Ein Austausch zwischen dem Psychologen Volker Bracke (Beirat netzwerkB) und einer Betroffenen, Beate Lindemann-Weyand.
Beate Lindemann-Weyand: Erst einmal ein „Herzliches Willkommen“ als frisch „gebackener“ Beirat in netzwerkB! Haben Sie sich inzwischen ein wenig einleben können?
Volker Bracke: Das würde ich schon sagen, und Sie persönlich haben in unserem bisherigen Austausch ja auch einiges davon mitbekommen. Ich habe mich sehr intensiv mit der Website von netzwerkB und insbesondere den dortigen Kommentaren befasst, mit denen Betroffene sich direkt und offen zu verschiedenen Themen äußern. Und diese offene Beteiligung finde ich z.B. sehr wichtig und bereichernd.
Ich will auch eine heikle Seite nicht verschweigen: Sie nennen mich ja bewusst „frisch gebacken“, und zum Backen gehört bekanntlich eine gewisse Hitze, die es auszuhalten gilt. Zum einen war ich erfreut über einige schnelle Willkommensgrüße in den Kommentaren zu meiner Vorstellung, zum anderen erstaunt über kritische Bemerkungen, in denen ich mich unbekannterweise mit Zweifeln an meiner Glaubwürdigkeit konfrontiert sah, die mich eigentlich nicht persönlich, sondern nur als Vertreter meines „Berufsstands“ betreffen konnten – mich aber trotz allem getroffen haben. Ich war sehr überrascht, fühlte mich herausgefordert, direkt zu antworten und Missverständnisse klarzustellen (z. B. über die häufige Schwierigkeit, spezielle Traumatherapie auch als solche mit Kostenträgern abzurechnen), für die ich aber persönlich gar nicht zuständig bin. Bei manchen sehr persönlich klingenden Kommentaren ist mir durchaus etwas „heiß“ geworden. Da ich überzeugt bin, dass solche anonymen Stellvertreterdiskussionen höchstens noch mehr Missverständnisse erzeugen, habe ich mich entschieden, keine eigenen Kommentare zu verfassen, bin aber froh über die jetzige Gelegenheit des Austauschs zwischen uns.
Lindemann-Weyand: Mir geht es gut mit dem Gespräch, mir gefällt dass und wie Sie auf die Fragen eingehen. Ich bin mir sicher, dass Ihre Antworten zu mehr Verständnis beitragen können!
Möglich ist natürlich auch, dass sich gerieben wird.
Das hat in meinen Augen auch damit zu tun, dass sich wenige bis keine Therapeuten Betroffenen bisher wirklich aussetzen. Sie antworten wirklich als Mensch. Das tut gut.
Es ist sonst auch von anderen Therapeuten (die man z. B. im Fernsehen als „Fachleute“ auch in „gute“ Talkshows einlädt) immer sehr viel Abstand spürbar und da kann natürlich auch sehr wenig Verstehen entstehen. Diese Fachleute, selbst wenn es wirklich erfahrene TraumatherapeutInnen sind, wirken als Menschen immer total entfernt. Natürlich verständlich, das ist ja legitim, nur empfinde ich das als schwierig, man kann sich nie reiben, man ist immer im „Nachteil“, weil man nie seine „Patienten-Kluft“ verlassen kann, ein Austausch ist kaum möglich.
Bracke: Sehen Sie, dass Sie sich mit unserem Gespräch wohlfühlen, gefällt mir wiederum – der Vergleich zwischen „guten/menschlichen/spürbaren“ und „schlechten/distanzierten/ungreifbaren“ Therapeuten dafür weniger. Vielleicht wegen meiner kollegialen Loyalität, aber auch aus grundsätzlichen Überlegungen: zur therapeutischen Rolle und Professionalität gehört m.E. eine gewisse Distanz, sowohl zum Patienten/zur Patientin (da sprechen wir von „Abstinenz“ und leider noch viel zu oft über Grenzüberschreitungen, die sogar von Kollegen ausgehen) als auch zu der Problematik, mit der jemand therapeutische Hilfe sucht. Es würde vielleicht kurzfristig entlasten, als Therapeut „mitzuleiden“, aber für eine langfristige Veränderung und Verbesserung finde ich es nötig, meine PatientInnen aus dem richtigen Abstand heraus auf bestimmte Dinge hinzuweisen, notfalls auf ungesunde Muster anzusprechen. Natürlich auch aus der richtigen Nähe, deshalb kam ich in der anfänglichen Kurzvorstellung für netzwerkB auf das Bild des Begleiters, der einen Weg mitgeht, aber nicht jeden einzelnen Schritt mitstolpert oder in Pfützen mit hineintritt, sondern auf drohende Stolpersteine und Pfützen hinweisen kann. Ich weiß aber auch aus eigener therapeutischer Erfahrung, dass mir das bei allem Wohlwollen den Vorwurf eintragen kann, mir die Schuhe nicht schmutzig machen zu wollen. Also: von wegen „menschlich“, zu distanziert war ich! Wie eine Kollegin zu sagen pflegte: „Watte machs, machse verkehrt – als Mann!“
Lindemann-Weyand: Ihrer Vorstellung auf der Webseite von netzwerkB e.V. lässt sich entnehmen, dass Sie sich am Bau einer „Brücke“ zwischen Betroffenen und professionellen Helfern beteiligen möchten.
Bracke: An diesem Bild gefällt mir besonders, dass es Forderungen an beide Seiten stellt: man muss am jeweiligen Ufer den Boden bereiten, auf dem die Brückenpfeiler stehen können; von beiden Seiten wird sich jemand nass machen, in die Mitte schwimmen und sich einer unbekannten Strömung aussetzen müssen, damit die jeweiligen Vorarbeiten zueinander finden.
Lindemann-Weyand: Um diesem Bild konsequent zu folgen, könnte man sich auch Gedanken über Baupläne machen, Skizzen, wie diese Brücke konstruiert werden würde.
