Neben Recherchen innerhalb des Jugendamts, in Unterlagen der
Abteilung Erziehungshilfen, des ehemaligen Jungenheims, heute
Inobhutnahmeeinrichtung für Kinder und Jugendliche, der Personalstelle
des Jugendamts, des Haupt- und Personalamts und des Rechtsamts
sowie der gemeinsamen Zentralaktei des Sozial- und Jugendamts sind
wir auch auf das Landesjugendamt und auf das Stadtarchiv zugegangen,
um an Unterlagen zu Kamenzin oder zu den jungen Menschen, die er
betreut hat, aber auch zu den Einrichtungen, die er betrieben hat, zu
gelangen.
Vom Landesjugendamt wurden uns drei Ordner
Aufsichtsakten zur Verfügung gestellt, aus denen sich zwar keine
Hinweise auf sexuelle Gewalt, sehr wohl aber auf massive Missstände in
dieser Jugendamtseinrichtung in den 60-ziger und 70-ziger Jahren
ergeben haben. Insgesamt war die Suche nach Hinweisen in Akten und
Personalunterlagen zum relevanten Zeitraum und zu Hinweisen auf
sexuelle Gewalt eher ernüchternd.
Sehr viel weiter geführt hat uns der Hinweis von Joachim Herchet,
Mitarbeiter des Referats Erziehungshilfen beim Landesjugendamt auf
das Ehepaar Behnk/Zimmermann, die als Rechtnachfolger der Vereine
von Kamenzin fast dessen gesamten Nachlass gesichert und archiviert
hatten und die letztlich dafür gesorgt hatten, dass Kamenzin das
Handwerk gelegt wurde und seine kriminellen Machenschaften öffentlich,
justiziabel und dokumentiert wurden.
Mit dem Ehepaar
Behnk/Zimmermann hatten wir mehrfach Kontakt, sie haben uns
wertvolle Unterlagen zur Verfügung gestellt und Hinweise gegeben.
Durch sie wurde es auch möglich, dass Frau Dr. Heynen und ich in der
letzten Immobilie von Kamenzin, die noch nicht geräumt und aufgelöst
werden konnte, einem Haus in den Vogesen im Elsass, das Kamenzin
über viele Jahre als Freizeitstätte mit Jugendlichen genutzt hat und das
seit seinem Tod unberührt und verlassen stand, eine Vielzahl von
Unterlagen, die eigentlich in den Besitz des Jugendamts oder der
ehemaligen betreuten jungen Menschen gehören, sichten, sichern und
nach Stuttgart mitnehmen konnten.
Diese Unterlagen aus Waldersbach
haben wir später gemeinsam mit dem Forschungsteam der Uni
Hildesheim gesichtet und archiviert; sie sind teilweise in die Forschung
mit eingeflossen und wurden nach Abschluss des Projekts dem
Stadtarchiv übergeben.
Obwohl die Aktenlage nicht eindeutig und eher dürftig war, haben uns die
bisherigen Hinweise von Betroffenen, die Gespräche mit dem Ehepaar
Behnk/Zimmermann und der damalige Kenntnisstand zu den
Machenschaften des ehemaligen Jugendamtsmitarbeiters Kamenzin
darin bestärkt, eine unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung zu
veranlassen.
Frau Fezer als zuständige Bürgermeisterin war damit
einverstanden. Durch persönliche und berufliche Kontakte wussten wir,
dass das Forschungsteam um Prof. Wolfang Schröer an der Uni
Hildesheim Erfahrung und Expertise mit solchen Aufarbeitungsprozessen
hat. Letztlich wurde mit der Uni Hildesheim unter Mitwirkung des
Rechtsamts und der Datenschutzbeauftragten der Stadt Stuttgart ein
Vertrag geschlossen, der dieses Aufarbeitungsprojekt ermöglicht hat und
dessen Ergebnisse heute vorgestellt werden.
Anfängliche Versuche, das
Landesjugendamt Baden-Württemberg als Projektpartner und
Mitfinanzier an diesem Projekt zu beteiligen, konnten leider nicht
realisiert werden, weil von dieser Seite kein Interesse bestand, an dem
Projekt mitzuwirken.