Das Erste will am 1. Oktober 2014 um 20.15 Uhr einen Film über Missbrauchsverbrechen der Odenwaldschule zeigen. Zwei Opfer wehren sich gegen die Ausstrahlung.
Dank Andreas Huckele wurden die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule publik – gegen den Film wehrt er sich; notfalls erwägt er sogar ein gerichtliches Verbot. Sein Anwalt, der Berliner Medienrechtler Christian Schertz, sagt, der Film verletze die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten „aufs Schwerste“. Die Beweislage sei „derart erdrückend“, dass der zuständige WDR-Intendant Tom Buhrow eine Lösung herbeiführen müsse, berichtet DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 40/2014.
Huckele sperrt sich nicht gegen die öffentliche Auseinandersetzung um die Verbrechen an der Odenwaldschule. Schließlich war er es, der in der Frankfurter Rundschau darüber zum ersten Mal berichtete und in einem Buch seine Erfahrungen an der Odenwaldschule schilderte.
Ohne gefragt zu werden soll Huckele erdulden, dass sein Alter Ego im Film (Frank Hoffmann, gespielt von Leon Seidel) ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Die Szenen, die Schüler Hoffmann erlebt, sind nahezu identisch in seinem Buch beschrieben. In der Realität klärten Schüler wie Huckele die Vorfälle auf, im Film erledigt das eine 29-jährige Biologielehrerin. Scherz sieht in der Darstellung seines Mandanten nicht weniger als die „Ausbeutung eines Lebensschicksals“.
Auch Till Bose will gegen den WDR vorgehen. Er war Zimmernachbar von Andreas Huckele. Auch an ihm verging sich Schulleiter Becker, so stellt es der Film dar. In der Realität blieb er verschont. Bose wehrt sich nun dagegen, im Film fälschlicherweise zum Opfer gemacht zu werden.
Mehr auf netzwerkB:
“So viel Kaltschnäuzigkeit hätte ich nicht erwartet”
DIE WENIGEN MUTIGEN LEHRER ZU TÄTERN GEMACHT
Es ist ein Trauerspiel,
dass Opfer nicht am gleichen Strang ziehen. Es zeigt sich immer wieder, wenn Aufklärungsfilme gezeigt werden sollen, dass wenn es vorher in der Presse angekündigt wird, dagegen geklagt wird.
Über die Uneinigkeit der Opfer werden sich vermutlich die Täter freuen.
@ Eva: Es geht hier doch nicht um Uneinigkeit! Es geht hier um erneuten Missbrauch! Und durch die Anzeige wird das vielleicht auch denen deutlich, die den Film sonst für bare Münze genommen hätten. Woher willst du denn wissen, dass es sich um einen „Aufklärungsfilm“ handelt?? Im Gegensatz zu Andreas Huckele haben wir alle den Film noch nicht gesehen. Wie viel „Aufklärung“ kann er denn tatsächlich enthalten, wenn der Regisseur Christoph Röhl, aber auch das Team (laut einem anderen Kommentator) „in den letzten Tagen zum Ausdruck gebracht [haben], dass angesichts der Unfassbarkeit von vielen Abläufen, der Film, wenn dies schonungslos bis ins Letzte dargestellt worden wäre, nicht mehr glaubhaft gewesen wäre, zu extrem und unglaublich hätte vieles gewirkt.“?? „Aufklärung“ bedeutet meinem Verständnis nach, dass die Wahrheit gezeigt wird. Oder aber man dreht einen fiktiven „Unterhaltungsfilm“, der dann aber auch keine deutlich zuschreibbaren Inhalte / Personenimagos / Orte usw. enthält. Aber die Vermischung von Wahrheit und Fiktion ist gerade bei unserem Thema fatal!
die Allgemeine Rundfunkanstalt Deutschlands verdreht den Verlauf der Ereignisse so, dass es medial „ansprechender und aufrüttelnder“ für den Zuschauer wird???
Ich nenne das Propaganda.
Eine Geschichte wie der Odenwald-Schule auf 90 Minuten reduzieren zu wollen wird den Betroffenen nicht gerecht.
Sie aber falsch darzustellen, ist ein weiterer Beleg, für den allgegenwärtigen „Missbrauch mit dem Missbrauch“.
