FOCUS ONLINE 25.08.2011
Ein 80-jähringer Mann soll mehr als 40 Jahre lang seine zwei Töchter gefangen gehalten, sexuell missbraucht und körperlich misshandelt haben. Der Skandal kam durch einen Zufall an die Öffentlichkeit, da der 80-Jährige nach einem Sturz Hilfe von außen benötigte
Ein kurzer Moment, da wieder eine Tätergeschichte an die Öffentlichkeit von den vielen Schicksalen der Betroffenen drängt. Warum wundern sich denn die Medien noch, wenn sexualisierte Gewalt so ein durchsetzendes Phänomen in unserer Gesellschaft ist? Sollte nicht jeden Tag die Tagesschau auch über die Aufarbeitung dieses gesamtgesellschaftlichen Problems diskutieren? Stattdessen wundern sich die Leute in Österreich nun.
Es ist so wie es Norbert Denef in seinem Buch schreibt: „Wenn in den Medien über sexuellen Missbrauch berichtet wird, dann meist in Verbindung mit brutaler körperlicher Gewalt. Dann schreien alle: „Schneidet dem Mörder den Schwanz ab“ oder „Steckt ihn für immer hinter Gitter“. Wut und Hass richten sich gegen den Täter. Über die Folgen, die ein Opfer ein Leben lang ertragen muss, wird meist geschwiegen.“
Ich denke Norbert hat an dieser Stelle Recht. Wie er es auch in seinem Video zeigt, so verdeckt dieses Entsetzen die eigentliche Aufarbeitung. Die subtile Durchsetzung unserer Gesellschaft greift eine Nachrichtenagentur nicht auf, da das nicht der Stoff ist, aus dem Nachrichten gemacht werden. Präsentierbar ist das, was jetzt geschieht und mit Gewalt passiert. Dass aber womöglich auch im Umfeld, Menschen, wo einer es sich nicht vorstellen mag, täglich ohne große Gegenwehr missbraucht werden, das ist doch das Problem. Das Problem besteht darin, dass Betroffene sich nirgends wirklich hinwenden können und Tätern ausgeliefert sind. Dass Betroffene nicht ernst genommen werden. Über die Täter entsetzt sich jeder, die Betroffenen sind nur wenige Zeilen in den Nachrichten wert.
Stattdessen müssen Betroffene Jahre später noch nachweisen, dass die jahrelange sexualisierte Gewalt psychische Folgen hinterlassen hat. In welcher Welt leben wir denn, dass es nicht jedem klar wäre, dass dies Folgen hinterlässt?
So zynisch dies klingt, aber es ist keine Überraschung, es ist auch kein Skandal mehr, sondern der eigentliche Skandal ist, dass sich nichts ändert und damit hätten die Medien einen Skandal für die nächsten 20 Jahre und das jeden Tag. Der Skandal ist: Es ändert sich nichts.
Wie also etwas ändern?
@ Norman
Wichtig wäre, wenn wir allmählich aus dieser „Wut und Hass richten sich gegen den Täter“-Spirale heraus treten könnten.
Wir werden schweigend mitmenschliche Mahnwachen machen müssen contra kurzfristiges Geschrei um Täter-Skandale durch kurzsichtige und obendrein sehr vergessliche Zeitgenossen.
Erst dann werden es einige vielleicht merken, dass sie selbst Teil des Skandals waren …
„Optimismus ist Pflicht“! Die Zukunft ist offen – und wir werden sie mit gestalten, als Mit-Verantwortliche für das, was immer da kommen mag …