BERLIN. (hpd) Der chilenische Filmemacher Pablo Larraín erzählt in „El Club“ vom Umgang der chilenischen katholischen Kirche mit pädokriminellen Priestern und vom ewigen Vertuschen und Verleugnen der Verbrechen an Kindern. Der Film feierte am Montag bei der Berlinale seine Weltpremiere und wetteifert um einen der Bären. In düsteren verhangenen Bildern bringt Larraín die abgründige Stimmung dieser Thematik mit langen und schweren Atemzügen auf die Leinwand.

Vorspann: Ein Bibelzitat aus der Schöpfungsgeschichte verweist auf die Trennung von Licht und Finsternis. Die erste Einstellung beginnt sodann in einem dämmerndem Zwielicht. Wie Larraín im Publikumsgespräch später erklärt, möchte er damit symbolhaft zeigen, dass die Kirche irrt mit dem Glauben, dass man das Licht von der Finsternis trennen könne, und dass sich doch das meiste im Zwielicht abspiele.

Das Zwielicht lässt den Zuschauer eine ganze Weile im Dunkeln tappen, was es eigentlich mit dieser seltsamen Wohngemeinschaft aus ehemaligen Priestern und einer Ordensschwester auf sich hat. In dem Haus wird gebetet und gesungen und der zugelaufene Windhund für ein Hunderennen trainiert. Das gewonnene Preisgeld wird geteilt bzw. in – verbotenen – Alkohol umgesetzt.

Doch diese Idylle wird gestört, als ein neuer Mitbewohner einzieht, wiederum ein alternder ehemaliger Priester. Denn im gleichen Moment randaliert ein Wohnsitzloser vor dem Haus: er erhebt in lautem Tonfall schwere Vorwürfe gegen diesen Priester und spart nicht mit unappetitlichen Details über religiös verbrämte Vergewaltigungen. Bevor die Nachbarn das mitbekommen, soll der neue Mitbewohner den Randalierer mit einer – hauseigenen – Pistole einschüchtern. Doch anstatt dessen schießt er sich selbst eine Kugel in den Kopf.

Somit ist der Scheinfrieden des verkappten kirchlichen Pädokriminellen-Gefängisses passé und ein gesandter Jesuitenpater (und Psychologe) soll nach dem Rechten sehen. Dieser wühlt sich mühsam durch einen Dschungel aus Lügen und konfrontiert die Priester mit ihren Taten. Keine Einsicht, keine Reue. Die Verdrängung ist eklatant. Um endlich die Wahrheit über den Selbstmord des Priesters herauszufinden droht er mit der Schließung des Hauses, was die Ordensschwester mit einer Drohung alles im Fernsehen zu erzählen kontert. Patt.

Währenddessen sucht sich der Obdachlose Arbeit in dem tristen Fischerdörfchen und ist für die Wohngemeinschaft eine ständige und wachsende Bedrohung. Der Jesuitenpater erfährt von den Verbrechen, die an dem Obdachlosen begangen wurden und nimmt sich seiner scheinbar an.

In einer gigantischen nächtlichen Schlussszene bricht sich die Gewalt Bahn, indem – welch perfider Plan – die Bewohner des Hauses sämtliche Windhunde des Dorfes töten samt dem eigenen, um dem Obdachlosen die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Der Mob stürzt sich auf ihn und schlägt ihn fast tot. Der Jesuitenpater schaut tatenlos zu, ist also Teil des Plans. Der Tod durch die dörfliche Lynchjustiz hätte durchaus in den Plan gepasst, doch das Opfer überlebt. Das kirchliche Haus nimmt das Opfer gnädig auf und pflegt seine Wunden. Der Jesuit verordnet, dass der Verletzte auf Lebenszeit in dem Haus aufgenommen wird. Ein kluger kirchlicher Schachzug, der im Zusammenhang mit der Aufdeckung derartiger Verbrechen in Deutschland häufig zu beobachten war. („Der Papst betet mit Missbrauchsopfern“). Das System ist wieder geschlossen. Das Opfer vereinnahmt. Die einzige Forderung die es noch stellt ist, seine Psychopharmaka zu bekommen.

Zugeschnürte Kehlen im Berlinale-Filmpalast. Larraín zwingt die Zuschauer, in diese verdrängten Abgründe zu schauen. Man kann und soll sich dem nicht entziehen können. Katharsis, Reinigung durch Furcht und Schrecken. Das macht die Stärke des Films aus. Unterstützend ist auch die Filmmusik, die teilweise aus Streicherstücken von Arvo Pärt besteht und die Nerven aufs Äußerste spannt.

Der Regisseur hat in der Vorbereitung des Films mit vielen Betroffenen gesprochen und offensichtlich auch einschlägige Erfahrungen mit der Kirche gemacht. Lakonisch verkürzt er seine Biographie auf einen Satz: „Ich wurde katholisch erzogen und anschließend Filmemacher“.

Quelle: http://hpd.de/artikel/11208