekommen soll. Wer fährt denn aus Bayern mal eben so 8 Stunden lang nach Berlin und geht nach der Sitzung direkt zum Bahnhof, um wieder nachhause zu kommen. Insofern werden Betroffene sicher auch aus dem Umfeld der Stadt gewählt werden, was schon per se eine große Verzerrung darstellt. Im 21. Jahrhundert sollte es möglich sein, per Videokonferenz an einer Sitzung teilzunehmen – zumal viele Betroffene auch psychisch oder körperlich so eingeschränkt sind, dass eine Anwesenheit in Berlin selbst nicht möglich ist. Alle diese werden per se ausgeschlossen.
Ach ich kann als Betroffenener die Einschätzung von Lisbeth leider nur bestätigen. Es interessiert niemanden, daß wir auf das schwerste unser ganzes Leben traumatisiert wwurden, und außer dumm rumsabbeln – ich bin wirklich von Pontius zu Pilatus gelaufen- Herr Rörig hielt es nicht einmal nötig zu antworten. Auch hier gilt leider für mich: Schützt nuir die Täter, die Opfer gehen uns doch am Ar… vorbei, die stören nur durchihr unqualifiziertes Gemecker.
Lieber Klaus Klüber,
Du wirst doch wohl nicht blauäugig sein, wie du geschrieben hast. Ist es Dir denn entgangen, dass die Beratergruppe um Schruth in Sachen Erziehungszöglinge eine Alibishow ist, die lediglich dazu angetan ist, Opfer absegnen zu lassen, was im Grunde gegen Ihre Interessen ist.
Hast Du von Rörig auch nur einen öffentlichen Aufschrei gegen das Schweigegeld aus dem sogenannten Opferfonds gelesen oder gehört? Und wo ist Rörig, wenn Norbert Denef und seine Mitstreiter irgendwo demonstrieren? Rörig müsste Ihnen doch eigentlich a) die Protestbanner finanzieren und selbst an Denefs Seite mit ihm unter Protest vor das Bundeskanzleramt gehen. Stattdessen verwaltet er ein Pöstchen ohne Sinn und Verstand und hofft sogar noch, sich damit zu profilieren. Wer sich mit seiner Aufgabe befasst, kommt schnell dahinter, dass Rörig nur Schaum schlägt. Mehr nicht.
also so ganz erschliesst sich für mich nicht der Sinn der Diskussion. Geht es hier lediglich um das Problem qua Persona vs. qua Amtes ?
Unabhängig von der, sicherlich auch teilweisen Kritik, geht es doch – wie in aller Gremienarbeit – darum, den Versuch zu starten vernünftige Ergebnisse zu erarbeiten bzw. durchzusetzten. Ist es daher nicht egal ob auf einer Liste steht: Teilnehmer xy, oder Teilnehmer xy 1.Vorsitzender von yz.
Und noch über ein weiteres Argument sollte man nachdenken. Wenn man in einem solchen Rat als Vertreter einer NGO sitzt kann man keine Beschlüsse fassen, denn diese müssen i.d.R. erst mit der NGO abgeklärt werden. Das würde bedeuten das sich Abstimmungsprozesse unnötig verlängern.
Dennoch kann man als Vertreter einer NGO doch als Privatperson dort sitzten, in in aller Regel kennt man doch die Inhalte seines Vereins.
Ein sicherlicher Kompromiss wäre es, neben dem Betroffenenrat, noch ein Gremium von Vertreter von NGOs zu etablieren, aber wer mag hier jetzt entscheiden welche der zahlreichen kleinen und größeren Opfer – und Interessenverbände in diesem Gremium sitzt. Ist eine lokale SHG z.B. Sitzberechtigt, usw. ?
Und zu der Frage der Kosten, bzw. Übernachtungskosten (denn hier hätte ich auch die Gefahr gesehen das sich nur Berliner bewerben steht ganz klar sind diese Fragen auf Blatt 2 der FAQs beantwortet (http://beauftragter-missbrauch.de/file.php/1/141031_Fragen_und_Antworten_zum_Betroffenenrat.pdf)
Somit ist der Tagungsort nicht zwingend Berlin und etwaige Übernachtungskosten werden nach dem Bundesreisekostengesetz bezahlt.
LG Ingo Fock
Lieber Helmut
tatsächlich bekomme ich nicht immer alles mit, was sich noch zum Thema ehemaliger Heimkinder tut.
Arbeitskreis Schruth? – Ist dieses Kapitel nicht schon länger her?
Kann ich mir nur zu lebhaft vorstellen, dass da ähnlich wie am Runden Tische, die beteiligten ex-Heimkinder wieder nur eine unbedeutende Statistenrolle einnahmen.
Dennoch möchte ich mir nicht die Illusion nehmen lassen, dass es innerhalb des Betroffenenrats gelingen könnte, sowohl die Wünsche der einzelnen Betroffenen als auch Verbbandsinteressen zielführend einzubringen.