Der Durchschnittsdeutsche darf sich am 1. Oktober ein Bild machen von den Zuständen an der Odenwald-Schule, und geht dann wieder zur „Tagesordnung“ über.
Die Betroffen bleiben zurück. Alleine, und ohne Rechte gegen diese physische wie psychische Enteignung jemals juristisch vorgehen zu können.
Die deutsche Politik macht´s möglich.
Der Rundfunkrat täte gut daran, besser die wesentlichen Szenen nachzudrehen, um die Ereignisse wahrheitsgetreu nachzustellen, anstatt etwas zu senden was die Betroffenen weiter instrumentalisiert.
@Doro,
nach unseren Gesetzen darf man nicht die Wahrheit mit den tatsächlichen Namen sagen, wenn man es nicht beweisen kann bzw. Gerichtsurteile vorliegen.
Insofern verstehe ich den Film als einen Aufklärungsfilm, dass er das Thema sexuellen Missbrauch und anscheinend auch andere Gewalt darstellt.
„Die Auserwählten“, im Auftrag des WDR von Hans-Hinrich Koch produziert, nähert sich diesem immer noch unfassbaren Missbrauchsskandal auf eine bisher nicht gewagte Weise: mit einem Spielfilm.
Das TV-Drama soll das System hinter dem Missbrauch bloßlegen, statt historische Figuren eins zu eins nachzuzeichnen.
Der Mannheimer Jochen Weidenbusch, der von drei verschiedenen Lehrern missbraucht wurde, lobt die Geschichte als „sehr sensibel“, nie laut, nie voyeuristisch. Vor allem aber schätzt er, dass das Drama ein Schlaglicht auf die Unfähigkeit der Erwachsenen wirft, statt nur auf die Hilflosigkeit der Opfer zu schauen.
http://www.welt.de/vermischtes/article132614525/Das-heitere-System-des-Grauens-der-Odenwaldschule.html
@Eva,
auch mir ist nicht ganz klar, was Sie hier mit „Uneinigkeit der Opfer“ meinen.
Und wennn man auf der Seite der OSO lesen kann […]bedankt sich bei allen Beteiligten […) für eine einprägsamen, seriöse Auseinandersetzung mit dem, was damals an der Schule passiert ist.[…], scheint dies ja nicht die Einschätzung von Andreas Huckele zu sein.
Darin sehe ich keine Uneinigkeit der Opfer.
Ingo
Und das Geschäft blüht! – nur die Betroffenen gehen mal wieder leer aus.
Ändern wird sich wohl auch nach diesem Film nichts Hinreichendes – wie bisher bei solchen Fällen.
Aufklärung ist jedenfalls in dem Fall bisher genug geleistet worden. Alles weitere hat für die Öffentlichkeit wohl nur noch Unterhaltungswert.
Wie es Betroffenen damit geht, steht oben.
Im SPIEGEL 39/2014 (22.09.2014) berichtet der Schauspieler Ulrich Tukur, der in dem Film „Die Auserwählten“ den Simon Pistorius (Gerold Becker) spielt, dass nach einer Vorführung des Films auf dem Filmfest in München eine ehemalige Schülerin der OSO auf ihn zugekommen sei und ihn „Arschloch!“ genannt habe. Tukur hat das wohl so verstanden, dass er die Rolle so gut spielte, dass er solche Reaktionen auslöse. Ich habe mich beim Lesen dieses Vorfalls gefragt, ob es nicht auch so sein könnte, dass die ehemalige OSO-Schülerin tatsächlich Herrn Tukur und seine verzerrende Interpretation der Rolle gemeint hat, weil sie weiß, wie es wirklich an der OSO war?
Herr Tukur erzählt jedenfalls in dem Interview, dass in seinen Rollen vorgehe „wie ein Anwalt, der weiß: Mein Mandant hat gemordet – aber ich muss ihn raushauen.“ „Schuldig, nicht schuldig“ sei für ihn „nicht wesentlich“. Er sieht sich in der Aufgabe der Verteidigung (!!). Er könne „nur Figuren spielen, die ich nicht ablehne“. Man müsse „die Figuren lieben, die man darstellt“.
