morgenweb 10.03.2010
Ursula Barth über die derzeitigen Verjährungsfristen nach sexuellem Kindesmissbrauch, die vor allem dem Täter nützen

Begriffe wie Entschädigung oder Wiedergutmachung muten seltsam an, wenn es um die Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch geht. Kann man Verletzungen, die einem Kind an Leib und Seele durch Erwachsene zugefügt wurden, denen es vertraute, wiedergutmachen? Hat sexueller Kindesmissbrauch im Nachhinein seinen „Preis“? Wohl kaum. Aber auch wenn die erlittene Gewalt durch kein Geld der Welt zu entschädigen ist, müssen Opfer ein Anrecht auf Ausgleich haben. Das gebietet die Gerechtigkeit. Deshalb muss die meist nur dreijährige zivilrechtliche Verjährungsfrist für Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Schadenersatz fallen.

Den Opfern wird es kaum darum gehen, sich vom Schmerzensgeld einen schönen Urlaub zu gönnen. Sie leiden oft noch Jahrzehnte unter der erlittenen sexuellen Gewalt. Manchmal kann eine Therapie helfen. Aber auch die ist schwer zu bekommen. Die Wartezeiten liegen zwischen drei Monaten und einem Jahr, und die Krankenkassen zahlen nicht unbegrenzt. Finanzielle Unterstützung durch die Organisation, für die der Täter seinerzeit tätig war, kann dem Opfer weiterhelfen.

Auch die strafrechtlichen Verjährungsfristen gehören dringend auf den Prüfstand. Kaum eines der Opfer, das sich in der aktuellen Welle bekannt gewordener Fälle zu Wort gemeldet hat, ist 28 Jahre oder jünger. Nur so lange haben Opfer aber Zeit, ihre Peiniger anzuzeigen. Die meisten brauchen jedoch Jahrzehnte, um ihre Scham zu überwinden und über das Unrecht zu sprechen. Die Verjährungsfrist von zehn Jahren nach Erreichen der Volljährigkeit nützt nur dem Täter, nicht dem Opfer. Ob es nach Jahrzehnten noch möglich ist, einen Strafprozess gegen einen Kinderschänder zu führen, soll die Justiz im Einzelfall entscheiden. Ein Erfolg vor Gericht – das zeigen auch die Prozesse gegen frühere NS-Täter – ist für die meisten Opfer ohnehin sekundär. Sie wollen, dass sich die Täter verantworten müssen. Egal, mit welchem Ausgang.

Quelle:

Mannheimer Morgen

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