Zumindest erkenne ich in der engeren Vernetzung dieser Betroffenengruppe ein hohes Potenzial an gemeinsamen Absprachen. Und würde den künftigen Ratsmitgliedern nahe legen, nicht so sehr das eigene Schicksal in den Mittelpunkt zu rücken, sondern wünschenswert den Kontakt zu nicht teilnehmenden Verbänden zu suchen und zu schauen, was sie an deren Vorstellungen in der Ratsgruppe einbringen können.
Soweit meine zugegeben idealistische Einstellung.
Wobei ich es für unangemessen halte jetzt schon alles in Bausch und Bogen zu verurteilen, so lange noch keine Modalitätendetails bekannt sind, unter welchen Vorgaben und Zielsetzungen der Betroffenenrat tätig werden soll.
Gebt dem Leben eine Chance sich zu entwickeln, dann bleibt immer noch genügend Zeit um angemessen darauf zu reagieren.
Und keine Bange, so blauäugig bin ich in meinen Erwartungen schon allein deshalb nicht, wenn bekannt ist, dass einmal mehr Frau Ruprecht in diesem Gemenge eine tragende Rolle mitspielen wird.
Oder war sie es nicht gewesen, die den Bundestag in Bezug auf Heimkinder schamlos belogen hat?
Also schaun wir erst mal wie es weiter geht.
Liebe Lisbeth,
ich bin sehr froh über die Entstehung des Betroffenenrats und empfinde es als Schritt in die richtige Richtung. Gerade die Einzelpersonenwahl finde ich gut. Bei den Jour Fixes hat es mir überhaupt nicht gefallen, dass dort am Anfang nur Organisationen teilnehmen durften. Das hatte zur Folge, dass Menschen extra einer Organisation beigetreten sind oder plötzlich „selbst eine Organisation“ waren; soweit möchte ich nicht getrieben werden.
Grundsätzlich finde ich, man kann kritisieren, was einem nicht passt; und da gibt es bei der Entstehung des Betroffenenrates jetzt schon einiges, was du in deinem Artikel erwähnt hast, dem ich mich anschließen kann. Dennoch hätte ich mir als Leserin deine Kritik konstruktiver gewünscht.
Ich hoffe zum Beispiel, dass sich die Betroffenen, die dann in diesem Gremium aktiv sind, öffentlich vorstellen und beschreiben, was sie da tun ggf. warum sie was tun bzw. lassen. Und dass es auch eine „Dunkelziffer“ (kleines Wortspiel am Rande; ist mein Humor, auf keinen Fall böse gemeint!) geben darf, die lieber anonym mitarbeiten möchte, bei gleichen Rechten.
Dann hätte ich noch ein paar Wünsche, wie:
– in keinem anderen Betroffenengremium sein
– regelmäßige öffentliche Berichte oder
– Newsletter
– Entgegennahme von Themen, die bearbeitet werden sollen oder
– Leserinnenbriefe im Newsletter
– öffentliche Themenabende, damit alle, die wollen, den Prozess begleiten können
– Selbstreflexionsfähigkeit, usw.
Was ich sagen will: Mein Anspruch an die Betroffenen, die in diesem Rat sitzen, ist mindestens so hoch wie an die Menschen, die rund um den UBSKM arbeiten.
Lieben Gruß
Tanja
Ich habe im Heim bei den Nonnen gemerkt und die Erfahrung heute zeigt es, dass Kinder gegen Kinder gehtzt werden. Bei dem Betroffenrat merke ich diese Taktik ebenfalls. Einige Kinder wurden nicht verprügelt, weil diese regelmäßig Besuch bekammen. Die Nonnen schlugen diese Kinder nicht. Die anderen, die kein Besuch bekamen waren bekamen Schläge. Ausgerechnet die Kinder die nie verprügelt wurden, sagen heute in Prozessen aus, dass das was im Heim war gar nicht so schlimm war.
Tja und damit sind die Verprügelten wieder ruhiggestellt und trauen sich nicht mehr, dass was sie erlebt haben anzuprangern und sind ruhiggestellt.
Diese Taktik klappt überall.
Versuchen wir mal die Kurzform aus den obigen Texten:
Zitat Lisbeth: „Dezidiert wird die Beteiligung von Betroffenenverbänden ausgeschlossen“.
Zitat Ingo Fock, Akteur im Fachbeirat: „Wenn man in einem solchen Rat als Vertreter einer NGO (Anm.: Betroffenenverband) sitzt kann man keine Beschlüsse fassen, denn diese müssen i.d.R. erst mit der NGO (Anm.: Betroffenenverband) abgeklärt werden. Das würde bedeuten das sich Abstimmungsprozesse unnötig verlängern.“
Alles klar.
Sehr guter und treffender Kommentar von Lisbeth!
Vielleicht besteht die Möglichkeit das ich hier Unterstützer finde. Ich bin auch ein Betroffener brutalster Vergewaltigungen.
Danke