Frankfurter Rundschau 6.04.2010
Von Lutz van Dijk
Eine Grundschule in einem „Problem-Stadtteil“ im Süden West-Berlins Anfang der 1960er Jahre: Über 40 Mädchen und Jungen, die meisten aus einer nahen Flüchtlingssiedlung. Viele meiner Mitschüler kamen ohne Schuhe auch an kalten Tagen und trugen, vor allem an Montagen, Spuren von familiärer Gewalt und wenig Schlaf im Gesicht.
Unsere Klassenlehrerin war jung und engagiert. Sie tröstete und brachte gebrauchte Kleider mit für die, die auch im Winter in Sommersachen kamen. Ganz anders unser Werk- und Religionslehrer. Verhasst sein Hang zu Quälereien, seelischen wie körperlichen. Er streichelte vor allem Mädchen gern am Hals, manchmal rutschte die Hand tief in den Rücken. Die Mädchen erstarrten, manche kicherten hinterher.
Anders bei den Jungen: Berühmt waren seine Ohrfeigen. Er zog einen am Ohr hoch bis man auf Zehenspitzen stand, dann ließ er los, um dem zusammensackenden Jungen eine schallende Ohrfeige zu geben. Wir empfanden das als gemein, aber nicht als etwas Verbotenes, denn es geschah jede Woche aufs Neue. Das Streicheln der Mädchen, die Ohrfeigen bei den Jungen. Um die Angst und auch die Wut gegenüber Herrn P. zu verbergen, machten wir Witze über ihn. Manchmal erzählten wir uns, schreiend vor Lachen, wie auf seiner Hose ein Fleck war oder wie er einen roten Kopf bekommen hatte, beim Streicheln oder Prügeln.
Dies geschah an einer normalen staatlichen Grundschule. Keiner Eliteschule, weder katholisch noch reformpädagogisch. Eines Tages war Herr P. weg. Seine Nachfolgerin war alt und freundlich, so freundlich, dass ihr keine Disziplin in der Klasse gelang. Wir gingen über Tische und Bänke. Sie hatte auszubaden, was er in uns an Zorn und Verzweiflung aufgebaut hatte.
Wir hatten auch einen Herrn P nur hieß er damals Herr Ki….. er benahm sich ganz genauso wie Herr P nur das er auch die Mädchen schlug, und schlimmeres tat, ja es war eine ganz gewöhnliche Staatliche Grundschule.
Die Jungs hatten oft blutenden Nasen und ich konnte auf dem rechten Augen nicht mehr sehen nach solch einer Ohrfeige. Nur merkwürdig das man solche Kreaturen Herr zu nennen hatte.
Mir fällt dabei auf, dass menschliches akzeptieren, wie bei der Klassenlehrerin – annehmen eines jeden Menschen und Kindes nicht so stark wahrgenommen wird – wie der HERRSCHAFTSanspruch des Herrn Religionslehrers. Da steht man gleich innerlich stramm.
Herrschaftsanspruch/Macht hat stehts mit Bewertung/Abwertung und Entwertung zu tun, was dieser Mann auch wortwörtlich getan hat – dabei geht uns viel viel Menschlichkeit verloren und auch die Blickrichtung.
Menschen nachzueifern, die uns nicht achten und ehren – dies habe ich leider in meiner Kindheit auch erleben müssen in Familie und Schule – als Kind sich da dagegenzustellen ist für ein KIND zu schwer, vor allem weil die Erwachsenen damals autoritäts und herrschaftsgläubig waren – selten eine eigene Meinung und diese auch nur selten wohl durchtrugen…
Aus meiner Erwachsenenerfahrung erfahren solche „Herrengestalten“ dann ihren Schrecken, wenn ich mich von ihnen bewusst abwende, ihnen die Energie nehme, sie ignoriere, ich mich klar entscheide so nicht und vor allem, auf mich und meine Intuition und Erfahrung zähle, denn auf andere Menschen.
Dann entziehe ich mich dem Machtkampf… wie er sich nun auch über die Medien zeigt – ein Betroffener klagt an und nimmt Stellung und ein Herz sich für sich einzusetzen – das Gegenüber – statt Verantwortung zu übernehmen – negiert – streitet ab – ein Ziehen und Zerren entsteht und dem Menschen – der einfach mal gehört werden will und von der Schuld und Scham der Kindheit erlösen will – findet das Gegenteil…
Eine Schule, eine Religion in der es um MACHTSPIELE geht, egal welcher Art und Form, verliert an Glaubwürdigkeit und Kompetenz, da jeder einzelne MENSCH dabei ausser acht gelassen wird.
Macht dient niemandem – sie zerstört nur…. – Seelen – Herzen – Glauben – Kraft – Mut – Lebensmut und Lebensfreude – Dankbarkeit – jede Entwicklung im inne und aussen!
Das sind meine Gedanken…
Schönen Sonntag allen hier.
Herzliche Grüsse
Jacqueline