Missbrauchsopfer Norbert Denef ist nach einer Protestaktion auf dem Petersplatz mit vereinten Polizei- und Notarztkräften ins Krankenhaus gebracht worden. Denef hatte für die Einrichtung einer Stiftung zum Schweigenbrechen demonstriert – und zwar schweigend

PISAVERSTEHER AUS ROM

Wer auf dem Petersplatz in Rom zu lange das falsche Schild hochhält, wird schnell abgeführt. Insofern hatte Norbert Denef Glück, dass ihn ein halbes Dutzend Carabinieri und ein Notarzt erst nach drei Stunden abtransportierten. Denef ist prominentes deutsches Missbrauchsopfer und Vorsitzender des Vereins „Netzwerk Betroffener“. Er hatte zuvor bei einer Generalaudienz des Papstes für eine Stiftung „Schweigenbrechen“ demonstriert – schweigend und nur mit einem großen Foto von sich als 9jährigem um den Hals. Das nahm fast niemand der rund 50.000 Gläubigen zur Kenntnis – trotz (oder wegen) mehrfacher Vorbeifahrt des Papstes Franziskus in seinem offenen Papamobil.

„Der hat keine Krankheit, das ist eine Demonstration“

Als das Papstmobil jedoch am Ende der Veranstaltung am liegenden Norbert Denef vorbei zu fahren drohte – Denef hatte sich vor Erschöpfung auf den Boden gelegt – griffen die italienischen Beamten sofort zu. Ein Kamerateam des MDR, das Denef begleitet hatte, wurde am Drehen gehindert. Die englischen Hinweise der Begleiter des 64jährigen („Der hat keine Krankheit, das ist eine Demonstration“) konnte oder wollte niemand verstehen. Selbst Denefs Frau wurde sachte beiseite geschoben und der liegend meditierende Demonstrant mit einem Krankenmobil abtransportiert. (Wäre nicht Denefs mutige Frau Veronica mit ins Hospital gefahren, dann wäre ihr Mann vielleicht in die Psychatrie eingliefert worden. Weil Denef schwieg und nicht sprach, dachten die Ärzte, er sei verrückt. Erst ein vor der Romreise angefertigtes Attest, das Frau Denef in der Handtasche hatte, und ein freundlicher Arzt bewahrten den Missbrauchsrebellen aus Scharbeutz vor der Klappse.)

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Norbert Denef wurde zwischen 1958 und 1964 von einem Pfarrer im Bistum Magdeburg sexuell missbraucht; kaum war der Pfarrer versetzt, griff der Kantor zu. Der Mann hat inzwischen amtlich von der katholischen Kirche bestätigt bekommen, dass er missbraucht wurde, und auch eine Entschädigung von 25.000 Euro wurde ihm 2005 zugestanden. Aber Denef mag keine Ruhe geben, er ist immer wieder bereit, spektakuläre Aktionen gegen Missbrauch und für eine Abschaffung der Verjährungsfristen zu veranstalten. Ein Opfer mit PR-Ideen? Das macht ihn für viele verdächtig.

2010 stürmte Denef beim Kirchentag in München eine Diskussionsrunde über Missbrauch – weil dort kein Opfer sprechen durfte.

2011 hielt er eine Gastrede auf dem Parteitag der SPD. Die Grünen gaben dem Opfer sexueller Gewalt auf ihrem Parteikonvent keine Stimme. Auch einen mehrwöchigen Hungerstreik hat Denef schon hinter sich.

Schweigend fürs Schweigenbrechen

Diesmal wählte der durchtrainierte 64jährige mit den unruhigen Augen eine neue Variante. 20 Jahre, nachdem er das Schweigen über die sexualisierte Gewalt an ihm im Kreis eines Familientreffens gebrochen hatte, verfiel er wieder ins Schweigen. Er stand stundenlang auf dem Petersplatz, sein Bild als 9jähriger umgehängt. Denef fordert vom Bistum Magdeburg 450.000 Euro, er formuliert es so: Die schulden mir das!

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„20 Jahre des Anklagens und Verhandelns und Zurückgewiesen-Werdens sind mehr als genug“, sagte Denef vor seiner Aktion. „Es geht nicht darum, aufzugeben. Die Kirche sollte die ausgestreckte Hand zur Versöhnung für die schweren Missbrauchsverbrechen annehmem, die in ihrem Namen und unter ihrem Schutz geschehen sind. Wer könnte das besser als der so hoffnungsvoll begrüßte Papst Franziskus?“

5 Millionen Euro für eine Stiftung – und gegen das Schweigen

Denef will das Geld nicht für sich behalten, sondern als Grundstock für eine Stifung benutzen. Sie soll Missbrauchsopfer aktiv dazu ermuntern, ihr Schweigen zu brechen. Auch Helfer, Ärzte und Therapeuten oder Menschen wie Schulleiter Klaus Mertes, der zusammen mit Opfern den Missbrauch am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich machte, wären potenzielle Empfänger eines „Schweigen-Brechen-Preises“. Denef will dafür fünf Millionen Euro sammeln. „Es wäre ein Akt der Versöhnung, wenn nicht nur das Bistum Magdeburg in diese Stiftung einzahlt, sondern wenn auch Sie als Oberhaupt der römisch katholischen Kirche es tun.“

Am Nachmittag gegen 15 Uhr wurde Denef wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Er war putzmunter. Nicht krank, sondern weiter protestbereit.

Quelle: http://pisaversteher.com/

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Akt der Versöhnung – N. 555.086