STIMME RUSSLANDS Der Fall Edathy geht in eine neue Runde. Jetzt hat das Innenministerium erlaubt, dass gegen den ehemaligen Innenminister Friedrich wegen Geheimnisverrats ermittelt werden darf. Am Donnerstag befragt der Innenausschuss der Bundestages außerdem noch einmal den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Ziercke. Denn auch in den Reihen des BKA hatte es einen Mitarbeiter gegeben, der Material beim selben Anbieter gekauft hatte wie Edathy. Bei diesen Meldungen geraten wieder die Opfer in den Hintergrund, sagt Norbert Denef vom Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt. Hendrik Polland hat mit ihm gesprochen.

Wie aufmerksam verfolgen Sie im Moment die Berichterstattung rund um den Fall Edathy?

Mit großem Interesse. Nur mit Enttäuschung mussten wir feststellen, dass es wieder mal nur um die Täter geht und nicht um die Opfer. Vielleicht ein Beispiel dazu: Die Geschwätzigkeit von Herrn Friedrich und von Herrn Gabriel, dem Vorsitzenden der SPD, da ging es auch nicht um die Opfer, sondern um die Schadensbegrenzung der Parteien beziehungsweise des Ansehens. Darin sehen Sie wieder einmal, dass die Opfer im Hintergrund stehen.

Wann ist für Sie die Grenze zu einer Straftat bei sexuellem Kindesmissbrauch überschritten?

Grundsätzlich gilt ja erstmal die Unschuldsvermutung. Dafür treten wir auch ein und das auch im Fall Edathy. Wenn man ihm keine Schuld strafrechtlich nachweisen kann, dann ist er unschuldig. Aber wenn es darum geht, dass mit Nacktfotos von Kindern Geschäfte gemacht werden und der Gesetzgeber das nicht als Strafe ansieht, dann müssen wir nachdenken. Das wird im Moment gemacht. Da fängt für mich die Grenze an, die man überschreitet. Aber wie gesagt, er ist unschuldig. Wir müssen sagen, wir haben nicht die richtigen Gesetze.

Die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch beginnt im Zivilrecht mit der Vollendung des 21. Lebensjahres. Sie sprechen dabei prinzipiell von unangemessenen Verjährungsfristen und fordern, dass sie ganz wegfallen. Wie wäre damit den Opfern geholfen?

Der Staat verweist auf die strafgesetzlichen Verjährungsfristen, obwohl bekannt ist, dass Betroffene traumabedingt langjährig schweigen. Dieses traumabedingte Schweigen ist mittlerweile breit erforscht. Das heißt, die Erinnerungen sind den Betroffenen aufgrund der traumatischen Situation oftmals lange Zeit kognitiv nicht zugänglich. Selbst wenn die Informationen zugänglich sind, dann können Opfer aus Angst und Scham oft jahrzehntelang nicht darüber reden. Ein Beispiel macht das vielleicht deutlicher. Wenn ein Opfer von einem Mann für 45 Jahre ins Koma geprügelt wird, warum hätte das Opfer nach 45 Jahren, wenn es erwacht, nicht mehr das Recht, diese Tatsache zur Anzeige zu bringen?

Sie sind 1949 geboren und selbst als Kind Opfer von sexuellem Missbrauch gewesen. Was hat sich seit dem im Opferschutz geändert?

Ich kann jetzt auf 20 Jahre Öffentlichkeitsarbeit zurückschauen. Ich muss feststellen, wenn heute ein Opfer sein Schweigen bricht, wird es nach wie vor ausgegrenzt. Die Opfer sollen als arme Opfer in der Ecke etwas bedauert werden. Da hat sich nichts geändert. Daran müssen wir etwas ändern. Wir brauchen die Anerkennung. Deshalb die Aufhebung der Verjährungsfristen.

Es gibt mittlerweile einen Fond, die Opfer sexuellen Missbrauchs entschädigt. Sie meinen allerdings, dass der Fonds nichts bringt. Wo sehen Sie die Probleme?

Es geht hier nicht um Entschädigung. Bei diesem Fond geht es auch gar nicht darum, dass das Opfer selbst entscheiden kann, was es für Hilfen braucht. Das man den Opfern nicht zumutet, das Geld in die Hand zu nehmen. Man bestimmt fremd über das Opfer. Nein, du musst eine Therapie machen, welche – das bestimmen wir. Das ist doch unmenschlich. Das Opfer muss als Bittsteller auftreten.

Quelle: http://german.ruvr.ru

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