Ich frage mich bei diesen Aussagen ernsthaft, ob dieser Mann der Richtige war, um diese Rolle zu spielen? Ist Schauspielen tatsächlich „Verteidigung“?? Immer?? Muss das so sein?? Oder verwurstet Herr Tukur da eigene Abwehrreaktionen zur Thematik mit der Rolle??
Immerhin war er selbst Internatsschüler an einem katholischen Gymnasium, wie er im Interview sagt, und hat dort auch Gewalt erlebt („Wenn wir Aufgaben lösen mussten, schlich er [Pater] hinter uns herum, und wenn er einen Fehler sah, hieb er uns mit der Hand in den Nacken.“) Er selbst habe an seine Internatszeit allerdings „die besten Erinnerungen“, war bei „entzückenden Menschen“.
Ob jemand mit solch einem Hintergrund tatsächlich in der Lage ist, einen pädokriminellen Internatsleiter zu spielen??
Vom SPIEGEL wird Herr Tukur dann darauf aufmerksam gemacht, dass der Odenwaldschule wegen der erneuten Missbrauchsvorwürfe die Schließung drohe. Tukurs Reaktion: „Ach Gott, das tut mir so leid! Die neuerlichen Fälle haben das Zeug, der Schule den Lebenshahn abzudrehen. Es muss gelingen, sie zu erhalten.“
SPIEGEL: „Nach alldem, was geschehen ist?“
Tukur: „Die wollen ja aufklären. Die Schulleitung hat uns bei den Dreharbeiten sehr zugearbeitet. Man muss aber das Zusammenleben von Schülern und Lehrern in den sogenannten Familien beenden, denn das Prinzip verleitet und verführt.“
Die Täter sind aus Sicht von Herrn Tukur also mal wieder arme Verführte, Opfer des Familienprinzips. Auf die Idee, dass die sich dieses Prinzip GERADE deshalb geschaffen haben, dass sie sexualisierte Gewalt ausüben können, kommt er nicht. Könnte man aber wissen, wenn man sich ernsthaft mit der Geschichte befasst hätte…
Der SPIEGEL insistiert nochmal: „Die Odenwaldschule sollte ein Paradies sein für Kinder, doch sie war die Hölle.“
Tukur: „Mich fasziniert die Diskrepanz zwischen der Schändlichkeit der Taten und der Schönheit des Ortes, an dem sie stattfanden. Diese herrliche Landschaft, die alten Häuser aus der Frühzeit des 20. Jahrhunderts mit ihren spitzen Dächern und Erkern. Wie aus einem Märchen der Gebrüder Grimm. Traumhaft.“
Wie dummdreist und ignorant gegenüber dem, wofür die Odenwaldschule steht – die jahrzehntelange organisierte sexualisierte Gewalt gegen Schutzbefohlene – kann man eigentlich sein?? Auf die kriminellen Strukturen an der OSO („die Hölle“) angesprochen, schwärmt Herr Tukur vom märchenhaften Ambiente und erblödet sich nicht, von der Faszination der Diskrepanz zwischen „Schändlichkeit und Schönheit“ zu faseln. Diese „Schändlichkeit“, die Herr Tukur hier so abgehoben idealisiert, heißt sexueller Missbrauch und geschah GANZ KONKRET, gut organisiert und protegiert zahlreichen Kindern und Jugendlichen an der OSO! Hier zeigt sich eine massive (kognitive wie emotionale) Abwehr gegenüber der grausamen Wahrheit.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Verzerrung, die Andreas Huckele anklagt, tatsächlich gegeben ist. Dass sie sich nicht zuletzt aus der persönlichen Abwehr gegenüber dem Thema (organisierte) sexualisierte Gewalt an Kindern der am Film Beteiligten speist. Dass in diesen Kreisen noch immer das Ideal der „Reformschulen“ herumgeistert, auch um den Preis, die Opfer zu ignorieren (bzw. erneut zu missbrauchen). Dass gar nicht begriffen wurde, worum es eigentlich geht. Stattdessen werden Kunstbetrachtungen(„Faszination der Diskrepanz zwischen Schändlichkeit und Schönheit“) angestellt – also Distanz hergestellt.
