Über Geschmäcker lässt sich bekanntlich streiten. Ob der ARD-Film „Die Auserwählten“ das leistete, was er versprach, das lassen wir offen. Wir sind keine Filmkritiker.
Zu beklagen ist die anschließende Diskussionsrunde bei Anne Will. Die Vermischung von OSO, katholische Kirche und Feminismus leistete keinen erkennbaren Mehrwert und nicht einmal einen Unterhaltungswert.
Man verharrte bei Klischees und Bekanntem.
Die destruktive Dynamik einer totalen Institution im Typus der Odenwaldschule wurde durch die Bewunderung des freien Umgangs und der „Lichtgestalt“ verniedlicht. Im Talk wurde eine echte Chance vergeben, weil er zum Small Talk verkam.
Sicherlich wurde eine Sensibilisierung erreicht, die wäre aber mit einer Kampagne im Stil einer Antiraucher- oder Aidskampagne effizienter.
Die Aufarbeitung der Causa Odenwaldschule ist viel weiter fortgeschritten, als man bei der Talkrunde vernehmen konnte. Die Bedingungen auf Seiten von Organisation, Ideologie, fehlender Kontrolle und Personal sind viel besser bekannt, als man meinen will. Eine sorgfältige Lektüre der Publikationen von Oelkers und Miller zur Vorbereitung hätte den Machern der Sendung zu einem höheren Niveau und zu einem grösseren Tiefgang verholfen. Schade um die vertane Chance.
Weiterführende Information:
Reformpädagogik nach der Odenwaldschule – Wie weiter?
Zwei Opfer wehren sich gegen “Die Auserwählten”
“So viel Kaltschnäuzigkeit hätte ich nicht erwartet”
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Passt auf’s Auge. Neues aus der Werbeabteilung: „Ohne die Odenwaldschule würde ein Platz fehlen, an dem Opfer Gehör finden und Aufklärung, Prävention sowie eine gute Pädagogik exemplarisch gelebt werden können.“ Uh, da schaudert’s einen: exemplarisch gelebte Pädagogik hört sich gar nicht gut an, die haben immer noch die Flausen der besten Schule im Kopf. Jetzt sind sie mal mir nichts dir nichts zur wieder besten Schule für Opfer!, für Aufklärung, Prävention und Pädagogik geworden, alles exemplarisch! Für Pädagogik und Aufklärung waren sie’s angeblich immer schon.
Da bin ich jetzt echt dankbar, dass dies mal jemand so schreibt, wie es hier im Artikel geschrieben steht. So viel Lobhudelei für so wenig Output, und vor allem – was mich am meisten nervt – die Katholische Kirche als besser betrachtenswerte Organisation wieder mal ganz ganz ganz … am Rande.
Danke für diesen Artikel und Euer Engagement.
Was mich massiv gestört hat an der Talkrunde: Niemand hat deutlich gesagt (auch nicht der Sprecher des Opferverbandes „Glasbrechen“), WARUM es so wichtig ist, die Täter – nach wie vielen Jahren auch immer – zu bestrafen. Dazu Jan Philipp Reemtsma: »Gleichwohl ist für das Opfer die Strafe von hoher Bedeutung. Nicht, weil sie die Rachebedürfnisse erfüllt, denn das tut sie meistens nicht. Sondern weil die Strafe die Solidarität des Sozialverbandes mit dem Opfer demonstriert. Die Strafe grenzt den Täter aus und nimmt damit das Opfer herein.«
Also für mich persönlich gibt es viel zuviel unverbindliches, billiges Mitleid. Da muss man sich nicht anlegen mit dem Gesetzgeber. Der himmelschreiende Skandal ist doch, dass die OSO-Täter im Endeffekt alle amnestiert wurden.
Auch für mich hat die Sendung Anne Will nicht gehalten, was sie versprochen hat. Erneut bekam die RKK die x-te Gelegenheit, ihre angeblichen Veränderungen und Verbesserungen zu behaupten, auch Frau Schwarzer wirkte – trotz ihrer dankenswerterweise zweimal vorgebrachten Zahl, dass DREI von vier Kindern in der Familie sexualisierte Gewalt erfahren – wie ein alter Dinosaurier, der das Problem noch immer mit einer alten Brille betrachtet. Ich glaube, im Jahr vier nach Canisius sind wir – was die Informationslage, das Ausmaß, die Täterinnen und Täter, die Betroffenen usw. angeht – weiter.
Versprochen (angekündigt) hatte Anne Will, es solle in der Sendung besprochen werden, „Warum war Missbrauch über Jahrzehnte möglich?“. Dazu aber gab es kein Wort, nichts. Nicht einmal die Frage wurde in der Sendung nochmals gestellt.