Bracke: Genau! Und diese Pläne – für die es keine bereits erprobten oder vorgefertigten Muster gibt – müssten zunächst per Boot hin- und hergefahren werden, die Boote und Boten sollten gepflegt und gut behandelt werden, damit die jeweils andere Seite die nächsten wichtigen Botschaften erhält und entgegennimmt …
Soweit ich mich als „Bote“ im Rahmen von netzwerkB verstehe, weiß ich jetzt noch mehr als durch meine bisherige Arbeit von dem Frust vieler Betroffener über unzureichende oder gar schädliche, jedenfalls enttäuschende therapeutische Angebote. Das hat mich übrigens 2012 zu einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung mit einer Betroffenen von sexualisierter Gewalt veranlasst, in der sie uns „Fachleuten“ deutlich machte, wie häufig und schnell unsere Angebote am individuellen Bedarf vieler Opfer vorbeigehen, z. B. mit der pauschalen Verordnung bestimmter Stabilisierungsübungen.
Lindemann-Weyand: Meine Vorstellung ist, dass ein konstruktives Hin-und Her, auf Augenhöhe, zwischen Kranken oder Verbrechens-Folge-Erkrankten (so wäre es in meinen Augen korrekter beim Namen zu nennen) und Helfenden, Forschenden (im besten Fall auch der Politik oder den Bindegliedern, die zur Politik hinauf fließen lassen) – erst die wirklich sinnvollen Konzepte, die nah am Patienten wirken, bewirken kann.
Die Arbeit mit den Veteranen in den USA hat ja erst erste Konzepte zu uns nach Deutschland hinüber „schwappen“ lassen. Zum Glück. Auch die Imaginationsübungen entstanden ja maßgeblich in Zusammenarbeit, bzw. guter Beobachtung mit und von Trauma-Überlebenden. Die Imaginationsübung ist ja sozusagen die kontrollierte Dissoziation, Selbst-Hypnose.
Bracke: Von Hypnose würde ich nicht sprechen, weil mir diese Methode aus Patientensicht zu unkontrolliert wäre. Ansonsten stimmt das natürlich, die Imaginationen sind nicht auf therapeutischem Mist gewachsen – auch nicht auf dem von Frau Reddemann, die sich sicher um die Entwicklung der Traumatherapie enorm verdient gemacht hat. Nur ein Beispiel: eine meiner Patientinnen konnte mit der oft angeleiteten Tresor-Übung nichts anfangen, erzählte mir dann aber von einer imaginären Umzugskiste, in der sie Vieles verstaute und die sie dann bei den Nachbarn im Keller „deponierte“. Und das tat sie bereits über Jahre, ohne je etwas von Tresor usw. zu wissen. Genau das ist kontrollierte Dissoziation, und zwar in kreativer Verwendung der Betroffenen, und gleichzeitig eine Herausforderung für festgefügte therapeutische Methodenvorgaben. Außerdem ein gutes Beispiel für ein individuelles Vorgehen in der Therapie.
Lindemann-Weyand: Auch über die Beschaffenheit der verwendeten Materialien sollte man also nachdenken. Wären sie zu starr und unbeweglich könnte die Brücke bei Stürmen zusammen brechen, und zu weich würde sie keinen festen Halt bieten.
Bracke: Auch da stimme ich Ihnen zu. Übrigens sehe ich gerade die Kommentare im netzwerkB zur Stiftung („Akt der Versöhnung“) als gutes Beispiel dafür, wie über das richtige oder falsche „Material“ gestritten wird. Der dort mitdiskutierende Kollege wird zunächst für seinen „Materialvorschlag“ einigermaßen heftig kritisiert, bis er sich als ebenfalls Betroffener zu erkennen gibt (wie die Diskussion weiter verläuft, ist aktuell noch offen). Deutlich wird daran aber auch: es kommt oft nicht so sehr auf das Material, das inhaltliche Argument an, sondern noch mehr darauf, von wem es vorgebracht wird. Das gilt für beide Seiten, Betroffene werden zu wenig als Fachleute ihres Leidens bzw. ihrer persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten respektiert, und Fachleute/Therapeuten werden zu oft als Stellvertreter eines institutionellen oder gesellschaftlichen Defizitsystems identifiziert und entwertet.
Lindemann-Weyand: Ich möchte das gerne von dem von Ihnen beschriebenen als Beispiel angeführten Konflikt in den Kommentaren, wegführen. Natürlich schafft es im ersten Moment eine andere Ebene, wenn Sie mir beispielsweise eröffnen würden, dass Sie ein Betroffener sind. Das ist ganz klar. Auf der anderen Seite aber gibt es genauso wenig DEN Therapeuten, oder DEN oder DIE Betroffene. Genau diese Stereotypen scheint es aber wirklich in vielen Köpfen Betroffener, aber auch der Therapeuten, der gesamten Gesellschaft zu geben. Man stellt sich das so vor: die Betroffenen stehen Hand in Hand im Kreis schauen betroffen vor sich hin und sind alle auch ganz lieb und unterwürfig. Dieses Opferbild ist weit verbreitet. Wie war ich persönlich froh, als ich entdeckte, dass es auch etwas anderes gibt. Aber das fand ich bevor ich zu netzwerkB kam NIRGENDS. Denn DAS ist das Opferbild, das Bild der Betroffenen, wie wir zu sein haben – was ja auch seinen Nutzen hat, denn so werden wir uns schließlich auch mit den hingeworfenen Brotkrumen zufrieden geben. Wir werden sie aufpicken und danach brav „danke“ sagen. Unseren individuellen Charakter und unsere Verletzungen soll aber niemand sehen, denn das wäre einfach auch zu anstrengend und wenn jemand nicht das arme Opfer ist, „kann es ja nicht so schlimm gewesen sein“.
Insofern bin ich froh, dass ich in netzwerkB auch Konflikte miterleben kann und darf, und doch bleibt ein gewisser Respekt erhalten, das ist ganz klar.
Natürlich haben Sie vollkommen Recht, dass es sich immer lohnt zu überprüfen, ob die eigenen Urteile wirklich auf jetzigen Tatsachen beruhen oder auf alten womöglich immer wieder gemachten Erfahrungen. Mir geht es in der Hinsicht mit Psychiatern so. Ich habe zwar zum Glück nie das Vergnügen gehabt bei diesen in Behandlung zu sein, aber doch ab und an Mal eine kurze Begegnung, und ich konnte bisher nur eine einzige Psychiaterin als annähernd empathisch empfinden. Alle anderen kann ich nicht aus meinen Urteilen entlassen, weil ich immer wieder gemerkt habe, dass diese die Menschen oft aus einem Blickwinkel betrachten, der sich anfühlt, als wäre man ein auf einer Nadel aufgepiekster Schmetterling.
