Offener Brief an:

Herrn
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Schoferstraße 2
79098 Freiburg

4. Juli 2012

Hungerstreik von Norbert Denef

Sehr geehrter Herr Dr. Zollitsch,

ich bin dankbar und glücklich, dass sich der Theologe und langjährige ZDF-Redaktionschef von „Kirche und Leben“, Professor Dr. Michael Albus und der Theologe, kath. Priester (inzwischen laisiert) und Facharzt für therapeutische Medizin, Dr. med. Ludwig Brüggemann (geb. 1939) die Arbeit und Mühe gemacht haben, obiges Buch zu publizieren. Es ist die erschütternde Analyse und Bankrotterklärung der „moralischen Instanz“ Ihres Unternehmens.
Auf Seite 219 des aufrüttelnden Buches lautet das Kapitel: „Verschleiern und Vertuschen“.
Die Autoren zitieren einen Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 10. Juli 2010:
Der Freiburger Erzbischof Zollitsch hat eingestanden, in den 90-er Jahren erheblich früher von sexuellen Übergriffen eines Geistlichen erfahren zu haben als bisher dargestellt.
Wenige Tage später wurde Robert Zollitsch in einem Interview der FAZ-Sonntagszeitung (18. Juli 2010) nochmals auf die Geschichte angesprochen. Auf die Frage, warum er in einer Stellungnahme vom März 2010 nicht erwähnt habe, dass 1992 die Aussage eines Opfers vorlag, antwortete Zollitsch:
„Die Stellungnahme im März mussten wir unter enormen Zeitdruck formulieren  — ohne die Unterlagen und Schriftwechsel, mit denen sich die zeitlichen Abläufe genau rekonstruieren lassen. Die Vorgänge von 1992 und die von 1995, als sich der Pfarrer später das Leben nahm, hatten sich nach so vielen Jahren in meinem Gedächtnis ineinander verschoben…“

Bei derartigen Aussagen wird jedem Menschen speiübel. Das ist typische vatikanische Rhetorik. Die Verbrecher von Auschwitz hatten ähnliche Gedächtnislücken und waren sich keiner Schuld bewusst.

Wie Sie bis zur Stunde mit der Behandlung der sexuellen Missbrauchsopfer umgehen, ist skandalös, bestätigt allerdings nur Ihren seit Jahrhunderten professionell betriebenen Kurs von „Vertuschung & Totschweigen“. Lügen ist ein Privileg von Katholiken, weil sie sich durch Beichte und einen immer noch erhältlichen „vollkommenen Ablass“ von Schuld & Sünde loskaufen können.

Nach wie vor versuchen Sie, die Missbrauchsopfer kostengünstig abzuspeisen und zum Stillschweigen zu bringen. Was Sie mit Ihren Bischofskollegen veranstalten, schreit zum Himmel. Wahrscheinlich leidet die Kirchenleitung an einem „Borgia-Syndrom“, wo die Lust der Machthaber zur Last der Opfer wird.
Der Münchner Strafrechtler Thomas Pfister hatte in einer einzigartigen und mühevollen Aufklärungsarbeit, den Skandal des Benediktinerklosters Ettal ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Mit einem Gegengutachten sollte seine Qualifikation angezweifelt werden. Und die verachtenswerte Klosterleitung wurde wieder mit Unterstützung von Papst Benedikt XVI. in Amt und Würden gebracht. Schlimmer geht es gar nicht.

Und nun der öffentliche Aufschrei von Norbert Denef, der am 8. Juni 2012 in den Hungerstreik getreten ist. Wann bewegen Sie sich endlich erkennbar in christlicher Gesinnung. Wir brauchen keinen Glaubenshüter Gerhard Müller, der für die Reinheit der katholischen Lehre sorgen soll. Wir brauchen Menschen, die sich um sexuell missbrauchte Opfer kümmern, und zwar mit unbürokratischen Mitteln.

Mit hoffnungsvollem Gruß

Roland R. Ropers

Quelle: http://netzwerkb.org/wp-content/uploads/2012/07/ZOLLITSCH-Erzbischof-Sexueller-Missbrauch-4.-Juli-2012.pdf