Ich bin 1962 mit 9 Monaten in das Vinzenz Kinderheim in Bochum gekommen. Wir waren damals 23 Kinder in einer Gruppe. Teilweise haben wir in Schlafräumen genächtigt mit 8 Kindern. Nonnen waren unsere täglichen Begleiter. Es gab oftmals mehr Schläge (Handfeger bzw. Kleiderbügel) als was zu essen. Diese Gewalt war unerträglich, und spiegelte sich auch in unserer Entwicklung immer wieder. Vertrauen zu anderen aufbauen war da schon sehr schwer. Wenn ich mich an meine Schulzeit zurück erinnere, gab es da nicht einen Tag, wo es nicht eine Schlägerei in der Schule gab, weil wir als Heimkinder geächtet waren. Raus aus dem Heim, sich mit Mitschülern treffen und da durch evtl. Freundschaften aufbauen war überhaupt nicht möglich. Du bist überhaupt nicht rausgekommen, weil das Heim umzäunt und gesichert war wie ein Staatsgefängnis. Dein Leben spielte sich nur dort ab, von draußen hast du überhaupt nix mitbekommen. Mit zunehmendem Alter wurde es dann immer schlimmer. Dann kamen nämlich die sexuellen Übergriffe der größeren, wo man sich als 10 jähriger überhaupt nicht wehren konnte. Den Nonnen brauchte man sich bezüglich dessen überhaupt nicht anvertrauen, weil, so etwas gab es in einem katholischen Heim nicht, und wurde totgeschwiegen. Somit wurde ich über Jahre sexuell missbraucht, wo ich heute noch extrem drunter leide. Alpträume auf Grund dieser Übergriffe holen mich ständig aus meinem Schlaf. Durchschlafen ist kaum mehr möglich, da mich diese Bilder stets verfolgen.

Ich sehe es heute so. Ich habe damals 15 Jahre Gefängnis bekommen, obwohl ich mit Sicherheit als Kind von gerade mal 9 Monaten nichts verbrochen hatte, was hätte so bestraft werden müssen. Oder es war allein die Strafe dafür, dass ich überhaupt auf diese Welt kam.

Thorsten Hölscher