Bracke: OK. Das kann ich mir (leider) vorstellen und nur so erklären, dass da trotz aller Fachlichkeit oft ein Stück Angst dahintersteckt, sich bzw. einer eigenen Betroffenheit zu begegnen …
Lindemann-Weyand: Bei Psychologen sieht das teilweise schon viel besser aus. Wissen Sie, es gibt aber einfach auch sehr viele unseriöse …
Bracke: zynische?
Lindemann-Weyand: … Menschen, und wenn man dann noch ein sehr verletzter Mensch ist, ist es – auch wenn es die ganze Sache nicht gerade leichter macht, für alle Beteiligten – doch gar nicht so übel, wenn man da auch nicht so naiv ist. Denn Vorsicht ist „die Mutter der Porzellankiste“. Und das Innere schwer verletzter Menschen wäre aus meiner Sicht teilweise mit zartem Porzellan zu vergleichen.
Es ist doch ein großes Dilemma, aus dem man, wenn das Urvertrauen wirklich zerstört ist, kaum mehr herrauskommt, weil man kann zwar die zerbrochenen Teile versuchen wieder zu kleben, jedoch wird es nie mehr wie vorher sein und die Gefahr eines erneuten Bruches bleibt umso größer.
Besonders schwierig finde ich, dass man manches einfach wirklich nicht mehr kann, egal wie sehr man darum ringt, aber es geht nicht. Es ist kaputt.
Darum wird das aus meiner Sicht mit dem gegenseitigen Verstehen und Vertrauen sicherlich immer ein gewisser Wackeltanz bleiben.
Eine weitere Frage wäre, um beim Brückenbau zu bleiben, an welchen Stellen der sich gegenüber stehenden Berge man jeweils ansetzt, damit die Anfänge der Brücke auch wirklich auf stabilem Boden stehen? Anderenfalls könnte es ein kurzer Traum der gegenseitigen Begegnung werden.
Was glauben Sie aus ihrer eigenen Erfahrung, führte in der Vergangenheit zu den gravierendsten Tälern zwischen professionellen Helfern und den Betroffenen?
Bracke: Zunächst einmal finde ich wichtig, beiden Seiten zugute zu halten, dass es erst seit relativ kurzer Zeit – seit den 90er Jahren – Erfahrungen mit der gezielten therapeutischen Bearbeitung von Traumafolgen nach sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt gibt. Opfern blieb lange Zeit nicht viel anderes übrig als zu schweigen und weiter zu schweigen, Therapeuten waren bis dahin, was spezifische Hilfsmöglichkeiten betrifft, einigermaßen ahnungslos, oft überfordert, vielleicht selbst betroffen, einfach schockiert oder ungläubig. Das kann die gemeinsame Arbeit in der jeweiligen Therapie auch heute noch massiv beeinträchtigen, ohne dass der einen oder anderen Seite Böswilligkeit zu unterstellen wäre. Es geht nun mal um Überwältigung und überwältigende Erlebnisse – das wissen bzw. spüren die Opfer leidvoll am „besten“, und das trifft auch TherapeutInnen mitsamt ihren eigenen menschlichen Abwehrmustern.
Lindemann-Weyand: Wie würden Sie Art und Beschaffenheit der Hindernisse beschreiben, die professionellen Helfern von den Krankenkassen und anderen Institutionen in den Weg gestellt werden? Welche Konsequenzen haben diese wiederum für die Patienten?
Bracke: „In den Weg gestellt werden“ klingt mir fast schon wieder zu sehr nach Absicht. Tatsache ist doch, dass wir in Deutschland eines der am weitesten entwickelten Gesundheitssysteme – mit allen Tücken, die es enthält – haben. In vielen Ländern wird das mit einer Mischung aus Anerkennung und Neid betrachtet (andere machen es auch noch besser), und gleichzeitig gibt es immer wieder Anläufe, das Erreichte mit der Begründung irgendwelcher Sparzwänge zu kürzen. Allgemein geht es m. E. darum, was sich eine Gesellschaft wie unsere leisten will und welche Kosten dabei jeweils berücksichtigt werden: Autobahnen und Zweitwagen für alle oder günstige öffentliche Verkehrsmittel? Angeblich billige Atomkraft oder eine insgesamt energie- und umweltbewusstere Lebensweise? Verteidigung und Terrorsicherheit um jeden Preis oder gesunde Lebensbedingungen für den Einzelnen und miteinander? Es ist natürlich viel komplexer, aber alles wird gerne gegeneinander ausgespielt und nicht wirklich ausdiskutiert. Um beim Gesundheitssystem und spezieller bei der Psycho(trauma)therapie zu bleiben:
- Wir haben Psychotherapie als Krankenkassenleistung, aber zu wenig therapeutisches Personal. Die Kassen sprechen von Überversorgung und verhindern damit die Zulassung neuer TherapeutInnen, PatientInnen wundern sich gleichzeitig über vielmonatige Wartezeiten auf einen Therapieplatz (was zugegebenermaßen zu dieser Diskrepanz beiträgt, sind Kollegen, die ihre vorgesehene Behandlungskapazität bei weitem nicht ausschöpfen, aber auch ein sehr unflexibles System bei der Verwaltung dieser Kapazitäten).
- Es gibt psychotherapeutische und psychosomatische Kliniken mit ausgewiesenen Konzepten für traumaspezifische Therapie, aber mittlerweile absurd kurze Behandlungszeiten bei gleichzeitig so hohen organisatorischen und verwaltungstechnischen Vorgaben, dass ich den Sinn solcher Behandlungen in Frage stelle. Sie führen sowohl bei PatientInnen als auch bei TherapeutInnen zu enormer Frustration, weil ihre Motivation und ihr Qualitätsanspruch gleichermaßen entwertet werden. Dass dieser Frust dann zu gegenseitigen Angriffen zwischen den direkt betroffenen Seiten führt, ist einerseits verständlich, andererseits schwer auszuhalten.
