taz.de 19.05.2011
Der Fall Strauss-Kahn zeigt, wie entlarvend Sprache sein kann
KOMMENTAR VON INES POHL
Dominique Strauss-Kahn, der jetzt als Chef des IWF zurückgetreten ist, sei „kein Kind von Traurigkeit“ – schwer zu sagen, wie oft man diesen Satz in den vergangenen Tagen gehört oder gelesen hat, so oder so ähnlich. Vielleicht auch diese Variante: „Da scheint einmal mehr einer der einflussreichsten Männer seine Triebe nicht recht im Griff zu haben.“ Solche Sätze wurden und werden in Deutschland geschrieben, wenn es um einen Mann geht, dem vorgeworfen wird, am vergangenen Wochenende in New York eine Hotelangestellte vergewaltigt zu haben.
Traurig ist eigentlich vielmehr die Tatsache, dass „gewaltsamer Kontakt des Penis mit dem Mund“ in Deutschland wahrscheinlich nicht mal die Voraussetzung für eine Vergewaltigung im Sinne vom Strafgesetzbuch erfüllen wird (es wäre höchstens sexuelle Nötigung).
Es musste New York sein. In Europa wäre das als eine Affäre durchgegangen, auch vor der Justiz.
Begriffe wie Vergewaltigung, sexuelle Belästigung usw. werden in verschiedenen Staaten verschieden definiert. Und gerade in der heutigen Zeit der Globalisierung vermisse ich es, dass die Journalisten sich mit der Begrifflichkeit der „Vergewaltigungen“ auseinander setzen.