(Quelle: „Regensburger Freiheitsthesen zu Rechtsstaat und Religion“ | FDP-Fraktion Bayern (fdpltby.de) vom 22.09.2022
Die Thesen, die Missbrauch und Opferschutz betreffen:
5. These: Strafverfolgung ist Staatsaufgabe!
Sachstand: Bei der Aufarbeitung der zahlreichen Missbrauchsfälle durch Priester und sonstige hauptamtlich und ehrenamtlich Engagierte der katholischen Kirche wurde immer mehr deutlich, dass es hier eine erkennbare Zurückhaltung einzelner Staatsanwaltschaften gab, gegen diese zu ermitteln. Ein im Jahr 2010 vom Erzbistum München und Freising veröffentlichtes Missbrauchsgutachten wurde beispielsweise vom Bayerischen Justizministerium erst im Jahr 2019 angefragt. Die bayerischen Behördenvertreter drängten bei Diskussionen auf Bundesebene sogar darauf, von Durchsuchungen bei den Kirchen abzusehen. Viele der Taten konnten nicht geahndet werden, weil sie bereits verjährt waren, als sie den Staatsanwaltschaften durch die Kirche angezeigt wurden. Dabei normiert das Legalitätsprinzip eine gesetzliche Pflicht der Staatsanwaltschaften, bei entsprechendem Anfangsverdacht einer Straftat auch zu ermitteln. Es besteht hierbei auch keine Veranlassung zu einer Sonderbehandlung der Kirche, insbesondere stellt das Kirchenrecht keine Alternative zur strafrechtlichen Sanktionierung dar, sondern hat nur innerhalb der Institution Kirche Konsequenzen.
Forderungen: Es darf hier keine falsche Rücksichtnahme geben. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaften muss einer unabhängigen, externen Überprüfung unterzogen werden. Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle darf der Freistaat außerdem die Kirchen nicht alleine lassen. Insbesondere auf Basis der auf FDP-Anfrage und eines Grünen-Antrags erstellten Berichte über kirchliche Missbrauchsfälle soll ein öffentlich finanziertes, objektives Gutachten erarbeitet werden.
6. These: Opfer schützen und bei der Traumabewältigung unterstützen!
Sachstand: Für die Opfer von Missbrauch ist es schwer, sich jemandem anzuvertrauen und über das Erlebte zu sprechen. Hinzu kommt, dass sich die Opfer oft selbst kritischen Fragen stellen müssen. Das führt dazu, dass viele Betroffene das Erlebte jahrelang mit sich herumtragen und sich nur schwer jemandem anvertrauen können. Die Tatsache, dass die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche an vielen Stellen nur schleppend gelingt, ist für die Opfer besonders bitter, stellt doch schon das Öffentlichmachen der Tat einen emotionalen Kraftakt dar.
Forderungen: Die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag fordert daher schon länger die Einrichtung einer unabhängigen Anlaufstelle für Missbrauchsopfer, die den Opfern Hilfe in Krisen leistet, sie zu wohnortnahen Therapie- und Selbsthilfeangeboten informiert und berät, sie über mögliche rechtliche Schritte, insbesondere hinsichtlich der Erstattung einer Strafanzeige und über die Möglichkeit der Nebenklage bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufklärt, sie bei der Beantragung der Opferentschädigung, bspw. nach dem Opferentschädigungsgesetz unterstützt. Die Staatsregierung sollte darüber hinaus bestehende Präventivmaßnahmen evaluieren und ein Gesamtkonzept zur Prävention und Früherkennung erarbeiten. Insbesondere Sensibilisierungsprogramme, wie „Trau Dich“ an Schulen, sollten konsequent ausgeweitet werden, um Kinder und Jugendliche bezüglich möglicher Grenzüberschreitungen zu warnen und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen.
DAs komplette Papier hier: https://www.fdpltby.de/sites/default/files/resolutions/2022-09/POSITIONSPAPIER_%20Regensburger%20Freiheitsthesen%20zu%20Rechtsstaat%20und%20Religion-v52-20220922_105858.pdf