Wieso spricht ein Hauptdarsteller davon, den Täter verteidigen zu wollen? Wo bleibt die kritische Distanz, wenn von der OSO „sehr zugearbeitet“ wurde??
Ich denke, wir können keinen Film aus der Betroffenen-Perspektive erwarten. Wir können einen Film erwarten, in dem der Hauptdarsteller sich bemüht, den Täter zu verteidigen.
„Niemand wird böse geboren“, so Tukur über Gerold Becker. „Oft sind Täter, die sich an Minderjährigen vergehen, früher selbst missbraucht worden. Ich will nur sagen: Von irgendwoher kommt es.“ Über die Opfer hört man von Herrn Tukur in dem ganzen Interview kein einziges Wort – nichts, nada. Sie werden weder verteidigt noch empathisch verstanden. Empathie empfindet Herr Tukur für den Täter und die „herrliche Landschaft“.
Schade um die vertane Chance.
Ich stimme mit den Positionen von Huckele sowie derjenigen, die bislang hier gepostet haben, vollkommen überein und finde es zum Vomitieren, was mit dem Film abgelaufen ist bzw. wird.
Nur so ein Gedanke am Rande, der aber nichts verharmlosen oder beschönigen soll:
Kann es sein,dasswg. der „Unfassbarkeit von vielen Abläufen, der Film, wenn dies schonungslos bis ins Letzte dargestellt worden wäre,“ die Drastik reduziert wurde, damit der Film um 20:00 frei ab 12 Jahre ausgestrahlt werden konnte und so zumindest eine klitzekleine Chance besteht, das jugendliche Opfer nach dem Film die Initiative ergreifen und sich outen / wehren / anzeigen, was bei einer Ausstrahlung um 22:00 oder später wesentlich weniger wahrscheinlich wäre?
Wie schon gesagt, das soll keine Entschuldigung für Röhl sein!
Es geht hier leider nur darum, dass Filmemacher Geld machen wollen, wenn dann hätte der Film mit der Vorlage des Buches und Absprache von Herrn Huckele gedreht werden müssen, also identisch. Hatte zufällig den Beitrag bei ttt gesehen, man regt sich immer wieder auf und das mit Recht!
Oh ja, Doro – deine Gedanken leuchten mir sofort ein: in den Köpfen solcher Schöngeister muss das Missbrauchspotential direkt neben den ständig verschatteten Schändlichkeiten angesiedelt gewesen sein.
Genau so habe ich das gesamte Umfeld um den jahrelangen Machtmissbrauchs in der (privaten) Familie mit einem „Klümpchen“-Verein (=Freundeskreis) erlebt, lauter verstiegene ‚Jugendbewegte‘. Man war wer!
Schönheit kann den allzu eitlen Intellekt mit wolkigen Verzückungs-Zuständen und mit (mit oder ohne Alkohol) glasigen Augen der Realität entrücken, so dass am Ende „die Rechte nicht mehr weiß was die Linke tut“ – verrückt!
Das betroffene Kind nimmt die reale Schönheit in Kunst/Natur dankbar-verzerrt wahr, bemerkt kaum das absichtsvoll diffuse Verwirrspiel, kann es als solches noch lange nicht einordnen, findet sich in der nächsten Falle (im Hinterhalt eines besonders perfiden Vertrauens- und kunstvoll vernebelten Machtmissbrauchs) wieder, be-„schön“-igt sich selbst seine eigene Situation.
Die Erwachsenen am Rande ergehen sich elitär verlogen in gegenseitiger Beweihräucherung, um sich vom übertünchten Verbrechen in den eigene Reihen ins gekünstelte Entzücken über ein beliebiges bewundernswertes Objekt zu flüchten.
Egal welche Gesellschafts- oder Familienstruktur diese dummdreiste Ignoranz „züchtet“ – es braucht offene Ohren für Kindersprache, es braucht Kontrolle, es braucht für betroffene Kinder Auffangplätze mit Rückzug, es braucht Alternativen zu solch gefährlichen Familien – Orten, es braucht ein Umdenken, es braucht neue Strukturen.
