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Am 27. September 2012, etwa ab 20 Uhr abends, besprach der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf des SPD-Bundestagsfraktion für eine „Verlängerung der straf- und zivilrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen“.

Damit wurde der Entwurf vom 9. Oktober 2010, der immerhin, wenn auch verhalten, den Forderungen von netzwerkB entgegenkommt, erstmalig behandelt. Der Tagesordnungspunkt geht nun auf einen besonderen Geschäftsordnungsantrag der SPD zurück.

Vertreter von netzwerkB waren auf der Zuschauertribüne anwesend, um die Debatte zu verfolgen, darunter Norbert Denef. Die Video-Dokumentation befindet sich hier:
http://www.bundestag.de/Mediathek

Zu diesem Zeitpunkt waren im Bundestag noch 20 Personen vertreten, von denen sich einige dann zu Beginn des Tagesordnungspunktes auf den Heimweg machten.

Sonja Steffen, SPD, wies darauf hin, dass das Erlebte lange in den Betroffenen ruht, auch in einer Zeit, wo die Betroffenen eigene Familien haben. Um sich dem Täter zu stellen, brauchen sie viel Unterstützung. Sie bemängelte, dass auch die Empfehlungen des Runden Tisches nicht umgesetzt wurden. Die Täter profitieren davon, dass die Opfer aufgrund von Angst und Scham oder sogar Drohungen des Täters über die Fristen hinaus schweigen. Steffen wies auf die Widersprüchlichkeiten der jetzigen Gesetzgebung hin. 6 von 8 Experten sprachen sich bei einer Anhörung 2011 für eine Modifizierung der Fristen aus. Bis heute sei nichts passiert.

Ansgar Heveling, CDU/CSU, erläuterte, warum der Entwurf bislang nicht behandelt worden war. Insbesondere die Skandale in konfessionellen und nichtkonfessionellen Einrichtungen haben alle schockiert. Das Vorgehen der SPD sei aber nicht zielführend, weil das Thema komplexer sei. Man behandele zudem einen eigenen Entwurf in der Koalition. Man sehe das Thema Verjährungsfrist mit großer Sympathie, müsse aber überlegen. Eine Strafrahmenerhöhung könnte auch die Fristen erhöhen. Auch eine Hemmung der Verjährung sei ggf. zu verlängern. Man sei zuversichtlich, eine Regelung finden zu können.

Halina Wawzyniak, DIE LINKE, wies darauf hin, dass sich alle Fraktionen für eine Verlängerung der zivilrechtlichen Fristen aussprechen. Eine Hemmung der Verjährung alleine reiche nicht aus. Man stehe der Verlängerung der strafrechtlichen Fristen skeptisch gegenüber.

Christian Ahrendt, FDP, fand die Verlängerung nicht zielführend.
Beweismittel würden nicht gesichert, die Zeugen verlören ihr Erinnerungsvermögen. Entscheidend sei es, dass es früh zur Anzeige komme. Das Opfer müsse den Mut haben, die Tat anzuzeigen.

Ingrid Hönlinger, B90/GRÜNE, wies darauf hin, dass auch die Grünen einen Entwurf gemacht haben, um die rechtliche Stellung von Opfern zu verbessern. Sie sehen eine Notwendigung der Verbesserung im Zivilrecht. Im Zivil- und Strafrecht wolle man die Hemmung verlängern. Die Aufhebung der Hemmung, wie es die Regierung vorsehe, sei ein falsches Signal. Sie kritisierte am Entwurf der Regierung, dass die Fristen auch für sonstige vorsätzliche Verletzungen von Körper und Gesundheit verlängert werden sollen.

Thomas Silberhorn, CDU/CSU, wies darauf hin, dass die psychologischen Schäden irreparabel seien, die Opfer ihr Leben lang leiden. Er wies darauf hin, dass auch die Informationsrechte von Opfern verbessert werden müssen. Er betonte die Notwendigkeit der Verlängerung im zivilrechtlichen Fristen, das sei Konsens. Die Reform müsse aber breiter aufgestellt werden, mit einem ganzen Maßnahmenkatalog.

Marlene Rupprecht, SPD, stellte fest, dass auch der Entwurf der Regierung hänge, ohne das darüber mit den anderen Fraktionen gesprochen werde. Sie wies auf die Konvention und die Richtlinie der EU hin, die hier einfließen müsse, sowie der UN. Dazu zähle Prävention, Schutz der Rechte der Opfer, Strafverfolgung, Strategien für ein internationales Zusammenwirken.

Danach wurde dieser Tagesordnungspunkt geschlossen. Offenkundig waren alle Redner darüber betroffen, dass keine Lösungen für den Opferschutz zustande kommen. Die Ursachen konnte und wollte niemand nennen.

netzwerkB fordert die Bundestagsfraktionen auf, gemeinsam (!) einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten, der den Opfern wirklich hilft. Dazu zählen:

  • die Verlängerungen der Fristen für alle vorsätzlichen Verletzungen von Körper und Gesundheit,
  • die völlige Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen
  • die Meldepflicht und Anzeigepflicht für Dritte
  • mehr Informationsrechte für Betroffene
  • angemessene Entschädigungen, die dem Rechnung trägt, welche Einbußen und Kosten entstehen, wenn Opfer in ihrem Leben beeinträchtigt sind und teilweise sogar über Monate und Jahre in stationäre Therapien gehen müssen


Für Journalisten-Rückfragen:
netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
Norbert Denef, Vorsitzender
Telefon: +49 (0)4503 892782
Mobil: +49 (0)163 1625091
norbert.denef@netzwerkb.org
www.netzwerkB.org
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