- Traumaspezifische Psychotherapie gehörte lange nicht zum anerkannten Methodenrepertoire und muss auch heute noch sehr speziell begründet werden, um v.a. bei psychoanalytischen Gutachtern „durchzugehen“. Hier spielen z. T. sehr ideologisch geführte Theoriediskussionen und wissenschaftliche Machtansprüche eine Rolle, aber auch hier passt Ihr anfangs gebrauchtes „Brückenbild“: auch diese Entwicklung braucht einige Zeit und viele Versuche, um den Boden zu bereiten, erste Brückenköpfe zu installieren und irgendwann die Kluft tatsächlich zu überwinden.
- Die Bearbeitung von Beziehungs- und Gewalttraumatisierungen und ihren Folgen erfordert weitaus längere Behandlungszeiten als die Psychotherapie-Richtlinien vorgeben. Abgesehen von den vielen inhaltlichen Themen und Erlebnissen, die zu bearbeiten sind, wenn denn mal eine ausreichend vertrauensvolle Arbeitsbeziehung erreicht ist, ist z. B. genau diese Vertrauensentwicklung eine oftmals langwierige gemeinsame Aufgabe. Und ebenso erschwerend für den ganzen Therapieprozess erlebe ich manchmal die Tatsache, dass der oder die Betroffene nicht nur Opfer der früheren Gewalt war, sondern heute noch der bzw. die „Leidtragende“ einer schweren und schmerzhaften therapeutischen Arbeit sein soll.
Lindemann-Weyand: Sie haben natürlich Recht damit, dass wir im Vergleich eine der am weitesten entwickelten Gesundheitssysteme haben. Allerdings, wenn man selbst Betroffene ist und man wird beim ersten Anlauf beispielsweise bei einem Antrag auf einen stationären Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik abgelehnt, oder/und muss sehr lange warten, kann einem die Dankbarkeit für dieses Gesundheitssystem schon auch Mal ausgehen, da man damit beschäftigt ist, irgendwie den Tag zu überleben und das hoffentlich auch noch bis zum Klinikaufenthalt.
Bracke: Einverstanden.
Lindemann-Weyand:
Ich hatte das Glück in einer damals sehr konstruktiven Klinik eine sehr gute Traumatherapie zu machen. Dadurch, dass ich mehrmals dort war, habe ich allerdings im Vergleich gemerkt, dass jedes Mal wenn ich wieder dort war, die Patientengruppen größer wurden, was in meinen Augen dazu führte, dass es nur den äußerst engagierten TherapeutInnen, und ausgeklügelten Konzepten zu verdanken war, dass man da dann noch ein Mindestmaß an Gruppentherapie machen konnte. Bei Menschen mit auch sehr unterschiedlichen Traumata war das manchmal sehr schwierig und auch ich kam als mehrfach schwer traumatisierter Mensch bei meinem letzten Aufenthalt dort diesbezüglich an meine Grenzen.
Dieser Frust und diese Diskrepanzen zwischen Personal und Patientinnen waren teilweise auch zu spüren und ich kann Sie als Therapeuten sehr gut verstehen, wenn Sie das so auch für sich schildern. Mein Empfinden ist, dass hier auch beide Seiten alleingelassen werden. Ich hatte an meiner Klinik das Gefühl, dass einfach zu wenig Information da war bei den Patienten, warum es nicht mehr Behandlung geben konnte, dass dies eben auch Zwänge sind. Es entlud sich da auch mancher Frust, den das Personal sicherlich nicht verdient hatte, im Gegenteil, denn das waren schon sehr kreative, bewegliche Konzepte, dort wo ich war und ich spürte sehr genau, dass das Maximale getan wurde, damit man wirklich auch etwas hat für sich erreichen konnte.
Bracke: Andererseits ist es nicht Sache von Patienten, die für eine eh schon für sehr Zeit zur Behandlung kommen, auch noch viel Verständnis für die Zwänge einer solchen Institution wie der Klinik zu haben, wo therapeutische Ideale mit betriebswirtschaftlichen Interessen kollidieren.
Lindemann-Weyand: Was führt eigentlich dazu, dass Vieles nur privat abgerechnet werden kann, was jedoch bekanntermaßen für viele Betroffene nicht aufzubringen ist? Führt das nicht zwangsläufig zu einer Situation die vielen Betroffenen, eine angemessene Behandlung erschwert oder gar verunmöglicht?
Bracke: Das stimmt, liegt aber an vielen individuellen Bedingungen. Meine eigene Situation war vor der Niederlassung in eigener Praxis so, dass ich als Klinik-Angestellter mit traumaspezifischer Ausbildung ambulante Therapien in Nebentätigkeit durchgeführt habe. Dafür gibt es keine Kassenzulassung, höchstens in Einzelfällen die Möglichkeit, über die sog. Kostenerstattung, das Versorgungsamt (Opfer-Entschädigungs-Gesetz), Private Krankenkassen oder andere Sonderwege eine Kostenübernahme zu vereinbaren. Die Alternative hieß „Wartezeit“ bei niedergelassenen KollegInnen, ansonsten gab es mehr oder weniger schlechte Kompromisse, z. B. einen miteinander vereinbarten „Sozialtarif“, mit dem ich einer Patientin entgegengekommen bin. Aber das hat seine Grenzen dort, wo ich mich im Rahmen meiner wirtschaftlichen Möglichkeiten mit meiner Arbeit gut fühlen will und muss, d. h. es kann nicht von anderen gefordert werden.
Lindemann-Weyand: Auch ich war eine sehr lange Zeit bei einer kleinen Beratungsstelle und konnte dort auch einen Tarif aushandeln, mit dem ich leben konnte. Diese auch traumaspezifische Therapie war sehr vielseitig, intensiv und immer auf Augenhöhe.
Bracke: Das freut mich für Sie und für diejenigen, die solche Möglichkeiten finden. Wir haben im bayerischen Bezirk Schwaben wie vielerorts in Deutschland mit mehreren Kollegen ein regionales, kollegiales Traumahilfe-Netzwerk aufgebaut, um die vorhandenen Therapieplätze vielleicht noch etwas besser zu koordinieren und Betroffene dorthin zu vermitteln. Aber an meiner vorsichtigen Ausdrucksweise können Sie auch schon wieder erkennen: es geht mehr oder weniger darum, den bestehenden Mangel irgendwie ein bisschen besser zu verwalten. Und ob bzw. für wie viele sich der manchmal sehr idealistische Aufwand lohnt, weiß niemand so ganz genau.
