Lübecker Nachrichten 24.07.2012

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Foto: Christina Düvell-Veen

Zuerst gab es eine Möhre und dann ein Stück Obst. Damit beendete Norbert Denef gestern seinen 46-tägigen Hungerstreik.

Scharbeutz – 46 Tage lang hat Norbert Denef keine feste Nahrung zu sich genommen. Gestern Abend um 18 Uhr beendete der 63-Jährige in Scharbeutz seinen Hungerstreik, biss vorsichtig in eine Möhre und suchte sich aus einem großen Korb ein Stück frisches Obst aus.

Ebenso wie Denef handelten gestern auch vier Frauen sowie zwei Männer in Deutschland und in Österreich. „Nach Rücksprache untereinander, mit unseren Unterstützern und unseren Ärzten, beenden wir den Hungerstreik“, formulierten sie in einer gemeinsamen Erklärung. Ihr großes Ziel, eine Aufhebung der Verjährung für Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erreichen, haben sie nicht erreicht. Dennoch ist Denef zufrieden: „Die Aktion war ein voller Erfolg, denn mehr war nicht zu erreichen.“Geschafft haben sie es, dass über 63 800 Menschen die Ziele der Gruppe mit ihren Unterschriften bekräftigten. In den vergangenen sechs Wochen hatte allein Denef über 12 000 E-Mail-Kontakte. Berichte über ihn gab es zunächst in den „Lübecker Nachrichten“, dann aber auch in vielen überregionalen Zeitschriften und Magazinen, im Radio und im Fernsehen. „Bei unserem Hungerstreik haben wir mit unserer einen Hand der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten, während wir ihnen die andere Hand gereicht haben“, so Denef. Dieses Angebot habe in den vergangenen Wochen vor allem für Politiker gegolten, die im Bundestag über die Verjährungsfristen zu entscheiden haben. „Jetzt müssen wir erkennen, dass die Politik die Opfer lieber verhungern lässt, als sich für Opferschutz und Kinderschutz einzusetzen“, so Denef. Er ist Sprecher des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt. „Für uns waren die bis zu 46 Tage Hungerstreik eine harte und schmerzhafte Zeit. Sie ist aber kein Vergleich zu dem, was Kinder jetzt gerade erleiden müssen, die über Jahre hinweg sexualisierte Gewalt in ihrem Zuhause oder ihrem Umfeld erleben müssen, ohne Hilfe zu erhalten.“

In den 46 Tagen des Hungerstreiks hat Denef auch wichtige Dinge über sich selbst erfahren. „Vom Kopf her gesehen habe ich mich noch nie so klar wie heute gefühlt“, sagte er gestern. Er denke schneller als er sprechen könne, und wenn jemand lüge, spüre er es sofort. Andererseits bereitet ihm der Körper einige Probleme. Dabei sei es nicht so sehr der Verlust von zwölf Kilogramm, so dass er jetzt nur noch 70 Kilo auf die Waage bringt. Sorgen bereite ihm vor allem sein linker Fuß, in dem es Lähmungserscheinungen gebe. Nach den ersten sieben Tagen habe er einen ersten Tiefpunkt und auch starkes körperliches Unwohlsein verspürt. Danach aber habe es nur Lichtblicke gegeben.

Denef, der von Ehefrau Veronika sowie von der 37-jährigen Tochter und dem 32-jährigen Sohn in seinem Engagement unterstützt wird, hat in den vergangenen Wochen ausschließlich getrunken. Zumeist stilles Wasser, aber auch Gemüsewasser. Und das ohne Salz und Gewürze, denn: „Die regen den Appetit an.“ Da ein Hungerstreik schnell lebensgefährlich werden kann, stand er während des Streiks ständig unter ärztlicher Beobachtung.

Seine Aktion, die er gewaltfrei „ohne Wut, ohne Hass und ohne Erpressung“ ausübt, hat ihn am 13. Juli auch vor das Reichstagsgebäude nach Berlin geführt. Der dortige Polizeipräsident sah darin einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und schickte ihm eine Anzeige ins Haus. Die aber hält Denef nicht davon ab, weiter für die Aufhebung der Verjährung zu kämpfen.

Quelle: http://www.ln-online.de/lokales/ostholstein/3505928/nach-46-tagen-hat-norbert-denef-gestern-den-hungerstreik-beendet


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