Zum Mythos der Sinnhaftigkeit der Vorlagepflicht von Führungszeugnissen
Wir fordern die Politik auf, den Mythos der Sinnhaftigkeit der Vorlagepflicht von Führungszeugnissen nicht weiter zu verbreiten: Führungszeugnisse sind keine geeignete Präventivmaßnahme.
Die Verpflichtung zur Vorlage polizeilicher Führungszeugnisse bei der Bewerbung um eine Anstellung in einer Einrichtung, welche hauptsächlich Kinder und / oder Jugendliche betreut oder in welcher diese beschäftigt werden, führt faktisch nicht zur Verbesserung des Schutzes der Kinder und Jugendlichen vor Pädo-Kriminellen.
Zunächst ist zwingend zu beachten, dass eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153 oder 153a StPO, wie zuletzt im Fall Edathy bekannt geworden, aus einem solchen Führungszeugnis gerade nicht hervorgeht, sondern lediglich etwaige Verurteilungen.
Dies ist für Beschuldigte / Täter gerade einer der Haupt-Anreizpunkte einer Verfahrenseinstellung zuzustimmen und eine (häufig medienwirksame) Verurteilung zu vermeiden.
§ 153 StPO wird angewandt, wenn aus Sicht der Staatsanwaltschaft die Schuld des Beschuldigten als gering einzustufen ist. Die häufigere Verfahrensweise ist jedoch das Vorgehen nach § 153a StPO, das heißt, einer Verfahrenseinstellung gegen eine Auflage – im Regelfall die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse oder das Ableisten gemeinnütziger Arbeit.
Ein potentieller Arbeitgeber kann folglich aus einem vorgelegten Führungszeugnis nicht erkennen, ob gegen den Bewerber bereits ein Ermittlungsverfahren wegen pädokriminellen Tat geführt wurde.
Die Vorlage eines „erweiterten“ Führungszeugnisses, wie es etwa Staatsanwaltschaften und Gerichte anfordern können, kann allenfalls bei Bewerbern um Ämter des öffentlichen Dienstes / Richterämter und dergleichen verlangt werden.
Ausschließlich aus diesen Führungszeugnissen sind auch etwaige Verfahrenseinstellungen ersichtlich.
Insbesondere privat geführte Einrichtungen, Vereine, etc. können folglich aus einem Führungszeugnis
keineswegs erkennen, ob der Bewerber / die Bewerberin bereits in pädokrimineller Weise in Erscheinung getreten ist, wenn keine entsprechende Verurteilung vorliegt.
Zu berücksichtigen ist zudem in dies
em Zusammenhang, dass von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO, also gegen die Erfüllung von Auflagen, auch bereits durch die Staatsanwaltschaften häufig Gebrauch gemacht wird, zahlreiche Verfahren folglich gar nicht erst bei den Gerichten eingehen und somit bekannt werden.
Eine konkrete Anzahl der Verfahren, in welchen es zu Einstellungen gemäß § 153 oder 153a StPO durch die Staatsanwaltschaften kommt, ist nicht bekannt. Die jeweiligen Staatsanwaltschaften und die jeweiligen Justizministerien der 16 Bundesländer werden aufgefordert, hierzu entsprechende Daten zu veröffentlichen.
Gleiches gilt hinsichtlich der Anzahl der Verfahren, in welchen es zu Einstellungen gemäß § 153a StPO durch die Gerichte (mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft) kommt.
Hierzu müsste neben den Länder-Justizministerien auch der Deutsche Richterbund Daten veröffentlichen.
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Für Rückfragen:
netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
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Ich arbeite seit einigen Jahren im Pädagogischen Bereich in Hessen bei einem größeren Verein(BVZ), der über 1800 MitarbeiterInnen beschäftigt. Bei Einstellung und dannach im Abstand von 3 Jahren muss ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden.Es scheint also durchaus möglich das auch Vereine ein solches prinzipiell anfordern dürfen.Grüße und Danke
Hallo? Hallloooooo?????
Merkt denn sonst keiner was? Endlich hat mal jemand einen Durchblick was dieses Führungszeugnis und Kinderschutz angeht. Im Zusammenhang mit der Edathy-Geschichte hätte es hinreichend klar sein sollen, dass dieses seit 2010 so hochgelobte Führungszeugnis im Grunde genommen nur eine Farce ist. Und dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Und die Medien schweigen.
Und die anderen Betroffenen-Organisationen – schweigen mit. Merken nicht.
Und die Politik. Tut nichts.
Gut dass netzwerkB weiter wachsam ist und merkt und spricht.
Die Staatsanwaltschaft entscheidet nach Abschluß der Ermittlungen, ob eine Anklageschrift, ein Strafbefehl oder eine Einstellung des Verfahrens in Betracht kommt.
Hat sich bei den Ermittlungen herausgestellt, dass der Beschuldigte nicht Täter der Straftat ist oder aber Beweise fehlen, wird das Verfahren gemäß § 170 Abs. II StPO eingestellt.
Ist die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat, sieht sie aber nur ein geringes Verschulden, so kann sie das Verfahren nach § 153 StPO einstellen.
Hält die Staatsanwaltschaft die Schuld des Beschuldigten für gegeben und eine Buße für erforderlich, so setzt sie eine Auflage für die Einstellung des Verfahrens fest. (§ 153 a StPO) Meistens ist dies eine Geldbuße, die an die Staatskasse oder einen gemeinnützigen Verein innerhalb einer bestimmten Frist zu zahlen ist. Wird die Buße gezahlt, wird das Verfahren endgültig eingestellt und kann nicht wieder aufgerollt werden.
Andernfalls muss die Staatsanwaltschaft Anklage erheben oder Strafbefehl beantragen.
Auch in der Hauptverhandlung kann die Verteidigung darauf hinwirken, daß ein Verfahren eingestellt wird. Dies ist aber meist schwieriger als im Ermittlungsverfahren.
Ich finde das mit dem Erweiterten Führungszeugnis nicht so schlecht und hätte auch gedacht, dass es unkompliziert von den Arbeitgebern angefordert werden kann und dann auch für den Arbeitsuchenden kostenlos ausgestellt wird.
Zitat vom 09.11.2010:
http://netzwerkb.org/2010/11/07/wem-nutzt-ein-medialer-pranger/
Hubert schreibt am 09.11.2010:
„Ich denke, man muß sich von der Vorstellung verabschieden, daß man einen sicheren Ort schaffen könne.
Die Gefahr lauert überall, und gerade dort, wo man glaubt, es sei sicher.
Nichts ist schlimmer, als sich in Sicherheit zu wägen, dort wo eigentlich keine vorhanden ist.“
Und das gilt für Obiges auch.