Lindemann-Weyand: Gibt es Wege wie man sich die Behandlung bei den Therapeuten, die man sich wünscht – auch wenn diese nicht kassenzugelassen sind – erkämpfen kann? Wie stehen da die Aussichten?
Bracke: Ich kann dazu natürlich keine rechtsverbindliche Auskunft geben, aber es gibt das eben genannte Kostenerstattungsverfahren mit den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen, das allerdings die entsprechende Qualifikation auf therapeutischer Seite voraussetzt, jeweils eine Einzelfallentscheidung der Kasse darstellt und nur dann in Frage kommt, wenn der dringende Bedarf ärztlich bescheinigt und eine unangemessen lange Wartezeit bei zugelassenen TherapeutInnen nachgewiesen wird. Manche Kassen lehnen das Verfahren komplett ab, bei anderen erfordert es eine gewisse Hartnäckigkeit seitens der Versicherten. Ich weiß, dass das manchmal viel verlangt ist, aber ich berufe mich auf den Wortlaut Ihrer Frage: wie man es sich „erkämpfen“ kann. Das muss man manchmal, aber vielleicht nicht unbedingt allein.
Lindemann-Weyand: Ich finde es schwierig, dass man sich solche Dinge, die einem dabei helfen sollen, sich zu stabilisieren, ausgerechnet dann erstreiten muss, wenn man ja eigentlich gar nicht dazu in der Lage ist. Das aller Absurdeste war für mich, dass ich einerseits nicht wusste wie ich die Zeit ohne Therapie durchstehen sollte, dann alle Kraft zusammen nehmen musste, um mich bei der Krankenkasse und Gutachtern vorzustellen, und dort hatte ich dann wiederum die Schwierigkeit zu zeigen, wie schlecht es mir eigentlich geht, weil ich ja alle Kräfte mobilisiert hatte, damit ich dort überhaupt hingehen und erzählen konnte wie es mir geht – man sah mir dann nicht mehr an wie schlecht es mir wirklich ging.
Sich Jemanden zu suchen, der einen unterstützt zu kämpfen, das wäre sicher gut. Wenn man da jemanden hat, weil – aus meiner Erfahrung gesprochen – es als Betroffene/r nicht gerade zu den leichtesten Übungen gehört „mal eben“ jemandem zu schildern, dass man seine Hilfe braucht und warum. Da liegen einfach auch auf Grund des starken Vertrauensverlustes sehr viele Hindernisse – und in diesen Zeiten scheinen diese auch noch besonders hoch zu sein.
In der Vorstellung Ihrer Person auf der Webseite von netzwerkB ist auch zu lesen, dass Sie Ihren Weg aus langjähriger stationärer Tätigkeit in die eigene Praxis verlegt haben.Mögen Sie uns beschreiben, welche für Sie positiven wie negativen Unterschiede Sie bisher durch diesen Schritt für sich feststellen konnten?
Bracke: Teilweise habe ich es bereits angesprochen: für mich war die stationäre Arbeit über 20 Jahre, davon 10 in leitender Funktion, mit der Erfahrung fortschreitender Einschränkungen verbunden: Kostenträger beschränken Aufenthaltszeiten, Klinikträger den Personalplan, andererseits werden Verwaltungs- und Dokumentationsanforderungen stetig aufgebläht, was die Gestaltungsspielräume, die man sich aus therapeutischer Sicht so vorstellt, immer enger werden ließ. Um nicht allzu klagsam zu klingen: es gab diese Spielräume, wir haben u.a. über mehrere Jahre eine traumaspezifische Station eingerichtet und dort auch Gutes bewirkt, und gerade wegen der engen, vertrauensvollen und engagierten Zusammenarbeit mit vielen KollegInnen habe ich mir lange nicht vorstellen können, als „Einzelkämpfer“ in die Praxis zu wechseln. Nach so langer Zeit stand aber auch einfach die Chance für mich im Raum, mich nochmals neu zu orientieren, und nun habe ich sie gerne ergriffen. Um die Unterschiede aus der neuen Perspektive heraus zu beschreiben, ist es allerdings noch zu früh. Ich sammle Erfahrungen …
Lindemann-Weyand: Ich stelle mir so einen Abschied – auch durch die größer werdenden Schwierigkeiten seinen Beruf wirklich auch so auszuüben, wie man das auch kann und möchte- unter anderem auch sehr schwierig vor. Noch dazu, wenn man maßgeblich am Aufbau von etwas, von dem man überzeugt war, beteiligt war.
Und auch ein Neubeginn ist sicherlich mit einem hohen Aufwand verbunden und nicht leicht. Wie Sie es schildern, tauchen da zwei sehr unterschiedliche Welten vor meinem inneren Auge auf. Für dieses spannende Unternehmen wünsche ich Ihnen viel gutes Wetter und immer gute Kleidung bei Regen.
Bracke: Eben denke ich: für mich selbst bin ich ja auch gerade mit Brückenbauen beschäftigt und werde Sie wissen lassen, wenn ich das neue berufliche Ufer sicher erreicht und entdeckt habe …
Im zweiten Teil des Austausches widmen sich Volker Bracke und Beate Lindemann-Weyand weiteren Aspekten der Begegnung während des Brückenbaues.
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danke!
Durch Ihren Dialog haben Sie angefangen, auf Ihrer Seite eine Brücke zu mir zu bauen. Ich fange an, auf meiner Seite mit dem Brückenbau zu beginnen um Sie in der Mitte zu treffen. Doch was nützt es, wenn diese Brücke von einer einsamen Insel zur nächsten einsamen Insel führt und von allen Seiten in diesen Zeiten „bombardiert wird“, wenn sie fertig ist? Da fragt dann keiner mehr danach, ob der Brückenbau erfolgreich war. Ich frage an mit diesem Video:
http://www.youtube.com/watch?v=PwIBhzOv-Lw
ich glaube nicht, dass die brücke von einsamen inseln gebaut wird. und wenn sie aus dem herzen kommt, kann sie auch nicht kaputtgehen. der schutt füllt ggfs. nur das tal, das alle berge verbindet. – entweder ich kann dankbar sein, dass es die traumatherapie seit den 90 er jahren überhaupt gibt, so dass einige menschen nicht mehr schweigen mussten und einen heilungsraum (und lebensraum) finden konnten – oder ich kann entsetzt sein über die erneuten wunden und verwirrungen, die beim zuhören und heilen aus überforderung, unkenntnis, respektlosigkeit oder systemfehlern und frustrationen entstanden sind. mir gefällt das bild der begleitung am besten… – und es gibt viele wege. ich bin sehr sehr dankbar über die offenheit und transparenz.
