Ein Mann plant gemeinsame Selbsthilfegruppe
Über 35 Jahre lebte Kurt D. mit einer Last, die ihm das Leben zur Hölle machte. In seiner Kindheit – zwischen seinem 10. und 18. Lebensjahr – wurde der heute 64jährige von zwei Freunden der Familie sexuell missbraucht. Lange Zeit behielt er dieses „bestgehütete Geheimnis der Welt“ für sich und sprach mit niemandem über seine Erlebnisse. Das wäre auch schwer möglich gewesen, denn Kurt D. hatte die Erinnerungen tief in seinem Unterbewusstsein versteckt. Und von dort aus trieben sie ihn „massiv in die Enge“.
Mit 40 war er dann auf dem absoluten Tiefpunkt: Getrieben von schweren Depressionen begab er sich für mehrere Monate in eine Klinik, und dort begann er, sich erstmals mit der Thematik des sexuellen Missbrauchs an Kindern zu beschäftigen. Jetzt erst wurde er sich seiner eigenen Situation bewusst, und nach längerem Studium der einschlägigen Fachliteratur fasste er einen bedeutsamen Entschluss: Die Sache musste endlich raus.
Auf einem Familienfest sprach er dann erstmals den Satz aus, vor dem er sich unbewusst Jahrzehnte gefürchtet hatte: „Ich bin sexuell missbraucht worden!“ Was für ihn der erste Schritt in ein neues Leben war, wurde von der Familie jedoch keineswegs positiv aufgenommen. Im Gegenteil: Man war bemüht, sich von dem „Nestbeschmutzer“ zu distanzieren.
Kurt D. ist sich sicher, dass sein Schicksal kein Einzelfall ist. Jede vierte Frau und jeder zehnte Mann seien in Deutschland als Kind sexuell missbraucht worden, vielleicht liege die tatsächliche Dunkelziffer auch viel höher. Auf seiner Suche nach Gesprächen stieß der am Theater beschäftigte und mittlerweile zum Gesundheitsberater ausgebildete Kurt D. immer wieder auf Sprachlosigkeit und eine Mauer des Schweigens. Probleme bereitete ihm dabei auch sein Geschlecht: Die bestehenden Selbsthilfegruppen sind streng nach Männer und Frauen getrennt. In Frankfurt etwa hilft „Wildwasser“ ausschließlich Frauen, das männliche Pendant „Bittersüß“ ist auch wirklich nur für Männer da. Dabei, so Kurt D., könnte es gerade für Frauen interessant sein, wenn sie zu ihren männlichen Leidenskollegen „Brücken schlagen“ könnten.
Aus diesem Grund will Kurt D. eine neue Gruppe ins Leben rufen, die sowohl für Männer wie auch für Frauen offen ist – nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung der bestehenden Institutionen.
Bei „Bittersüß“ steht man dem Projekt einer „gemischten“ Selbsthilfegruppe eher skeptisch gegenüber. Zu leicht könnten etwa Frauen in ihrem männlichen Gegenüber nicht das Opfer, sondern den Täter sehen. Kurt D. sieht das anders: Schließlich würden die Kinder, egal ob Junge oder Mädchen, das gleiche erleben.
Wenn es ihm gelinge, auch nur in einem Fall die unselige „Familientradition“ zu brechen, bei der aus früheren Opfern leicht Täter würden, dann habe sich die Gruppe und das Wagnis bereits gelohnt. Nähere Informationen über die Selbsthilfegruppe erhalten Interessierte unter der Rufnummer: 04503 892782
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Ich finde diese idee sehr gut. Denn nicht alle Männer sind auch gleich Täter „nur“ weil sie männlich sind! Es steckt viel potenzial in dieser Idee. Es könnte auf beiden Seiten viele Ängste, Vorurteile, etc abbauen! Sodas man(n)/frau vielleicht nicht mehr mit Panik auf offizielle Termine (Arzt, Krankenhaus, Behörden, etc reagiert. Ich unterstütze diese Idee!!!!!!
ich kann das nur unterstützen. ich habe auch gute heilsame erfahrungen gemacht im rahmen der „anonymen“ selbsthilfegruppen mit gemischten gruppen und diesem thema.
Gute Initiative!
Die Überschrift sollte jedoch lauten:
„Sexualisierte Gewalt: Erfahrung beider Geschlechter“
Wer die Begriffe „Sexueller Missbrauch“ bzw. „Schwerer Sexueller Missbrauch“ benutzt, hat keinen schlechten Willen. Er benutzt sie so, wie er sie kennt und wie sie auch im deutschen Strafgesetzbuch stehen.
Der Begriff „Sexualisierte Gewalt“ ist ein Überbegriff. Er kann sich ebensogut darauf beziehen, dass sich eine nackte Person draussen anderen erwachsenen Menschen zeigt.
Solch einen Überbegriff zu verwenden ist so sinnvoll, wie „Totschlag“ oder „Mord“ unter „Physische Gewalt“ zu subsumieren. Er ist zu ungenau. Wem nützt das? Nun ja, immerhin läßt es die Statistiken höher aussehen.
Schon wer aus Versehen mal „Sexuelle Gewalt“ statt „Sexualisierte Gewalt“ sagt, wird mit Belehrungen überzogen und als dumm abgewertet. Das ist alles ein Teil der „feministischen Linguistik“, die zugleich auch die „Deutungshoheit“ für sich in Anspruch nimmt.
Wer „Missbrauch“ sagt, behauptet, es gäbe auch einen legitimen Gebrauch. Woher wissen wir, dass es diejenige Person so denkt? Das wissen wir einfach. Aufgrund der selbst definierten und selbst verliehenen Deutungshoheit.
Wer sich nicht ausreichend „ideologisch geschult“ und anpassungsbereit zeigt, wird der „Tätersprache“ bezichtigt. Hier geht es auch nicht mehr um die Sache, sondern um die geschlechterpolitischen Debatten und zugleich den eigenen Anspruch auf Macht und Durchsetzung gebenüber dem Gesprächspartner.
Wenn Männer als Opfer in diesen Kreisen geduldet werden, dann am liebsten nur dann, wenn sie Opfer von Männern sind. In diesem Sinne wird das Schicksal von Personen, die Opfer von Sexualstraftaten geworden sind, nur für die eigene Progammatik instrumentalisiert.
Jede Frau kann selbst entscheiden, ob eine gemischte Gruppe für sie erträglich ist. Die Idee ist immer gut. Ich persönlich merke, dass bei aller Aufarbeitung und Heilung das Schlimmste für mich ist, dass die Familie mir nicht glaubt. Ein Ort der Geborgenheit, kann auch eine Selbsthilfegruppe sein.
prinzipiell find ich das eine tolle Idee und Initiative. Und ich finde es schlimm genug, dass das in der heutigen zeit noch als so etwas aussergewöhnliches „gefeiert“ wird.
Ich persönlich würde aber wahrscheinlich nie in eine gemischte Gruppe gehen in der ich als Mann geduldet werde, denn ich hätte bedenken, dass ich mich vor lauter Panik nicht öffnen könnte.
wie Menschen auf die Idee kommen können, sie wären sicher, alleine nur weil sie sich unter Frauen befinden, wird sich mir nie erstrecken. Und in einem Klima, in dem das Geschlecht ein Auswahlkriterium für Charaktereigenschaften sind, wäre ich falsch.
In einer Selbsthilfegruppe sollten sich Menschen finden, die sich soweit vertrauen können, dass sie sich öffnen möchten, dass ihnen geglaubt wird. Was hat das mit dem Geschlecht zu tun?