Pro und Contra
Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben: Sie soll das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Kirche klären. Geplant ist, Fallzahlen aus allen Bistümern zu erheben und den Einfluss der Kirche auf Täter und Opfer zu analysieren. Kann das gelingen?
Ja! Viele Menschen wollen Licht ins Dunkel bringen
Die Kirche muss sich einer kritischen Durchleuchtung ihres Verhaltens stellen. Meint sie es ernst mit ihrer Ankündigung, aus den Missbrauchsfällen der vergangenen Jahrzehnte zu lernen? Viele Verantwortliche in der Kirche wollen das inzwischen, weil sie wissen: Nur so können verloren gegangenes Vertrauen und die so sehr in Mitleidenschaft gezogene Glaubwürdigkeit der Kirche zurück gewonnen werden. Sie wollen Licht ins Dunkel bringen, um besser verstehen zu können, wie es dazu kommen konnte, dass in einem so erschreckend hohen Ausmaß sexueller Missbrauch im kirchlichen Kontext möglich war.
Das angekündigte Forschungsprojekt ist daher wichtig, zeigt es doch, dass die Kirche es ernst meint, transparenter mit den Missbrauchsfällen in ihren eigenen Reihen umzugehen. Das bezieht sich vor allem auch auf das Verhalten der Kirchenverantwortlichen, aber auch auf die Rolle, die die klerikale Struktur der katholischen Kirche dabei gespielt hat – und vielleicht immer noch spielt.
Das Forschungsprojekt stellt freilich nur ein Element im Konzert der Bemühungen der Kirche dar, mehr Transparenz zu gewährleisten. Weitere Schritte müssen folgen. Bestätigen die Forschungsergebnisse – was ich vermute -, dass die klerikale Struktur der Kirche missbräuchliches Verhalten gefördert hat und weiter fördert, müssen klare Konsequenzen daraus gezogen werden. Diese müssen deutlich machen, dass klerikales Verhalten, das ein »Oben« und ein »Unten« kennt – bei dem die angeblich heilige Sache wichtiger ist als die Sorge um den Menschen – in der Kirche keinen Platz haben darf. Der Weg dahin ist noch weit.
Wunibald Müller, geboren 1950, Psychologe und katholischer Theologe, leitet das Recollectio-Haus der Abtei Münsterschwarzach
Nein! Zu viele Akten sind bereits vernichtet worden
Das erste Forschungsprojekt – unter der Leitung des Kriminologen Professor Christian Pfeiffer –, war im Juni 2011 bundesweit angekündigt worden. Im Januar 2013 wurde es für gescheitert erklärt. Pfeiffer berichtete verärgert von Aktenvernichtung und Zensurversuchen; die katholische Kirche wiederum vom Verlust des Vertrauens in Pfeiffer. Wir vom netzwerkB hatten Recht behalten. Uns war früh klar, dass die Studie scheitern würde. Denn mit der bloßen Aufforderung der Kirchenleitung an die Bistümer, dem Forscherteam offen Akteneinsicht zu gewähren, konnte man nicht weiterkommen. Ein Narr ist, wer weiter daran glaubt, dass nach vier Jahren »Akten-Aufräumzeit« wissenschaftliche Forschungsarbeit noch möglich sei!
Die verantwortlichen Täterschützer der katholischen Kirche werden nach wie vor nicht zur Rechenschaft gezogen. Und die Täter selbst – sofern sie überhaupt ermittelt werden – sind in vielen Fällen durch die bestehenden Verjährungsfristen für sexuelle Straftaten geschützt.
Laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap meinen 86 Prozent der Deutschen, Verjährungsfristen für Sexualstraftaten an Minderjährigen sollten aufgehoben werden. Das Volk spricht hier eine klare Sprache. Politik und Kirche hinken hinterher. Die Kirche sollte hier eine Vorreiterrolle übernehmen – und nicht versuchen, der Gesellschaft mit einem neuen Forschungsprojekt zu suggerieren, dass sie angeblich etwas für die Opfer tut. So lange diese mit 5.000 Euro abgespeist und nicht angemessen entschädigt werden, die Täter und Täterschützer aber von Kirche und Staat nicht zur Rechenschaft gezogen werden, kann von einer Aufarbeitung nicht die Rede sein.
Norbert Denef, geboren 1949, ist Vorsitzender von »netzwerkB« Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.: www.netzwerkb.org
Klärt die Kirche Missbrauchsfälle auf?
Kann das gelingen?
Dazu läuft eine online-Umfrage – bis zum 22. April 2014.
Nehmen Sie teil: http://www.publik-forum.de
„Sie soll das Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Kirche klären.“
„Sie wollen Licht ins Dunkel bringen….“
Wie ist das zu verstehen ? Werden da relative Zahlen ermittelt im Vergleich zu anderen Bereichen als der katholischen Kirche oder unter den Bistümern.
Namen von Tätern und Vorgesetzten dürfen bestimmt nicht ermittelt werden, da das dem Schutz der Persönlichkeit nicht dienlich ist.
Soviel ich mitbekommen habe, können betroffene Missbrauch Opfer der katholischen Kirche „vertrauensvoll“ sich auch interviewen lassen.