Teilnehmer der netzwerkB Jahrestagung am 8. Juni 2013 in Scharbeutz (Foto: netzwerkB)

netzwerkB Jahrestagung 2013 

Gedankliche Anstöße durch zwei Vorträge

Katharina Micada vom netzwerkB hielt einen Vortrag, in dem sie die Rolle der Familie beleuchtete, als diejenige Institution, in der Opfer sexualisierter Gewalt ihre erste Konditionierung ins Opferdasein erhalten (gesamte Rede als PDF herunterladen).

Das Hauptaugenmerk der Enthüllungswelle von 2010 war auf institutionelle Opfer gerichtet, die sexualisierte Gewalt in Kirchen, Schulen, oder z.B. Sportvereinen erlitten hatten, was aber lediglich 20 Prozent der Opfer ausmache, wobei eben die 80 Prozent Familienopfer überhaupt nicht in den Fokus genommen worden waren. Opfer erfahren die Familie als rechtsfreien Raum.

Micada argumentierte, dass die Politik durch eine konsequent durchgeführte Gesetzesreform Rahmenbedingungen schaffen müsse, die das Problem sexualisierte Gewalt in der Familie an der Wurzel ausreißen würde.

Schweden gibt hier eine gute Fallstudie ab: 1979 wurde ein Kinderschutzgesetz eingeführt, welches psychische und physische Gewalt gegen Kinder klar als Verbrechen einstufte. Gleichzeitig mit einer konsequenten Anwendung des Gesetzes wurde eine Bildungskampagne durchgeführt, die Information über gewaltfreie Erziehung an alle Haushalte verteilte. Indem man ein falsches Schonen von Eltern die kriminell handelten – also Gewalt an ihren Kindern anwendeten – beendete und gleichzeitig einen Paradigmenwechsel mit Information und Bildung unterstützte, schaffte es Schweden, innerhalb einer Generation einen deutlichen Unterschied zu machen und Gewaltfreiheit in der Erziehung von Kindern als Norm zu verankern.

Für Deutschland sollte eine solche Veränderung neben einer Verschärfung des Gesetzes zum Schutz der Kinder vor erzieherischer Gewalt die Abschaffung der Verjährungsfristen für Sexualdelikte gegen Kinder – was der weitverbreiteten Bagatellisierung dieses Verbrechens den Boden entziehen würde- , eine Anzeige- und Meldepflicht, und eine Bildungskampagne über gewaltfreie Kindererziehung beinhalten. Dies könne eine Umgebung schaffen in der eine Kultur des Hinsehens gedeihen könnte.

Thomas-Gabriel Rüdiger, Kriminologe an der Fachhochschule der Polizei Brandenburg in Oranienburg, gab eine sehr interessante Einführung in neuere Entwicklungen bezüglich sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Internet: Cybergrooming.

Eindringlich verdeutlichte er, dass Aktivitäten im Netz viele neue Möglichkeiten geschaffen haben, wie Täter an Kinder und Jugendliche herankommen.

Viel öffentliche Aufmerksamkeit gilt diesbezüglich den Chatrooms und es gibt ja auch immer wieder Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, die sich dort angebahnt hatten.

Herr Rüdiger klärte aber auch darüber auf, dass gerade die mittlerweile so beliebten online Spiele – da sie eine Kommunikationsfunktion enthalten – sich meistenteils zu gefährlichen Tummelplätzen für Pädokriminelle entwickelt haben. Unwissende lassen sich gerne von kinderfreundlich klingenden Namen oder entsprechend aussehender graphischer Gestaltung täuschen. Täter spielen mit, als Gleichaltrige getarnt, bauen Vertrauen auf und üben dann Druck auf die Kinder aus, dass sie ihnen z.B. Fotos schicken sollen, die dann wiederum als Erpressungsmittel benutzt werden (Drohung: das wird auf sozialen Netzwerken freigeschaltet) um z.B. weitere enthüllende Fotos zu bekommen.

Die Spiele werden immer als kostenfrei beworben, bieten aber die Möglichkeit virtuelle Spielfiguren zu erwerben – auch wieder ein Einstieg für Täter, die Kindern diese Figuren versprechen im Austausch für Fotos.

Nicht alle Täter zielen auf ein physisches Treffen mit den Kindern ab – die Anbahnung eines Treffens, also die Kommunikation davor ist derzeit nicht strafbar.

Hier besteht Handlungsbedarf, der allerdings nicht nur auf nationaler Ebene angegangen werden sollte, da das Internet global agiert. Ein umfassendes Internetstrafrecht ist derzeit nicht zu erwarten.

Wiederum sind die Eltern gefragt, genauer hinzusehen und sogar mit ihren Kindern diese Spiele zu spielen, um sich ein klares Bild über potentielle Gefahren zu machen und mit ihren Kindern darüber zu reden.

Auch hier sind Kinder von dysfunktionalen Familien im Nachteil und werden leichte Beute für die Täter.

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