Hier wollen einfach nur bestimmte Herrschaften mit dem Leid der Betroffenen fette Kohle machen. Reichen denen eigentlich die Zwangsgebühren dieser öffentlich-rechtlichen Eintreiberzentrale noch nicht? Die kriegen den Hals wohl auch nicht voll genug. Immer das gleiche Muster. Wer bezahlt eigentlich die Folgekosten für die Behandlung derjenigen Betroffenen, die durch diesen „Film“ retraumatisert werden? Ich stelle mir das grad so vor:
Da hat ein Betroffener die Hölle seines Traumas überlebt, hat gekämpft um einigermaßen zu überleben, ist wegen seiner seelischen Qualen erwerbsgemindert, hat nach Jahren eine Rehabilitation und eine Wiedereingliederung ins Berufsleben geschafft und setzt sich dann abends vor dem Fernseher und sieht sich in diesem „Film“ wieder. Die folgende Diagnose könnte dann lauten: Retraumatisiert! Verursacher: ARD. Nehmen die das dann im Vorfeld in Kauf und bezahlen diese „Unkosten“ einer erneuten Krankenbehandlung aus ihrer Portokasse, nur um diesen „Film“ dennoch zu senden?
Ich habe den Beitrag (Vorankündigung des Films) in ttt gesehen. Dort kommt es so rüber, als sei Andreas Huckele einverstanden mit diesem Film. Wie kann/konnte das sein?
Der Film wird auch den betroffenen Maedchen an der Odenwaldschule nicht gerecht;es ist schade das einige,auch der Regisseur Roehl jetzt auf >Kosten der Opfer zu Ruhm und ehren und Geld kommen.So geht es nicht!!!!
Und deshalb erneut Bravo fuer Andreas Huckele!!!Denn so nicht!!!!
Ist diese Presseerklärung von Glasbrechen hier schon bekannt?
„Glasbrechen e.V., der Vorstand des Vereins und die deutliche Mehrzahl seiner Mitglieder stehen dem Versuch, den Themenabend der ARD am Mittwoch, dem 1. Oktober zu verhindern, einigermaßen fassungslos gegenüber.“
http://glasbrechen.de/2014/09/presserklaerung-von-glasbrechen-zum-versuch-den-themenabend-der-ard-zu-sabotieren/
@eliana: Der Redakteur des ttt-Beitrags hat sich mein Interview so zurechtgeschnitten, dass das was ich gesagt habe, völlig falsch kontextualisiert dargestellt wurde.
SPON geht aktuell nochmals auf das Interview mit Ulrich Tukur und seine Rolle des Gerold Becker ein: http://www.spiegel.de/kultur/tv/ulrich-tukur-ueber-tatort-nazis-und-paedophilie-verbrecher-a-990663.html
Hätte sich Herr Tukur – wie man es bei einem so schwierigen und diffizilen Thema erwarten würde – tatsächlich mit der Person, die er darstellt, befasst, wäre ihm wahrscheinlich sehr schnell aufgegangen, dass er in der Person Becker einen typischen Pädophilen vor sich hat, ausgestattet mit aller Raffinesse und psychologischem Verführungsgeschick, wie man es eben bei Pädophilen antrifft.
„Pädophile denken ganz anders, als die meisten Menschen sich das vorstellen, und sie gehen auch anders vor“, schreibt Manfred Karremann, der die Pädophilie-Szene wie kaum ein anderer recherchiert hat („Es geschieht am helllichten Tag“). Die „Maschen und Tricks“, um an Kinder heranzukommen und Eltern zu täuschen, seien „immer dieselben“. Pädophile sind i.d.R. äußerst charmant und in ihrem Umfeld beliebt. „Das Umfeld erlebt den Täter oft als besonders engagiert für seine Projekte. Er ist charismatisch und verantwortungsvoll und niemand kann und mag sich vorstellen, dass er mit dieser Ausstrahlung Kinder und Jugendliche missbraucht.“ (Annemarie Selzer, Jugendbildungsreferentin auf Burg Ludwigstein)
„Kaum etwas in der pädophilen Welt ist Zufall. Die Neigung dominiert das Leben“, so Karremann. „Was ihnen wirklich wichtig ist: Kontakt zu Kindern.“ Auch die Wahl der Arbeitsstelle ist in der Regel nicht zufällig, Pädophile suchen auch beruflich die Nähe zu Kindern. Gerold Becker war nicht wegen seines pädagogischen Händchens Leiter der OSO, sondern weil diese Position ihm den uneingeschränkten Zugriff auf Kinder sicherte.
