Das neue Team von netzwerkB (v.l. Tina Anandi, Katharina Micada, Dr. Marcella Becker, Norman Schulz, Beate Lindemann-Weyand, Norbert Denef – Foto: netzwerkB)

Die Mitgliederversammlung von netzwerkB hat am 8. Juni 2013 in Scharbeutz ein neues Team gewählt.

Mitglieder und Freunde aus ganz Deutschland haben an der netzwerkB Jahrestagung teilgenommen – Norman Schulz (Beirat netzwerkB) ist aus den USA angereist.

Ein großes Dankeschön an alle Teilnehmer!

Ihr neues netzwerkB Team
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Bericht des Vorstandes vom 15.04.2012 bis 08.06.2013

Wofür setzen wir uns ein?

Die Anzahl der Mitglieder von netzwerkB ist von April 2012 bis Juni 2013 von 186 auf 907 gestiegen.

netzwerkB, das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt, hat seine Wurzeln in einer Selbsthilfegruppe, in der bereits
1993 Frauen und Männer gemeinsam über die von ihnen erlebte sexualisierte Gewalt sprachen. Das Netzwerk, das sich über Jahre bildete, fand im April 2010 mit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins einen formellen Rahmen. Seitdem sind wir auf 907 Mitglieder gewachsen und es werden täglich mehr.

Viele unserer Mitglieder leiden schwer unter den Folgen
der ihnen zugefügten Gewalt. Sie leben nicht selten am Existenzminimum und haben Probleme ihr Leben zu organisieren oder soziale Bindungen einzugehen. So finden sie sich oft vom gesellschaftlichen Dialog ausgeschlossen. Wir vertreten ihre Interessen und wollen nachhaltige Veränderungen schaffen, indem wir die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändern, die sexualisierte Gewalt möglich machen.

Sexualisierte Gewalt ist ein Verbrechen, das eng verbunden ist mit Nicht-Sprechen, mit Schweigen. Schweigen, aus Angst, Scham und Schuldgefühlen. Schweigen, weil man schweigen muss. Schweigen, weil beim Sprechen alles kaputt zu gehen droht: Familien zerbrechen würden, nichts mehr so wäre wie zuvor. Schweigen, weil man durch das Sprechen zum Außenseiter würde. Schweigen, weil Sprechen so schwer ist. Schweigen, weil die Gesellschaft Opfer stigmatisiert.

Sexualisierte Gewalt ist kein Knochenbruch, der einige Zeit schmerzt und dann wieder verheilt. Betroffene von sexualisierter Gewalt leiden ihr ganzes Leben.

Als Gesellschaft müssen wir dies anerkennen. Wir müssen verstehen, dass sexualisierte Gewalt und Schweigen Hand in Hand gehen. Wir müssen verstehen, dass Opfer nicht sprechen können. Wir müssen den Opfern zugestehen, dass sie selbst entscheiden, ob oder wann sie ihr Schweigen brechen, denn das Sprechen tut unendlich weh. Opfer leiden ihr Leben lang und viele können nie darüber sprechen.

In den Mittelpunkt der Arbeit stellt netzwerkB Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die von sexualisierter Gewalt, psychischer und physischer Gewalt und ihren Folgen betroffen oder gefährdet sind. Die Vereinigung versteht sich als deren Interessenvertretung und will die gesundheitliche, soziale und rechtliche Situation der Betroffenen verbessern.

Vereinsleitung vom 15.04. bis 08.06.2013

Gesetzlicher Vorstand:
Norbert Denef
Erweiterter Vorstand:
Dr. Marcella Becker, Susanne Schröder

Aus persönlichen Gründen konnte Susanne Schröder sich im vergangenen Zeitraum nicht so stark einbringen wie geplant. Den Vertretungsfall hat Katharina Micada übernommen. Dafür hier an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön!

Aktuell ist die Satzung vom 10.04.2010 mit den Änderungen vom 07.08.2010.

Kassenlage

Vermögen zum 08.06.2013 = 6.500 Euro
Kontostand Stiftung = 1.530 Euro

Runder Tisch in Berlin

Andreas Huckele, Beirat netzwerkB, bringt in seinem neuen Buch „MACHT, SEXUALITÄT, GEWALT“ die aktuelle Situation mit dem Runden Tisch auf den Punkt.

Zitat:
Im Frühjahr 2010 wurde der Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch von gleich drei Bundesministerinnen (Schröder/ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Schavan/ Bundesministerium für Bildung und Forschung, Leutheusser-Schnarrenberger/ Bundesministerium der Justiz ) ins Leben gerufen. Der erste Satz auf der Homepage des Runden Tisches dient der Kultivierung der Lüge: Kinder stehen in unserem Land unter besonderem Schutz. In den Ohren der Misshandelten kann das nur zynisch klingen!

Parallel zur Einrichtung des Runden Tisches wurde die Unabhängige Beauftrage der Bundesregierung zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs ernannt, in Persona Bundesministerin a.D. Dr. Christine Bergmann, deren rund 250 Seiten starker Abschlussbericht im November 2011 beschlossen wurde. Der Bericht dokumentiert, dass die Informationen über sexualisierte Gewalt an Kindern der Politik vorliegen, zumindest in Form von duldsamem Papier. Als Information. Die Fakten sind nun bekannt, es könnte jetzt gehandelt werden. Aber wie verhält sich die parlamentarische Politik zum Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung?

