Stellungnahme von netzwerkB zum neuen Interview im Spiegel, zum „Fall Edathy“ 

„In Deutschland bin ich doch gewissermaßen verfemt“- ein Satz am Ende des Interviews, das „Der Spiegel“ in seiner Printausgabe vom 17.03.2014 mit Edathy geführt hat.

Irgendwo in Südeuropa sitzt ein Mann, um den seit Monaten die deutsche Aufmerksamkeit kreist. Mal flauen Mitleidsbekundungen durch die Medien, überwiegend aber wirkt Edathys Verhalten auf die meisten Leute abstoßend.

netzwerkB irritiert vor allem die mangelnde Differenzierungsfähigkeit, aller Orten. Tatsächlich hat Edathy in einigen Punkten Recht. Vorverurteilungen sind tatsächlich nicht angebracht, was die strafrechtliche Seite der Ermittlungen angeht, denn Fakt ist, bisher war Deutschland nicht in der Lage die sogenannten „Posingbilder“, um die es geht, als eindeutig kinderpornographisches Material unter Strafe zu stellen. Man darf sich jetzt also nicht wundern, dass sich Edathy auf das Strafrecht berufen kann.

Auch was einen Parteiausschluss angeht, stellt sich die Frage, ob man hier mit allerlei Brimborium versucht einen Sündenbock aufzustellen, an dem jeder Mal seine Aggressionen ablassen kann. Gleichzeitig leisten wir uns, die Verjährungsfristen, auch rückwirkend, nicht aufzuheben, über die Installierung einer Anzeigepflicht redet sowieso kaum Jemand.

Und wie sieht es denn im Großen und Kleinen aus in unserem Land? Wie schützen wir unsere Kinder? Wieso werden Kinder immer noch in Familien belassen, in denen sie sexualisierte Gewalt und Misshandlung erfahren? Warum werden die Bezugspersonen, die ihnen das antaten, oft nicht verurteilt? Und warum durften und dürfen Priester, die sexualisierte Gewalt ausgeübt haben, immer noch weiter ihr Unwesen treiben? Wer hat die ehemaligen Pädagogen z.B. an der Odenwaldschule- um nur eine von vielen Institutionen zu nennen- aus ihrer Partei ausgeschlossen und sozial geächtet?

Aufarbeitung, Kinderschutz und Veränderung sieht tatsächlich anders aus! Wir konzentrieren uns auf einen einzigen Mann und stellen ihn für alle diese und viele viele weitere Täter in diesem Land heraus. Ändern aber nichts an den gegenwärtigen Zuständen, in Gesellschaft und Politik!

Wir geben Edathy dabei zudem die beste Steilvorlage um sich selbst zu bemitleiden und darüber zu lamentieren welch Unglück ihm widerfuhr! Seine Sätze sind dabei kaum erträglich von jeder Einfühlsamkeit der Jugendlichen, die er „konsumierte“, entkernt und ein Bewusstsein für missbräuchliches Verhalten, auch wenn es –noch- nicht strafbar ist, sucht man vergebens.

Der „Fall Edathy“ könnte ein Exempel dafür sein, was geschieht, wenn ein Staat vergisst seine Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen wahrzunehmen.

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