Das, was Herr Tukur also am Wesen Gerold Beckers an Positivem ausgemacht zu haben glaubt („charmant und durchaus zu Empathie fähig“, sich „rührend kümmernd“, „Ja, er hatte auch etwas Liebesvolles“), und weshalb er sich berechtigt fühlt, die Rolle „verteidigend“ zu spielen, ist in Wahrheit nichts, was Becker entlasten kann, sondern ist gerade Teil seines verbrecherischen Planens und Handelns. Das scheint Herr Tukur nicht im Geringsten verstanden zu haben. Und deshalb kann er das, was Gerold Becker (und andere Pädophile) und das abgrundtief Verbrecherische, das u.a. an der Odenwaldschule (aber nicht nur dort) geschah, ausmacht, nicht wahrheitsgemäß darstellen.
Aber das scheint auch gar nicht seine Intention gewesen zu sein. Er wollte einen Täter verteidigen. Und – wie es aussieht (siehe Interview SPIEGEL 39/2014) – ein völlig kitschig überhöhtes, schwärmerisch idealisiertes Konzept („Reformpädagogik“), deren Gründer (Lietz, Geheeb, Wyneken) ebenfalls exzentrische Päderasten waren.
Hinweis:
Regisseur Christoph Röhl „Mit Fiktion erreicht man mehr Menschen“
30. September 2014 13:53 Uhr
„….ZEIT ONLINE: Hätte man dafür nicht jeden Dargestellten, also auch Andreas Huckele, intensiv am Entstehungsprozess des Films beteiligen müssen?
Röhl: Andreas Huckele wollte auf eigenen Wunsch nicht involviert werden, weil er zu dem Zeitpunkt seinen eigenen Spielfilm realisieren wollte, mit Till Boße als Regisseur. Wenn beide nun behaupten, der Film verharmlose die Wirklichkeit, müsste man mir konkrete Beispiele nennen, an welchen Stellen man hätte härter erzählen müssen….“
http://www.zeit.de/kultur/film/2014-09/odenwaldschule-christoph-roehl-interview/komplettansicht
Stimmt diese Darstellung????
Ich hatte schon bevor ich den Film gestern gesehen hab, genau die Befürchtung, dass dieser Film sich nicht nur reißerisch am Leid der Opfer ergötzen wird, sondern auch die Verharmlosung durch die Liebe Lehrerin, die sich kümmert und den Jungen versucht zu helfen. Es ist so vieles schieße an diesem Film, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Zunächst einmal die Rahmenhandlung: es ist die Lehrerin (Julia Jenisch) die letztlich das entscheidende tut, nicht nur in der Rückblende ist sie diejenige, die zumindest etwas an Pistorius Stuhl nagt, sie ist auch diejenige, die die Pressekonferenz dann rettet. Als die drei Männer auf dem Podium von den Verbrechen berichten, glaubt Ihnen keiner, die Zuhörer wollen sie mundtot machen. Dann kommt die Lehrerin und bringt die Mutter rein und schon kann die Aufarbeitung beginnen und andere trauen sich auch…
Dann ist es überhaupt schon mal zum Kotzen, dass dem Zuschauer diese nette Lehrerin präsentiert wird. Da kann ich auch Serien wie ,In aller Freundschaft‘ etc angucken, wo sich dann das liebe Personal aufopferungsvoll um die Belange ihrer Patienten kümmern und am Ende ist alles gut. Das ist als Schnulzenserie in Ordnung, aber nicht in so einem Film. Es muss ja alles so schön konsumierbar sein. Wir müssen und kurz gruseln, aber am Ende ist alles gut und wir können gut schlafen gehen. Wir werden ja in Sicherheit gewogen: ihr seid die guten, ihr guckt euch diesen Film an, ihr seid die nicht die Augen verschließt.