Besucht man den Amtsnachfolger von Dr. Bergmann, Johannes-Wilhelm Rörig, in seinem Büro in Berlin, ist es mehr als eine Höflichkeit, dass man an der Pforte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von einer Mitarbeiterin von Rörigs Geschäftsstelle abgeholt und über die Verwinkelungen des modernen Gebäudes zu Rörigs Büro geleitet wird, das sich am Ende eines kurzen Flures im sechsten Stock des Ministeriums befindet. Ohne Hilfe würde man den Weg über die beiden Aufzüge kaum finden. Die offenen Bürotüren in der Geschäftsstelle lassen auf dem Weg zu Rörigs Büro am Ende des Flures kurze Blicke auf die Gesichter an den Schreibtischen zu. In Fußballmannschaftsstärke wird hier am Thema gearbeitet. Ohne Ersatzspieler. Einschließlich Johannes-Wilhelm Rörig 11 Personen für 80 Millionen.

Was können der Unabhängige Beauftragte und seine Geschäftsstelle leisten? Und was nicht?

Der Unabhängige Beauftragte und seine Geschäftsstelle verfügen über ein jährliches Budget von rund 1,5 Millionen Euro. Eine Schule mit 800 Schülerinnen und Schülern kostet allein mehr an Personal. Die Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ kostet auf zwei Jahre verteilt 400.000 Euro. Die Rückläufe über deren Wirksamkeit sind bisher zufällig. Eine Evaluation steht aus. Verbindlichkeiten über die Umsetzung der Kampagne gibt es mit den pädagogischen Einrichtungen als Endverbraucher keine. Wirksamer als das Angebot einer Kampagne wäre die Zertifizierung von pädagogischen Einrichtungen auf der Basis von Qualitätsstandards auf den drei Säulen von Gewaltprävention, Gewaltintervention und Sexualpädagogik. Vielleicht ein nächster Schritt? Nicht mit diesem Budget und dieser Teamgröße.

Der Unabhängige Beauftragte ist auch Mitglied des Lenkungsausschusses des Hilfefonds zur Soforthilfe für die Betroffenen sexualisierter Gewalt. Antragsstellung ab Mai 2013. Zunächst für die Betroffenen sexualisierter Gewalt aus den familiären Kontexten, für die Betroffenen aus den Institutionen gibt es noch kein Datum. 2010 war ja auch erst gestern. Soforthilfe nach drei Jahren. Ein Paradox. Die Leistungen des Hilfefonds wird es als Sachleistungen geben. Ein Dialog zwischen Mündigen wird das nicht werden.

Von den zugesagten 100 Millionen Euro Soforthilfe für die Betroffenen sexualisierter Gewalt haben die Länder ihren Anteil von 50 Millionen noch nicht zur Verfügung gestellt. Die Gelder werden auf Grund unterschiedlicher konzeptioneller Vorstellungen von Bund und Ländern bisher seitens der Länder blockiert, jetzt startet der Bund mit seinem Anteil von 50 Millionen Euro ohne die Länder. Die amtierende Politik als dysfunktionale Familie. Streiten sich Mama und Papa, haben die Kinder das Nachsehen.

Die Regierung hat das Thema sexualisierte Gewalt an den Unabhängigen Beauftragten ausgelagert, so wie die Odenwaldschule das Thema an eine unabhängige Stiftung ausgelagert hat. Der Wille und die fachliche Kompetenz von Rörig und seiner kleinen Mannschaft, für die Agenda der Betroffenen aktiv zu sein, sind nicht die entscheidenden Faktoren für deren Erfolg.

Maßgeblich für die Wirksamkeit von Rörigs Arbeit ist die Budgetierung seiner Arbeitsgruppe, deren personelle Besetzung und deren Mandatierung mit wirksamen Instrumenten. Die Einrichtung des Unabhängigen Beauftragten war vor drei Jahren ein sinnvoller erster Schritt der Regierenden. Es hätten viele folgen müssen. Es blieb bei Feigenblättern, Almosen und wenigen Tropfen auf die heißen Steine.

„Herr Rörig verwaltet das Versagen der Politik“, so Norbert Denef, der Vorstandsvorsitzende von netzwerkB, dem Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.

Lässt sich Herr Rörig in seiner Position als Unabhängiger Beauftragter von der Bundesregierung instrumentalisieren? Wäre es nicht konsequenter von ihm gewesen, den Auftrag der Regierenden mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln und Instrumenten als unbewältigbare Aufgabe zurückzuweisen? Vielleicht eine Gewissensfrage.

Von den Betroffenen sexualisierter Gewalt gibt es viel Kritik an denen, die seit 2010 in Form von Forschungsgeldern, Posten und Arbeitsplätzen von der Wachstumsbranche Missbrauch profitieren. Nützt diese Branche den Betroffenen? Oder nützt diese Branche hauptsächlich sich selbst? Aber wem nützt es, denen Vorwürfe zu machen, die tun, was sie tun können? Wäre es besser nichts zu tun, als wenig? Auch wenn es oft zu wenig ist?