Für mich hätte zur Klärung dieser Frage u.a. diskutiert werden müssen:
– Päderasten-Wurzeln der sog. „Reformpädagogik“ (siehe dazu u.a. J. Oelkers „Eros und Herrschaft“; sowie Ch. Füller (www.pisaversteher.com)
– wie es organisierten Pädophilen gelang, ihre Anliegen zu Pop zu stilisieren (u.a. http://www.demokratie-goettingen.de/aktuelles/zwischenbericht-paedophiliekontroverse)
– Beteiligung linksliberaler Kreise einschl. Medien bei der Förderung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (z.B. Zeitungen wie DIE ZEIT oder die taz, die den Protagonisten einer Entkriminalisierung von vermeintlich einvernehmlicher Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern großzügig Raum gaben. Ebenso Foren der evangelischen Kirche, Veranstaltungen und Publikationen der Humanistischen Union und anderer gesellschaftlich einflussreicher Verbände wie Kinderschutzbund, pro familia, etc. (http://www.taz.de/!123786/)
– Förderung von sexualisierter Gewalt an Kindern durch Sexualwissenschaft und Pädagogik (u.a. http://www.emma.de/artikel/paedophilie-zur-leugnung-der-machtverhaeltnisse-265158)
– sexualisierte Gewalt gegen Kinder als Bestandteil unserer Kultur und aller gesellschaftlicher Kreise seit Jahrhunderten (Kirche, kirchliche und staatliche Heime, Familien – auch und gerade konservativen!, Patriarchale Strukturen, Naziideologie, usw.)
– Einfluss und gesellschaftliche Realität der 1970er bis 1980er, die sich im Erfolg der „Schulmädchen-Report“-Serie (erfolgreichstes deutsches Kinoprodukt aller Zeiten!) und ähnlicher Pop-Kultur eines ganzen Jahrzehnts widerspiegelt (http://www.fr-online.de/panorama/die-pubertierende-republik-40-jahre-schulmaedchenreport,1472782,4776718.html)
– Einfluss der „Missbrauch-mit-dem-Missbrauch“-Debatte und sog. „False-memory“-Bewegung auf die (Nicht)Aufklärung in den 1990er Jahren (siehe u.a. http://www.emma.de/artikel/falsche-kinderfreunde-263497)
– täterschützende Netzwerke, die so lange so erfolgreich verhindern konnten, dass das Ausmaß und die Systematik sexualisierter Gewalt an Kindern öffentlich werden konnte (siehe u.a. http://www.zeit.de/2010/13/DOS-Missbrauchsskandal-Deutschlands-Elite/komplettansicht)
– der Einfluss der Psychoanalyse mit ihrem verqueren Ödipus-Komplex
– die Psychotherapie-Szene, deren Praxen seit Jahrzehnten mit Betroffenen geflutet werden, was aber nie Niederschlag fand in einem öffentlichen Aufschrei gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und entsprechende Forderungen nach verbessertem Schutz
Selbstverständlich hätte das auch in der Anne Will-Sendung nicht geklärt werden können. Aber es hätte damit begonnen werden können. Vielleicht hätte eine solche Sendung dann mehr Nachhall gehabt, als die, die wir gesehen haben.
Was wir brauchen, ist endlich eine unabhängige Aufklärung über die Geschichte der sexualisierten Gewalt und ihre jahrzehntelange Verleugnung in der Bundesrepublik Deutschland.
Am Ende stehen die Opfer. Davor aber ein ganzes krankes System, in dem jede Ebene ihren Beitrag dazu geleistet hat, sexualisierte Gewalt an Kindern zu befördern statt zu verhindern. Und das muss aufgeklärt werden.
Dies alles wäre Teil einer Agenda für den Betroffenenrat. Am Ende müssen und werden die Opfer dies mithelfen,aufzuarbeiten. Dank Mertius und Denef und enders etc. können ,sollen, wollen und müssen wir heute reden und das ständig offerierte Heftpflaster vergangener und heutiger Zeiten abreissen.Und werden streiten und hadern und fluchen und zweifeln – aber nicht resignieren.Es geht ja nicht nur um gestern , es geht um das Jetzt und die Zukunft, in einer Gesellschaft,die wiederum Kinder verwahren lässt in so
oft unkontrollierten und überforderten Einrichtungen
oder auch in zurückgezogenen Familien und seltsamen Gruppen… Es geht immer weiter.Aber es ist nicht mehr tabuisiert und damit eine Ausrede weniger.Wer wenn nicht wir !
