Der Kirchenskandal: Seit 2010 wurden verstärkt bundesweit Fälle von Priestern bekannt, die Kinder missbraucht hatten. Der erste Fall in der Diözese Würzburg betraf einen Franziskaner-Minoriten-Pater. Seither läuft die kirchenrechtliche Untersuchung.

Vor fünf Jahren haben sich die Opfer an die Kirche gewandt. Auf Gerechtigkeit warten sie noch heute: Das kirchenrechtliche Urteil über einen prominenten Würzburger Franziskaner-Pater steht immer noch aus. Der stadtbekannte „Sportpater“ war im bundesweiten Missbrauchsskandal der katholischen Kirche 2010 der erste Fall in der Diözese Würzburg. Medienberichte brachten damals, Ende Februar, ans Licht, dass der Franziskaner-Minoriten-Pater in den 60er Jahren Schüler sexuell missbraucht haben soll. Kurz darauf weiteten sich die Vorwürfe auf die 70er und 80er Jahre aus.

„Es ist eine offene Wunde und es kostet mich viel Kraft“, sagt ein Mann, der angibt, in der Würzburger KSJ (Katholische Studierende Jugend) Opfer des Paters geworden zu sein. „Ich muss mich damit mehr auseinandersetzen, als es anscheinend die Kirche tut.“

Zwar beurlaubte Bischof Friedhelm Hofmann nach Bekanntwerden der Vorwürfe 2010 den Diözesankaplan sofort. Dieser hatte bis dahin in Würzburg, Bamberg und Nürnberg mit Jugendlichen gearbeitet und war Religionslehrer an Gymnasien. Doch der heute 81-Jährige ging kurz darauf in die Öffentlichkeit und beteuerte seine Unschuld. Das tut er bis heute, und viele glauben dem charismatischen Mann, der mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden ist.

Etwa ein Dutzend Betroffene schilderten in den nächsten Monaten der Diözese, was der Pater mit ihnen gemacht habe und wie dies jahrelang vertuscht worden sei. Einige Opfer wanden sich auch an diese Zeitung, acht sagten bei der Staatsanwaltschaft Würzburg aus. Doch obwohl diese deren Aussagen für glaubhaft hält, stellt die Justiz im August 2010 die Ermittlungen ein: Wie in acht weiteren Verfahren gegen Priester der Diözese ist der vorgeworfene sexuelle Missbrauch verjährt.

Das Bistum verspricht, die Vorwürfe kirchenrechtlich zu untersuchen. Dies läuft seit fünf Jahren. Doch laut Bernhardin M. Seither, Provinzialminister des Franziskaner-Minoriten-Klosters, ist „das kirchenrechtliche Verfahren in Rom noch nicht abgeschlossen“. Gründe dafür nennt er nicht.

So bleibt Raum für Spekulationen. „Die bauen auf eine biologische Lösung des Problems“, vermutet ein Mann mit Einblick in Kircheninterna. Er erzählt, dass konservative Kräfte der Diözese die Behandlung des beliebten Paters übel nähmen und Druck auf den Bischof ausübten. Deshalb scheue sich die Diözese vor klaren Worten. Aus Kirchenkreisen ist dagegen zu hören, dass sich das Verfahren in die Länge zieht, weil der Geistliche Widerspruch gegen das von der Glaubenskongregation in Rom bestätigte Urteil des Diözesanrichters eingelegt hat.

Den Opfern bleibt nur das Warten. „Der Einzelne läuft gegen kirchenrechtliche Windmühlen“, beschreibt Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ deren „erneut ohnmächtige“ Situation. Hinter den intransparenten Verfahren des Vatikans stecke auch „Verzögerungstaktik, um die Zahl der Fälle klein zu halten“.

„Ich erwarte ja nicht, dass ein kirchenrechtliches Urteil meine Verletzungen heilt“, sagt das heute 40-jährige Opfer des Franziskaner-Paters. „Aber wie bei jedem Gerichtsverfahren geht es darum, dass der Täter das angerichtete Unrecht in irgendeiner Art ausgleichen muss.“ Ebenso wie auf die Aufklärung der individuellen erwartet der Mann aber eine Aufklärung der institutionellen Schuld. Denn dass die Vergehen des Paters vertuscht wurden, sei unumstritten.

Bistum und Franziskaner-Minoriten-Orden haben bereits 2010 erklärt, dass sie den Opfern glauben und entsprechend reagiert: Der Pater wurde von seinen Aufgaben in der Diözese entbunden und musste das Franziskaner-Kloster verlassen. Seitdem lebt er an einem unbekannten Ort, laut Provinzialat „ohne priesterlichen Auftrag oder einer seelsorgerlichen Tätigkeit nachzugehen“. Doch immer wieder berichten Augenzeugen, dass sie den Franziskaner-Minoriten-Pater in Würzburg sähen. Provinzialminister Seither weiß davon nichts. Im vergangenen Jahr sei der Mitbruder nur einmal kurz in der Stadt gewesen.

Die Diözese äußert sich derzeit nicht zu dem Fall. Denn für den Ordensmann sei zunächst der Orden zuständig. Erst nach Abschluss des Verfahrens werde es eine gemeinsame Stellungnahme der Diözese und der Franziskaner-Minoriten geben, sagt Pressesprecher Bernhard Schweßinger. Generell sei „die Missbrauchsproblematik in den vergangenen fünf Jahren im Bistum Würzburg erfolgreich bearbeitet worden“, gab Professor Dr. Klaus Laubenthal, Missbrauchsbeauftragter in der Diözese, kürzlich per Pressemitteilung bekannt.

Dazu zählt Laubenthal auch, dass in den vergangenen Jahren gut 41 Anschuldigungen gegen 33 Priester bearbeitet wurden. Als Ergebnis wurden elf Missbrauchsopfern zwischen 1000 und 8000 Euro als „Anerkennung des Leids“ gezahlt. Die Höhe dieser freiwilligen Leistung hält Laubenthal allerdings für zu gering.

Das sieht auch Norbert Denef so: „Angesichts des Vermögens der Bistümer muss man sich über diese Summen schämen“, sagt der Vorsitzende des Opferverbandes „netzwerkB“. Dass die Kirche von Anerkennung statt von einer Entschädigung spricht, demonstriere außerdem die fehlende Einsicht in ihre Schuld. „Die Opfer bleiben Bittsteller.“
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