Eine angemessene qualitative und quantitative Antwort der Bundesregierung auf die Erkenntnisse seit 2010 sieht jedenfalls anders aus als eine am Rande des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelte Arbeitsgruppe aus teilweise abgeordneten Mitarbeitern aus demselben unter der Führung eines fachfremden Unterabteilungsleiters. Wer jemandem eine solche Aufgabe zumutet, der muss ihn auch mit ausreichend langen Hebeln und lautstarken Megaphonen ausstatten.

Irritierend ist auch die erneute Befristung der Arbeit des Unabhängigen Beauftragten bis zum Jahresende 2013. Denkt da jemand, das Problem löst sich plötzlich in Luft auf? Ist das Thema doch nicht in der Politik angekommen? Im Gegensatz zu Zwangsarbeitern, Contergangeschädigten und Holocaustüberlebenden werden die Betroffenen sexualisierter Gewalt nicht aussterben.
Zitatende

Verjährungsfristen

Am 14. März 2013 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs verabschiedet, namens StORMG – SPD, Linke und Bündnis90/Grüne haben sich enthalten.

Auf Grund der Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag hat die Regierungskoalition CDU/CSU/FDP beschlossen, dass es ausreichend sei, die Hemmungsregelung im Strafrecht von 18 auf 21 Jahre zu erhöhen und die Verjährungsfristen im Zivilrecht bei so genannten „leichten“ Fällen von 3 auf 30 Jahre zu erhöhen.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben sich dafür ausgesprochen die Hemmungsregelung von 18 auf 25 Jahre zu erhöhen, so wie im Zivilrecht ebenfalls die Verjährungsfristen auf 30 Jahre zu erhöhen.

Die SPD will die Hemmungsregelung bei Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen von 18 auf 30 Jahre heraufzusetzen und die gesamte Verjährungsfrist auf 20 Jahre erhöhen. Im Zivilrecht will sie ebenfalls die Verjährungsfristen auf 30 Jahre anheben.

Manuela Schwesig hat kürzlich in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden von netzwerkB bestätigt, dass letztendlich die Aktionen von netzwerkB maßgeblich dazu beigetragen haben, dass überhaupt noch einmal im Deutschen Bundestag über das Thema Verjährungsfristen gesprochen wurde. Denn der Runde Tisch hatte sich in seinem Abschlussbericht im November 2011 gegen die Verlängerungen von Verjährungsfristen ausgesprochen. Dagegen hat netzwerkB protestiert und in einem Bericht der Tagesschau, vom 30.11.2011, diesen Vorgang als Verrat an den Betroffenen bezeichnet.

Um Gesetze zu ändern, braucht man einen langen Atem – deshalb muss netzwerkB noch stärker werden, um den Druck auf die Politik zu erhöhen!

Aktivitäten

Auf unserer Internetplattform wurden seit Bestehen von netzwerkB 2.327 Artikel und 13.717 Kommentare redaktionell bearbeitet. Unsere Website hatte 721.545 Besuche. Unsere Geschäftsstelle bearbeitete seit der Gründung von netzwerkB 8.030 Telefonanrufe und 16.514 Zuschriften. Es ist ein pausenloser Betrieb, den wir ehrenamtlich leisten.

Öffentlichkeit

Wir treten im Vorstand, dem Team und vielen Helferinnen und Helfern mit hohem Engagement in die Öffentlichkeit und haben uns als feste Ansprechpartner für die Presse etabliert.

In der Pressearbeit war netzwerkB bisher aktiv mit 190 Pressemitteilungen, 42 Radiointerviews, 83 Fernsehbeiträgen und 376 Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften. Wir nahmen an Konferenzen und Veranstaltungen teil und organisierten Demonstrationen und Petitionen.

Auf dem Bundesparteitag der SPD im Dezember 2011 durfte der Vorsitzende eine Rede halten, die stehenden Applaus fand. Im Sommer 2012 trat eine Gruppe von Mitgliedern in den Hungerstreik, darunter der Vorsitzende für 46 Tage, als wir feststellen mussten, dass den Worten der Politik keine Taten folgten.

Warum brauchen wir Unterstützung?

Um die Arbeit von netzwerkB verstärkt fortführen und den politischen Druck für die dringend notwendigen Veränderungen deutlich erhöhen zu können, sind wir auf eine solide finanzielle Basis mit einem vernünftigen personellen Einsatz angewiesen. Mit dem reinen Ehrenamt allein und den geringen Mitgliedsbeiträgen ist gegen den Lobbyismus der politischen Gegner nicht anzukommen.

Förderung würde bedeuten, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können. Sie würde uns auch helfen, in der Zukunft mehr für die Betroffenen und mehr mit den Betroffenen arbeiten zu können.

Wir bedanken uns bei allen Mitgliedern und Freunden von netzwerkB die den Verein unterstützen!

Mit herzlichen Grüßen

Dr. Marcella Becker, Katharina Micada, Norbert Denef

Jetzt netzwerkB noch stärker machen …