„Brückenbauen“
Das ist wunderbar! Ist es nicht letztendlich die „LIEBE“, die ganz tief in uns verborgen ist und eingekapselt ruht, wie in einem Samenkorn, das wenn es bereit ist in uns zu platzen, was allerdings schmerzhaft ist und „ANGST“ macht zu einen großen BAUM mit tiefen Wurzeln werden kann…
Dafür brauchen wir ein „offenes und mutiges HERZ“
und die LIEBE zu uns SELBST, die ALLES da SEIN lässt und die weis, das SCHMERZ und FREUDE zum LEBEN gehören und bereit ist, sich diesen „heilenden WELLEN“ hinzugeben und am ENDE wie ein „LEUCHTTURM“ zu stehen. GANZ OFFEN, GANZ FREI, VOLL LIEBE!
Voll von der LIEBE, die vor der „Sexualität“ war, DAS was war, bevor wir anfingen uns zu „Reiben“ um am ENDE wieder in DAS zu WACHSEN, was am ANFANG war…
Das habe ich erfahren und das kann jeder….
Das ist meine tiefste Überzeugung!
Wir sind tatsächlich mehr als die Worte und Gedanken, die in unserern KÖRPERN, die Gefühle und den KRIEG und den FRIEDEN auslösen…
von ganzem HERZEN von Elvira mitten im LEBEN und STERBEN, MITTEN IM „NICHTS“ das in allem IST und ALLES mit ALLEM verbindet…
Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Gibt es nicht auch tiefe Gräben zwischen Gruppen von Psychologen, Psychiatern, Pädagogen?
Ich bin selbst so eine Betroffene und beruflich Helfende, ich habe in beiden Eigenschaften Erfahrungen gemacht, die mich erschütterten – um so mehr, je mehr ich noch damit rechnete, dass das Mitgefühl mit vernachlässigten Kindern oder durch Gewalterfahrungen verwirrten Erwachsenen überwiegen würde.
Sehr interessant finde ich die Erfahrung des amerikanischen Arztes und Forschers im Auftrag der Kayser-Krankenkasse Felitti. Seinen Untersuchungen zufolge gibt es unter den übergewichtigen Patienten viele, die erst durch massive soziale Belastungen, häufig sexualisierte Gewalt, genötigt waren, ihr gesundheitsschädliches Eßverhalten zu entwickeln. Felitti hat den untersuchten Personen ihre Selbstaussagen und die Tränen dabei geglaubt, dass zum Beispiel die Gewichtszunahme erst nach einer Vergewaltigung begann. Unter Kollegen spürte er massive Abwehr, er bekam zu hören, diese Patienten würden nur davon ablenken, dass sie mit ihrer Adipositas ihr Leben verfehlt hätten.
Ich finde es interessant, dass es hierzulande Traumakliniken gibt, die prinzipiell gute Dienste leisten, aber die heute, wie ich Herrn Bracke verstehe, unter einem ruinösen Finanzmangel leiden. Und dass sich generell die Versorgung mit Psychotherapieplätzen verschlechtert hat. Aber selbst auf dieser Schiene werde ich grundsätzlich. Gibt es nicht ganz besonders wenig Psychotherapeuten mit Zusatzausbildung für Traumatherapie? Und warum müssen sie erst eine Zusatzausbildung machen, nachdem sie schon studiert, in der Psychiatrie gearbeitet (das oftmals unbezahlt) und eine angeblich umfassende Therapieausbildung (Verhaltenstherapie/Analyse/tiefenpsychologisch fundierte Therapie) gemacht haben? Warum werden Traumafolgen und Traumatherapie nicht von vornherein, als umfassend gestalteter Schwerpunkt, in die regulären Therapieausbldungen einbezogen?
Guter Austausch !
Ich werde nie verstehen, dass wenn nach sexueller Gewalt und Menschenverschleppung schwerste Traumafolgeerkrankungen wie zB. Psychosen entstanden sind, die immer wieder kommen, dass Fachleute von Therapeutenkammern und Ärztekammern sich nicht stark machen und einfordern, dass das solche schweren Traumafolgererkrankungen ein Beweis für sexuelle Gewalt sind.
Für Angehörige sind immer wiederkehrende Panikatacken und Psychosen fast schlimmer als Mord, da trotz Psychopharmaka nd Therapeutenstunden solche Traumaerkrankungen nie mehr heilen.
Das Brückenbauen finde ich gut. Kann es sein, dass es kaum Brücken zwischen Psychotherapeuten und Psychiatern gibt ?
Diese Behauptungen finde ich wie ein Schlag ins Gesicht.
Zitat aus : http://www.stern.de/panorama/kachelmann-prozess-von-todesaengsten-und-traumata-1612982.html
Der vom Mannheimer Gericht beauftragte Hans-Ludwig Kröber, der als eine Art „Leitwolf“ unter den Gerichtsmedizinern gilt, hält von der Traumatisierungsthese überhaupt nichts. Seiner Meinung nach können sich Menschen, die sich in einer lebensbedrohlichen Lage befanden, gerade an die gefährlichen und entscheidenden Momente klar und deutlich erinnern. In seinem Gutachten macht Kröber klar, wie wenig er von Seidlers Expertise hält. Man gewinnt zudem den Eindruck, dass Kröber Traumatologen für eine ziemlich dubiose Gemeinschaft von Gefühlsduslern hält. Günter Seidlers Annahme zum Beispiel, dass Silvia May deshalb neuerdings einen Seidenschal trägt, weil sie in jener verhängnisvollen Nacht am Hals verletzt wurde, tut er ziemlich unmissverständlich als blanken Blödsinn ab. Ein Kollege Kröbers, der im Zusammenhang mit dem Kachelmann-Prozess nicht genannt werden will, sagt: „Das ist eine Modediagnose, die zunehmend inflationär gestellt wird.“
Es gibt viele Leute, die kennen Fälle, wo Psychotherapie Schaden angerichtet hat. Am besten nie Psychotherapie machen! Es gibt viele Leute, die kennen Fälle, wo Medikamente Schaden angerichtet haben. Am besten nie Medikamente nehmen! Die meisten Menschen kennen Fälle, wo Lebensmittelskandale Schdaen angerichtet haben. Am besten nie Lebensmittel essen! Und in Warstein gibt es Fälle, wo in der Atemluft Legionellen Schaden angerichtet haben. Am besten nie atmen! Damit geht man auf „Nummer Sicher“.
