86% der Deutschen sind der Meinung, strafrechtliche Verjährungsfristen für Sexualstraftaten an Minderjährigen sollten generell aufgehoben werden.

Eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag von netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V. (Umfrage als PDF herunterladen)

Ergebnisse im Überblick

  • Es gibt nur wenige gesellschaftliche Fragestellungen, bei denen die Deutschen derart einhelliger Meinung sind wie bei der Bewertung von Sexualstraftaten: So sind in der aktuellen Umfrage nahezu neun von zehn (86 Prozent) der befragten Deutschen der Meinung, strafrechtliche Verjährungsfristen für Sexualstraftaten an Minderjährigen sollten generell aufgehoben werden. Dagegen spricht sich etwa jeder Zehnte (12 Prozent) für eine Beibehaltung der gegenwärtig geltenden Verjährungsfristen aus. Zwei Prozent der Befragten haben auf die Frage hin keine Antwort gegeben.
  • Diese Meinungsstruktur ist unter den Deutschen weit verbreitet. Große Mehrheiten für eine Abschaffung der Verjährungsfristen bei Sexualstraftaten an Minderjährigen finden sich in allen Alters- und Bildungsgruppen, unter Männern und Frauen und auch quer durch die politischen Lager der betrachteten Anhängerschaften der Parteien CDU/CSU, SPD, Linke und Grüne.

netzwerkB fordert die Politik auf, den Willen des Deutschen Volkes umzusetzen – wir wollen mehr demokratische Mitbestimmung!

Die Opfer fühlen sich von der Politik verraten

Als SPD-Fraktionschef im saarländischen Landtag hat Heiko Maas gefordert, die Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch aufzuheben und hat damit die Interessen der Opfer vertreten – als Bundesjustizminister bricht er sein Versprechen.

Der SPD-Politiker Heiko Maas hat sich im Jahr 2010 mit deutlichen Worten für die Interessen der Opfer von sexualisierter Gewalt eingesetzt. An Norbert Denef, den Sprecher der Opferinteressenvertretung netzwerkB schrieb er damals: „Kindesmissbrauch ist für mich, auch als Vater von zwei Kindern, eines der schlimmsten Vergehen überhaupt. Es darf einfach nicht sein, dass ein solches widerliches und grausames Verbrechen verjährt und die Täter ungeschoren davonkommen.“ (Schreiben als PDF herunterladen)

Er setzte sich damals für die Aufhebung der Verjährungsfrist ein. Heute ist Maas Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz und will davon nichts mehr wissen. Die Opfer fühlen sich von der Politik verraten.

Passiert ist bisher wenig

Bisher wurde lediglich das Alter des Opfers ab dem die Verjährungsfrist einsetzt von 18 auf 21 Jahre angehoben. Die Koalition plant nun, laut Koalitionsvertrag, dass die strafrechtliche Verjährung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zukünftig nicht vor dem 30. Lebensjahr der Missbrauchsopfer einsetzt.

netzwerkB lehnt Kompromisslösung ab

Der Bundesminister Heiko Maas hat kürzlich netzwerkB mitteilen lassen, dass die Vorgabe im Koalitionsvertrag vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in einem weiten Sinne verstanden wird und soll auch angeblich in einem solchen Sinne umgesetzt werden. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Es geht danach nicht etwa nur darum, dass die Verjährung zukünftig nicht vor Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers eintreten soll. Vielmehr soll zukünftig die – je nach Schwere des Delikts geltende – Verjährungsfrist nicht vor Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers zu laufen beginnen.“ (Schreiben als PDF herunterladen)

Als bundesweite Opferinteressenvertretung in Deutschland fordert netzwerkB schon seit vielen Jahren die komplette Aufhebung der Verjährungsfristen. Eine Kompromisslösung, so wie sie nun vom Bundesminister Heiko Maas vorgeschlagen wird, lehnt netzwerkB ab.

Rückwirkende Aufhebung von Verjährungsfristen 

Die rückwirkende Aufhebung von Verjährungsfristen bei sexueller Gewalt gegen Kinder lehnt der Gesetzgeber mit der Begründung ab, dass sich die Täter/innen auf das Gesetz verlassen können sollen. Die Täter/innen also, die bereits zum Zeitpunkt der Ausübung ihrer Straftaten wussten, dass sie das Gesetz brechen (dieses also bewusst taten), die sich dadurch aber in den meisten Fällen nicht von Wiederholungen abhalten ließen, notorische Gesetzesbrecher also, sollen darauf vertrauen können, dass der Rechtsstaat ein Rechtsstaat ist und sie nicht rückwirkend für ihre Straftaten zur Rechenschaft zieht.

Den Betroffenen dagegen, deren Grundrechte durch diese Straftaten massiv verletzt wurden und die häufig für ihr ganzes weiteres Leben schwer beeinträchtigt sind, kann offenbar zugemutet werden, dass der Rechtsstaat die gegen sie verübten schweren Straftaten ab einem gewissen Zeitpunkt als nicht geschehen betrachtet, bzw. „die Rechtsgemeinschaft an deren Ahndung nur noch ein untergeordnetes Interesse hat“, im Interesse eines so genannten „Rechtsfrieden“.

Es wird also deutlich: Verjährungsfristen bei sexueller Gewalt gegen Kinder nützen nicht den Betroffenen, sondern den Täter/innen. Der Täterschutz steht noch immer im Vordergrund dieser Gesetzgebung. Deshalb fordert netzwerkB die rückwirkende Aufhebung von Verjährungsfristen.

Weiterführende Quellen:
Umfrageergebnis infratest dimap
netzwerkB-tv fragt nach
Heiko Maas 2010
Bundesminister Heiko Maas 2014
Zustimmung Bundesparteitag der SPD 2011
netzwerkB Argumente zur Aufhebung der Verjährungsfristen

Für Rückfragen:
netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
Telefon: +49 (0)4503 892782 oder +49 (0)163 1625091
presse@netzwerkb.org
www.netzwerkB.org