(Foto: Dom in St. Blasien)
Ex-Delitzscher will Stiftung gründen
Initiative zur Unterstützung von Missbrauchsopfern
von May Würker
Delitzsch. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt Norbert Denef. Der 66-Jährige, der als Kind und Jugendlicher in seiner Heimatstadt Delitzsch sexuellen Missbrauch erlebte, will auf dem Wege der Versöhnung eine gesellschaftliche Aufarbeitung des Themas in Gang bringen – und damit anderen Opfern eine Stimme geben. „Trotz verstärkter öffentlicher Diskussion bleiben die meisten der Verbrechen bis heute unaufgedeckt. Die Opfer schweigen, aus Scham und falschen Schuldgefühlen“, schildert Denef, der inzwischen in Schleswig-Holstein lebt – und meint damit Fälle im Wirkungskreis der katholischen Kirche, aber auch in Familien. Es sei wichtig, das Schweigen zu brechen – und Menschen öffentlich zu würdigen, die sich für den Bruch des Schweigens engagieren.
Der gebürtige Delitzscher, der über Jahre vom damaligen katholischen Vikar der Stadt sowie von einem zweiten Täter aus der Familie missbraucht wurde, plant eine Stiftung. Der Wunsch reift seit Längerem, nun wird er konkret. Die Institution soll jährlich Personen auszeichnen, die sich für einen offenen Umgang mit dem Thema sexualisierter Gewalt engagieren – verbunden jeweils mit einem Preisgeld, um deren Arbeit zu fördern. Aktuell geht es darum, das Stiftungskapital aufzubringen. Denef erwartet finanzielle Unterstützung von der katholischen Kirche. Er sei dazu unter anderem mit Gerhard Feige, Bischof des Bistums Magdeburg, im Gespräch. „Wir haben lange miteinander geredet“, sagt Denef. Die Unterstützung der Stiftung durch die katholische Kirche würde neues Vertrauen schaffen.
Lange gesprochen hat er auch mit Klaus Mertes. Der Jesuitenpater deckte vor etwa sechs Jahren am Canisuis-Kolleg in Berlin Missbrauch und Vertuschung auf, löste eine Welle von Diskussionen aus. Begegnet sind Denef und Mertes erstmals beim Ökumenischen Kirchentag 2010 in München. Seitdem trafen sie sich mehrfach, glätteten die anfänglichen Verwerfungen zwischen ihnen, ziehen nun bei der Stiftungsgründung an einem Strang. Das jüngste Treffen fand vor wenigen Tagen in St. Blasien im Schwarzwald statt – die ARD berichtete in einer Vorabend-Fernsehsendung Brisant darüber.
„Es ist wichtig, dass die Initiative für Versöhnung von der Opferseite kommt“, betonte Pater Mertes. Sein gemeinsamer Weg mit Norbert Denef soll Signalwirkung haben – der Schulterschluss zwischen einem Kirchenvertreter und dem Mann aus Delitzsch, der gegen die Rolle von Kirche und Politik seit Jahren öffentlich protestiert. „Nur durch Versöhnung und Enttabuisierung ist es möglich, dass Opfer ihr Schweigen brechen, ohne dafür ausgegrenzt zu werden“, sagt Denef.
Quelle: Leipziger Volkszeitung 19.01.2016
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„Die Opfer schweigen, aus Scham und falschen Schuldgefühlen“, schildert Denef, der inzwischen in Schleswig-Holstein lebt – und meint damit Fälle im Wirkungskreis der katholischen Kirche, aber auch in Familien. Es sei wichtig, das Schweigen zu brechen – und Menschen öffentlich zu würdigen, die sich für den Bruch des Schweigens engagieren.“
Sehr richtig!
Dem stimme ich zu !