Was ist ein Burn-Out? Das wird hier sehr gut erklärt. Was eine Ballerburg oder eine Klapsmühle ist, die den Einstieg ins Brückenbauen von Betroffenen in der Vergangenheit blockiert hat, wird hier allerdings nicht erklärt. Oder anders: Ich und psychisch krank? Ich doch nicht. Das sind immer die Anderen.
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Schwerpunktthema Depressionen – Neue Wege beim Kampf gegen eine unterschätzte Volkskrankheit | Sprechstunde | Deutschlandfunk
Heute ist völlig unbestritten, dass jeder Mensch, Männer wie Frauen aller Klassen, depressiv werden können und dass es sich um eine Krankheit handelt. Diese Sicht brachte für viele Betroffene mehr Verständnis und Hilfe durch moderne Behandlungsmöglichkeiten.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sprechstunde/2236618/
Audio on Demand:
http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=1&broadcast=57991&datum=20130903&playtime=1378195800&fileid=ac4942c1&sendung=57991&beitrag=2236618&/
Um an einen weiteren Punkt aus dem Interview anzuknüpfen, ich bin froh, dass Herr Bracke das Pauschale Stabilisieren in Therapien thematisiert. Wenn sich hier etwas ändert, könnte viel gewonnen sein.
Wenn du schon damit akzeptiert wirst, dass du diese Traumageschichte hast (oder vermutest), dass du Abstand vom Täter suchst, dass du dich nicht zum Verzeihen zwingen willst – was bei Therapeuten mit Zusatzausbildung Trauma häufiger gegeben sein dürfte – dann bleibt außerdem – zumindest für einen Teil der Betroffenen – wichtig, sich mit den mit der Geschichte verbundenen Gefühlen und Fragen auseinanderzusetzen und mit diesem Thema auch nicht menschlich isoliert zu sein. Dafür ist nicht immer die richtige Zeit, (Therapeuten sollen nicht im Trauma „bohren“!), aber manchmal eben doch.
In einer Traumaklinik hörte ich und in einem Buch über Systemische Traumatherapie las ich ungefähr folgendes: es werden im Gehirn jene Nervenbahnen verstärkt und dauerhaft aktiviert, die häufig gebraucht werden. Deshalb führe Konfrontation mit traumatischen Erinnerungen nur dazu, dass die entsprechendene, mit Stress/Horror/Leid verbundenen Nervenbahnen verstärkt werden, während man die Traumafolgen prinzipiell abbauen könne, indem man sich regelmäßig im guten Leben und Selbstberuhigung übe. Ich persönlich glaube das einfach nicht, auch wenn ich leider keine Ahnung habe, wie gut oder schwach die wissenschaftliche Begründung für diese Aussagen ist. Ich setze dem entgegen die Sehnsucht, mit meiner Geschichte ernstgenommen zu werden. ERNST.
Trotzdem ein kleiner Witz, den mir eine Beraterin bei Wildwasser erzählte: „verwende nicht das Wort Stabilisierung, sonst schreie ich!“.
klaraklara, dass man Traumafolgen prinzipiell abbauen könne, indem man sich regelmäßig im guten Leben und Selbstberuhigung übe – das mag auch ich nicht glauben.
Mir geht es mit dem Auseinandersetzen seit 3 Jahren besser – vorher hing ich ständig am Rand von verdrängten Abgründen und in Alpträumen …
An Hildegard und Klaraklara,
„Stablilisierung“
ja, das habe ich so auch erfahren. Und gerade im Moment kam mir der Gedanke, dass ich, als ich früher um Hilfe in der kath. KIRCHE suchte, dort auch nur so etwas wie eine „Stabilisierung“ ein „Trostpflaster“ bekam und es hat mir nicht geholfen. Erst als ich anfing mich und meine Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und tiefstem Schmerz und EKEL und Zittern zu zulassen und ich mit mir allein in meinem Zimmer war und ich dem keine Nahrung mehr gegeben habe durch Suchen nach einem „SCHULDIGEN“ für diese Gefühle im Außen und im INNEN fing ich an zu heilen und das ist bist heute so, ich werde immer freier und in mir wird es immer klarer…SELBST-LIEBE und SELBST-AKZEPTANZ hat mir letztendlich geholfen und tut es immer noch, ich habe aufgehört im AUßen nach Anerkennung zu suchen, ich lobe mich jetzt SELBST und danke MIR und EUCH dafür, dass Ihr diese Erfahrungen HIER mit mir teilt.