Doro,herzlichen Dank fuer diese tolle Auflistung!
zu Doro: Ihrem Kompass ist nichts hinzuzufügen! Warum wurden Sie nicht eingeladen zu Anne Will? Die Ignoranz der Moderatoren ist zu ärgerlich. Sie hängen um Jahre zurück mit ihrem Wissensstand, halten das Allgemein-Publikum auf den niederen Ebenen der Erkenntnis und die Betroffenen packt die Wut und Ungeduld. Wir alle zahlen mit unseren Zwangsgebühren und der Tag ist nicht lang genug, um alle Beschwerden zu formulieren und loszuschicken. Ich schaue diese Sendungen schon lange nicht mehr an, das war diesmal eine Ausnahme und wieder pure Zeitverschwendung..
Ich Finde weder Film noch Talkshow wurden dem Sachverhalt gerecht.Die sexuelle Gewalt an Mädchen und jungen Frauen wurde am Ende der Sendung kurz abgehandelt.Esist eben nicht so wichtig.Der Film erweist den Betroffenen einen Bärendienst.Die Schuldigen und ihre Ntzwerke wurden aussen vorgelassen und der Täterfreund Jens bekam breiten Gesprächsraum.Jens ist für mich derjenige der die Aufklärung ausgbremst hat und Betroffene wie Gerhard Roese diskreditiert hat.Auf dem Rücken von Betroffenen versucht sich Jens erneut zu profilieren!
…..meine Sichtweise mit den den Talkshows,
ich hatte mich mit an Anne Will und Günter Jauch gewandt,an Anne Will hatte ich ein zweites Mal geschrieben ,ebenso vor einiger Zeit an Frau Schwarzer,ich hatte nie eine Antwort erhalten,
meine Erfahrungen deshalb ,
ich hatte meine Erkenntnisse mit Umgang mit Kindern und Schutzbefohlenen geschildert, daß im Vorfeld zur Verhinderung von Übergriffen und Straftaten an unseren Kindern viel geschehen müsste,z.B. ,mehr Aufklärung,geschultes und ausreichendes Personal,und daß die couragierten Personen nicht diffamiert werden und vieles mehr—–
nein sie wollen nur an der Oberfläche kratzen,die Abende füllen mit einer Unterhaltung,
ich habe auch erfahren müssen ,daß ein Bürgerbeauftragter während eines Verfahrens gegen mich…,der uns unterstützte,am Jahresende ???sein Amt niederlegte—-
so beibt alles beim Alten,zum Schden unsere Kinder—
Ich frage mich , ob es möglicherweise besser ist, Interviews im Fernsehen wie diesen oder noch längere zu zeigen, als Spielfilme.
http://www.emma.de/artikel/das-grosse-vertuschen-312937
Ein auszeichnungswertes deutliches und ermutigendes sympathisches Interview mit Ihnen, Frau Richert
und Herrn Huckele. Weiterhin Langmut und Ausdauer !
Die Diskussion um die Odenwaldschule dominieren jetzt die alten „Eliten“ der Weimarer und Postweimarerzeit inklusive ihrer „Verfehlungen“ dazwischen-zum Beispiel ein Herr Jens.Kleine Leute ,denen an der Odenwaldschule Gewalt angetan wurde werden beiseite geschoben-auch von den Medien.DEn Diskurs bestimmen jetzt die alten Mächtigen-wie damals.Da Frauen im androkratischen Herrschaftsmodell der Odenwaldschule nichts zu melden hatten bzw. haben wird deren sexuelle Gewalterfahrung einfach weitestgehend ausgeblendet bzw. Das Mädchen wird in dem Film wie in der katholischen morallehre-Adam und Eva als Verführerin dargestellt.
Und noch etwas zum Geschichtslehrer Karl B. an der Odenwaldschule und späterer Direktor an einem anderen bekannten Internat der von Hernn Jens in der Talkshow erwähnt wurde.Mir ist auch nichts bekannt von einem Missbrauch durch seine Person.Er war eher einer der wenigen strengen und gradlinigen Lehrer mit sehr guter Unterrichtsqualität-was man von vielen anderen Lehrern nicht behaupten konnte.Ich kann mir aber nicht vorstellen,das ein so hochgradiger intelligenter Mensch wie Karl B. das System OSO und den Schulleiter Gerold Becker nicht durchschaut hat.Er war sogar Vizedirektor zur Zeiten Beckers.Ich glaube vielmehr das er seinen beruflichen Aufstieg-ähnlich wie bei Bueb- und seine Aussichten Schulleiter an einem renommierten Internat zu werden nicht gefährden wollte.