Ach nein? Wer ist es dann, wer die Augen verschließt, wenn nicht jeder einzelne Zuschauer (es mag sehr wenige Ausnhamen geben). Hat irgendwer von euch jemals in seinem Umfeld von einem Missbrauchsfall gehört? Hat es an eurer Schule das jemals gegeben? Hat sich jemals jemand gefragt warum die ,Dorfmatratze‘ mit allen schläft? Warum manche Jungen so brutal Schwächeren gegenüber sind? Warum das eine Mädchen nur 1er schreibt und darüber aufgehört hat zu essen?
Außerdem kotzt es mich immer an, dass es in Filmen über Missbrauch immer Missbrauchsbilder geben muss. Wozu? Wem dienen diese Bilder? Sie erzählen nichts vom Leid der Opfer, aber sie zeigen es Wiedermal als schwach und zerstört. Mitleid Gießen wir über dieses arme kleine Ding und rücken es damit wieder weg von uns. Wir sind wieder die guten, die sich das angucken, die genau hingucken und die dann auch eine Träne verdrücken. Verdammte scheisse, warum macht man keinen Film darüber, was die Opfer heute machen? Warum zeigt man sie nicht als mutige und starke Männer, die sich gegen alle Widerstände zur Wehr setzen. Ja das ist dann vielleicht nicht ganz so schick und herzzerreißend, wenn da nicht die Kindertränen rollen. Außerdem die 70er das war doch so eine geile Zeit, die Musik die Klamotten. Und wieder rückt man das Thema in weite Ferne: das ist Geschcihte, das ist vorbei und Pistorius das Monster sitzt ja zum Schluss auch im Rollstuhl und kann seinem jungen Pfleger nichts mehr tun, gut dass dieser junge Mann nicht ahnt, um wen er sich da so kümmert…
Aber die Geschcihte der Odenwaldschüler, die passiert heute. Es ist die Geschichte von Menschen die sich gewehrt haben und die man immer noch nicht erwachsenes Gegenüber akzeptiert sondern nur als kindliches Opfer, so wie man sie in dem Film sieht. Selbst den Erwachsenen muss ja dann am Ende geholfen werden…
Über die Rolle der Mädchen in dem Film mal ganz zu schweigen, da fällt mir lieber gar nix mehr zu ein…
Also Schluss mit solchen Filmen, Schluss mit Historisierung, man hätte das alles anders zeigen können, auch die Abwehrmechanismen, die ja immer noch genauso wirken und es wahrscheinlich noch lange tun werden (siehe tukur), ich will dass da einer den Finger in die Wunde legt, so dass es allen weh tut , dass alle betroffen sind und begreifen, welches Spiel tagtäglich überall gespielt wird, dass man über seine eigenen Floskeln stolpert, sich selbst an die vielen Male erinnert in denen man vielleicht bei seiner Freundin etc ein komisches Gefühl hatte und nicht n Pflaster draufklebt und huch da fliegt der Schmerz aus dem Fenster…
Ich glaube, wenn das ein Film geworden wäre der jede Handlung an den Kindern Lupen groß gezeigt hätte ( wie in USA Reality Sendungen ), dann wäre der Film nicht mehr jugendfrei gewesen, eventuell vielleicht sogar ein Pornofilm geworden und Pädo`s hätten ihre Befriedigung gehabt.
Ein Ehemaliger im Film sagte ja, dass er den Penis immer wieder in den Mund nehmen musste. Ekelhafte Lehrer.Für wäre so etwas Vergewaltigung, aber wie man im Internet lesen kann, ist das keine Vergewaltigung laut Gerichtsurteilen.
Mich würde einmal interessieren, weshalb Eltern ihre Kinder überhaupt in solche Internate geben.
Im Film wurde es so einseitig dargestellt, dass die Eltern ihre Kinder loswerden wollten und gehofft dass die Schule auch die „Elternpflichten“ mit übernimmt.
Ist das nicht schon eine Art von Misshandlung, Entzug von Liebe ?
Waren die meisten Absolventen mit dem Abschluss automatisch Kandidaten für Eliteunis oder die späteren Führungskräfte der BRD ?
Wie andere ehemalige Betroffene den Film sehen.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/reaktionen-von-betroffenen-die-odenwaldschule-ist-unser-aller-geschichte-13182504.html