Danke von Elvira
ein gutes leben leben und selbstberuhigung üben – doch, mittlerweile probiere ich diesen weg. mir ist nichts anderes übrig geblieben. ich habe über 14 jahre ein notfall-netz aufgebaut, wo ich reden kann – punktuell, mit mehreren (wechselnden) professionellen, einer spirituellen adresse, genauso wie mit betroffenen. denn die verstehen mich auf eine stille art und weise, wie es eben nur betroffene tun können. und ich grabe nach meinen talenten. verholfen dazu hat mir eine klare therapie und die (manchmal schreckliche) auseinandersetzung damit. hat halt etwas länger gedauert. war auch schwer. ist manchmal schwer. heute bin ich dankbar für mein kleines leben, aber endlich MEIN leben auf friedlicherem boden, der sich nur noch gelegentlich auftut. ich lerne immer besser, damit umzugehen und es auszuhalten. mich selbst zu trösten. – und ich durchschaue mittlerweile die therapie-systeme etwas besser, u.a. deshalb, weil ich selbst auf dem weg war in diese tätigkeit. dabei bin ich dermaßen in die falsche richtung gelaufen, die alles nur noch schlimmer gemacht hat – davon erhole ich mich immer noch (mißbrauch der körperpsychotherapie nach wilhelm reich – kotz kotz kotz). bei den anonymen alkoholikern heißt es, jede lüge sei ein schritt in die krankheit. das kann ich bestätigen. wenn ich dann die systeme anschaue, den ganzen frustrierenden apparat, der damit verbunden ist, dass verwundete und verdrehte menschen schutz und hilfe finden – was soll ich davon halten, wieviele (not)lügen nötig sind, dass z.b. „traumatherapie“ oder eben die richtige vorgehensweise finanziert wird… ? kann das gehen? – und wenn ich andererseits daran denke, wie ich in meiner studentischen tätigkeit als telefonseelsorgerin „unerfahren“ und „abgeschnitten von mir selbst“ notleidenden zugehört habe… manchmal war es gut und hilfreich, manchmal bestimmt völlig unempathisch und blöd – und wer weiß, was ich anderen zugefügt habe?. Dieses thema beschäftigt mich… – die therapeutInnen und die betroffenen sind doch an sich überhaupt nicht so weit auseinander. nur wenn ich in meinen opfermodus falle, dann stehen die therapeutInnen plötzlich da oben auf dem sockel. ja, und das ist leider immer noch und immer wieder die krankheit, die absolute behutsamkeit und vorsicht auf der anderen seite erfordert, die gegebene „allmacht“ nicht anzunehmen und auszunutzen. ich nehme obigen kommentar mal als ermutigung, mich „einfach“ weiter im guten leben zu üben und in den 1000 variationen der selbstberuhigung. meine forschungsangelegenheit fürs leben: was mag ich? was tut mir gut, wenn die symptome kommen? was macht mich glücklich? wie machen andere das? (und das macht ganz manchmal sogar spass, mittlerweile – und dank meines netzes). mir hat auch das buch und ein film über victor frankl geholfen, der hat als ausschwitz-überlebender einen weg gefunden. jedes leben hat einen sinn. danke für diesen thread.
Liebe Kristina,
danke für deine lieben Worte. Du hast mich gerade daran erinnert, als du davon sprachst , dass du Telefonseelsorge gemacht hast, dass ich selber als Pfarramtssekretärin fast 10 Jahre auch versucht habe, anderen zu helfen. Ich fühle in mir tiefe Traurigkeit darüber, dass ich GELD für MESSEN und SPENDEN für das schelchte Gewissen von „TäterInnen“ zum Freikaufen von SCHULD und der ANGST vor dem TOD entgegengenommen habe. Auch ich war beteiligt am Geschäft der kath. Kirche und habe mich von dieser dafür fast 10 Jahre lang bezahlen lassen. Als der Missbrauch durch einen Priester in unserem Dorf, in dem meine ganze Familie verwickelt war, ans LICHT kam, habe ich zunächst meine Stelle gekündigt, ich konnte dort nicht mehr arbeiten und bin in Therapie gegangen und dort erlebte ich einen „Missbrauch“ nach dem anderen. 2010 bin ich aus der Kirche ausgetreten, da mir dann bewusst wurde, dass diese Institution auf ganz subtile Weise Gewalt und Macht ausübt bis Heute. Hilfe habe ich letztendlich gefunden, in dem ich immer mehr Vertrauen in die „KARFT“ das „göttliche“ in mir gewonnen habe.
Früher, wenn die Wellen des Schmerzes kamen, habe ich auch einen STEIN (Bernstein) in der Hand gehalten, weil ich etwas zum Festhalten brauchte…
Das hat mir geholfen…
L.G. von Elvira
Zitat:
„Unter der Leitung Osterheiders arbeiten in Deutschland und Finnland mehrere ärztliche, psychologische und kriminologische Forschungsteams zusammen. Dazu sollte auch eine umfangreiche Umfrage in Schulklassen der Jahrgänge 8 und 9 beitragen. Diese hat das bayerische Kultusministerium jedoch abgelehnt.
Schulen dürfen nicht als Rekrutierungsort für Probanden von wissenschaftlichen Untersuchungen missbraucht werden – gerade nicht bei Themen, die die Intimsphäre und das Selbstbestimmungsrecht der Kinder verletzen können, begründete das Ministerium die Entscheidung.
Die Fragen der Studie könnten die Intimsphäre der Jugendlichen verletzen. Der Fragebogen ziele auf intimste Bereiche. Die Jugendlichen würden mit umfassenden und detailliert dargestellten Fragen zum Sexualleben sowie zu verschiedensten Ausprägungen sexueller Gewalterfahrungen konfrontiert.<“
http://www.nordbayern.de/region/3-9-prozent-der-jugendlichen-in-bayern-sexuell-missbraucht-1.3128260?searched=true
Zitat Ende:
Dieses Forschungsteam forscht an der falschen Stelle. Vor den Orten, wo Erkenntnis erlangt werden könnte, schreckt dieses Forschungsteam zurück. Das könnte ja mal wieder zur Aufklärung führen, gel? Hätte ein Forschungsteam mir damals in der Schule so ein Fragebogen vorlegen wollen und ich hätte das Wissen von heute gehabt, ich hätte diesem Forschungsteam diesen Fragebogen links und rechts um die Ohren gehauen. Sehr geehrtes Forschungsteam, heute wäre ich so weit Ihnen Auskunft zu geben, aber nur unter einer Bedingung: Sie alle müssten mir Ihren selbst erstellten wissenschaftlichen Fragebogen ausfüllen und mir aushändigen. Sie können davon ausgehen, dass ich mich emotional perfekt in meine Schulzeit begeben kann um Ihre Fragen authentisch zu beantworten. Für eine erste Kontaktaufnahme wenden Sie sich bezüglich meiner Kontaktdaten an netzwerkB.
wollte noch nachtragen, dass ich auch Stabilisierung und gutes Leben wichtig finde, nur ist das für mich nicht alles!
weil mich das Thema auch belastet, habe ich hier nicht mehr geschrieben, danke aber für eure Erzählungen aus eurem Leben