Offener Brief an das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen, Herrn Prof. Dr. Christian Pfeiffer

1. Parallel-Justice für die Opfer von Straftaten,
2. Will die Deutsche Bischofskonferenz das Missbrauchsthema „aussitzen“?

Sehr geehrter Herr Prof. Pfeiffer,

haben Sie vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben vom 6. Mai 2013 und die beiden beigefügten Texte.

Mit unserer Pressemitteilung vom 8. Januar 2013 teilte netzwerkB der Presse mit, dass nach unserer Auffassung die römisch-katholische Kirche nicht aufklären kann und will. Ein Beleg dafür war zweifelsfrei auch die hektische Aktenvernichtung.

Unwillen und Unfähigkeit betreffen aus unserer Sicht zum einen die statistische Erfassung dieses Massenverbrechens in den Kirchen, zum anderen die Möglichkeit für die Opfer, die Täter und die sie beschäftigenden Organisationen unmittelbar zur Verantwortung zu ziehen.

Hinsichtlich der Belange der Opfer und des Kinderschutzes sagen wir:

  • Solange jahrelanger schwerer sexueller Missbrauch mit 3000 oder 5000 Euro aus der Welt geschafft werden kann, wird es auch keine ernsthafte Prävention in der römisch-katholischen Kirche geben.
  • Solange ein Missbrauchstäter weiter im Schoße der Gemeinschaft verweilen darf, ein Priester, der eine Liebesbeziehung zu einer erwachsenen Frau unterhielt, die Kirche unwiderruflich verlassen muss, bleibt es bei einem System der Lügen und der Heuchelei.

Wir bedauern, dass Sie aufgrund Ihres Angebots in gutem Glauben, der Bischofskonferenz bei Aufklärung und Umdenken zu helfen, am Ende mit Rufschädigung und anderem Unbill konfrontiert waren.

Darüber hinaus würden wir uns wünschen, dass die gesundheitlichen Schäden bei den Opfern mehr berücksichtigt würden. Hier haben wir auch einige Anmerkungen zu ihrem Ersatz-Forschungsprojekt gemacht.

Leider haben wir die Endfassung Ihres Fragebogens nicht mehr zugesandt bekommen. Wir fürchten, dass diese Seite der gesundheitlichen Folgen (nennen wir es mal Bereich „PTBS“) auch hier eher verschwiegen wurde.

Das Verschweigen der gesundheitlichen Folgen spielt leider den Täterorganisationen dabei in die Hände, die Schwere ihrer Verantwortlichkeiten wegzureden, was Sie bei den realen Entschädigungen ja sehen können.

Wir verstehen uns hier stets als Opferinteressenverband und als Kinderschutzverband, aber nicht als Opferschutzverband. Gleichwohl sollten die Opfer aber besser vor den Lügen der Kirchen und der Politik geschützt werden.

Wir halten eine völlige Überarbeitung des Schadensersatzsystems auch für einen wirksamen Teil der Kriminalprävention.

Wer sich mit 5.000 Euro aus seinen Verantwortlichkeiten für massive und oftmals lebenslange Gesundheitsprobleme der Opfer freikaufen kann, muss sich in Deutschland wie in einem Paradies für Straftäter fühlen.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Denef

netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
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