Wieviel Mut hat es gebraucht, sich offen dazu zu äussern, was einem als Kind durch den Großvater angetan wurde, einer Person, die bis zum Tag des Verbrechens eine vertraute und liebe Person war. Am Tag der Tat,habe ich ihm wie immer freudig die Tür geöffnet und dann war nichts mehr wie vorher. Und er selbst hat seine Tat, die er vor hatte und auch durchführte, mit den Worten angekündigt ” Das, was ich jetzt mit dir tue, ist Blutschande, dafür komme ich ins Gefängnis” Und er tat es.
Ich war 13 und mein Körper half mir mit dem Schrecklichen fertig zu werden, in dem ich nichts mehr fühlen konnte. Heute, 44 Jahre nach der Tat und schwerster psychischer Erkrankung, weiss ich, was meine Seele nach der Tat mit mir gemacht hat, um Überleben zu können.
Kognitiv habe mich normal weiterentwickeln können, Abi und Studium mit gutem Erfolg abgeschlossen. Ich muss immer wieder daran denken, dass das Abitur auch Reifeprüfung genannt wird. Und hier fängt die große Schere an, denn mein Leben hat sich ja weiterentwickelt und ich habe alles, was nicht gefühlsabhängig war gut bis sehr gut in meinem Leben gemeistert.
Aber emotional bin ich auf der Reifestufe des 13-jährigen Mädchens stecken geblieben. Und das musste irgendwann zu einem großen gesundheitlichen Problem werden. Weil alles, was beziehungsmäßig, also gefühlsmäßig, auf mich mit dem Eingehen einer Ehe und der Geburt der Kinder auf mich zu kam, hat mich über fordert. Und das HST mich krank gemacht, mit der Diagnose ”Persönlichkeitsstörung”. Bis ich nach dem ersten Zusammenbruch, für den ich mich so schämte und mich so schuldig fühlte, irgendwann akzeptieren konnte, dass ich krank bin, kamen 10 qualvolle Jahre mit vielen Aufenthalten in der Psychiatrie und 6 Suizidversuchen, weil ich mich für mein “Versagen so schuldig fühlte und durch die schweren Depressionen sich meine Wahrnehmung so veränderte, dass ich davon überzeugt war, dass es meinen drei Töchtern besser geht, wenn ich nicht mehr da bin.
Dann traf ich auf eine Therapeutin, die mir die Zusammenhänge deutlich machen konnte, diese Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs, eines Menschen aus meiner Familie, der bis zu diesem Tag eine wichtige, vertraute Person war. Für Kinder spricht man von Urvertrauen zu den engsten Familienmitgliedern, das war unwiderruflich gebrochen und damit der Grundstein zu Misstrauen anderen Menschen, ganz besonders den nahe stehenden Menschen, aber auch sich selbst gegenüber, gelegt. Und die Folge davon ist, die Seele wird krank.
Meine Therapeutin sagte mir, dass traumatische Erlebnisse im Kindesalter 5 bis 7 Generationen braucht, um aus der Familiengeschichte wieder zu verschwinden.
Und das ist das Schlimme daran, dass ich sehr darauf auf gepasst habe, dass meinen Kindern nichts Schreckliches passiert. Aber durch die furchtbare Erkrankung mit den vielen Suizidversuchen, leiden meine Töchter unter den Auswirkungen dieses Verbrechens, das mein Großvater im vollen Bewusstsein, dass er eine Straftat begeht, begangen hat.
Ich war nicht in der Lage, sie emotional so zu erziehen, wie es unter normalen Umständen mir möglich gewesen wäre.
Und hier möchte ich alle auffordern, die sich rechtlich, politisch und medizinisch mit der Problematik sexueller Missbrauchvon Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen.
Stärkt, die Menschen, die schon betroffen sind und somit auch die, die Opfer werden könnten, sich nicht zu verstecken, zu verbergen. Ein Täter hat viele Opfer, direkt oder indirekt. Entwickelt die vielfältigsten Hilfsangebote für die Opfer von Straftaten. Verhindert, dass Täter immer wieder zu Tätern werden und einen unsagbaren persönlichen sowie gesellschaftlichen Schaden verursachen.
Opfer, dieGehör und gute, individuelle Hilfe bekommen, schaden der Gesellschaft nicht.
Ich selbst habe ja ein Abi mit Note 1,3 abgeschlossen, ein Studium erfolgreich mit 2 kleinen Kindern absolviert. Mit drei Kindern die Wende gut gemeistert und in den alten Bundesländern gut etabliert. Drei Töchter, die alle drei ihr Abi gut absolviert haben und zwei erfolgreich ihr Studium abgeschlossen haben. Alle drei junge Frauen, die selbständig ihr Leben organisieren.
Es ist also möglich, mit solch einem Schicksal wie meinem, auch ein eigenständiges, unabhängiges Leben zu leben. Aber wenn die richtige Hilfe, zum richtigen Zeitpunkt mir angeboten wäre,dann hätten meine Kinder nie das erleben müssen, was ein Kind NIE erleben sollte, dass sich die MUTTER, das Leben nehmen wollte. Und ich wäre heute nicht voll erwerbsunfähig und könnte noch für meinen Lebensunterhalt selbst sorgen.
Es sind schon erhebliche finanzielle Einbußen durch die Krankheit eingetteten.

hawe