Deutsche Kinderhilfe e.V. 21.11.2011
(Berlin) – Die Deutsche Kinderhilfe appelliert in einem Brief an die Ministerpräsidenten der Länder, das neue Kinderschutzgesetz im Bundesrat zu stoppen. Die Neuregelungen verhindern einen wirksameren Kinderschutz und könnten sogar die Lage von misshandelten Minderjährigen verschlechtern.
Die Kernprobleme der Jugendhilfe, dass es keine einheitlichen Fach- und Qualitätsstandards gibt, dass Jugendhilfemaßnahmen nicht evaluiert werden, es keine Fachaufsicht gibt und über 600 Jugendämter in Deutschland unterschiedlich arbeiten, wurden gesetzlich nicht reformiert.
Alle Ansätze, die bundesweite Fachstandards und die regelmäßige Qualitätsprüfung verpflichtend gemacht hätten, sind aus dem Gesetzentwurf, an dem die Deutsche Kinderhilfe sachverständig beteiligt war, auf Druck der öffentlichen und privaten Trägerverbände der Jugendhilfe wieder herausgestrichen worden.
So fehlen in dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz eine grundsätzliche Anzeigepflicht bei Verdachtsfällen und eine Vorschrift für obligatorische Hausbesuche durch die Jugendämter, die die Deutsche Kinderhilfe vom Gesetzgeber gefordert hatte.
Es gibt auch keine rechtliche Verpflichtung für Vereine und freie Träger, von allen Mitarbeitern ein erweitertes Führungszeugnis einschließlich Vorstrafen bei Sexualdelikten zu verlangen. Auch der Vorschlag des Runden Tisches gegen sexuelle Gewalt nach der Einführung von unabhängigen Beschwerdestellen, nach skandinavischem Vorbild Ombuds-Stellen genannt, wurde nicht aufgegriffen.
Das nun vorliegende Gesetz setzt im Gegensatz zum Referentenentwurf die systematische Benachteiligung von behinderten Kindern in Heimen fort. Die Vertragspflicht der Träger von Heimeinrichtungen, mit der Jugendhilfe zur Regelung des Kinderschutzes zusammen zu arbeiten (§ 8a SGB VIII), gilt nun doch nicht für die Träger von Behinderteneinrichtungen. Die ursprünglich vorgesehene Regelung, diese große Lücke beim Schutz behinderter Kinder vor Missbrauch und Misshandlung in Heimen zu schließen, wurde ebenfalls auf Verbändedruck gestrichen.
Es fehlt eine sachgerechte Möglichkeit von Geheimnisträgern, insbesondere Kinderärzten, sich in Fällen von Kindeswohlgefährdungen untereinander auszutauschen, ohne sofort eine Familie an das Jugendamt melden zu müssen.
Familienhebammen können ein kleiner Baustein für Frühe Hilfen und besseren Kinderschutz sein. Das setzt neben einer langfristigen Finanzierung, auch Regelungen über deren Qualifikation, Einsatzmöglichkeiten und Stellung innerhalb des Jugendhilfesystems voraus. Das alles fehlt aber im Gesetz.
Die zwei getöteten Babys vom Wochenende in Herford und Berlin sind statistisch gesehen ein ganz normales Wochenende, nach wie vor sterben in Deutschland im Schnitt drei Kinder pro Woche (siehe die als Anlage beigefügte Auswertung der Kriminalstatistik). Dies zu ändern, ist die Politik vor vier Jahren angetreten; wie die Entwicklung der Zahlen verdeutlicht, ohne Erfolg.
„Im Jahr 2007 gab es nach den Toden von Kevin, Lea Sophie und den vielen anderen toten Kindern den ersten Kindergipfel, auf dem die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin sich auf Reformen der Kinder- und Jugendhilfe und die Verabschiedung eines Bundeskinderschutzgesetzes verständigt haben. Nach nunmehr vier Jahren soll nun ein Gesetz zum 1.1.2012 in Kraft treten, das dem System ein Weiter-So garantiert“, erklärt Georg Ehrmann, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe in Berlin, „dies zu verhindern, ist nun die Aufgabe und Verantwortung der Ministerpräsidenten.“
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