Offener Brief an:

Manuela Schwesig, Stellvertretende Parteivorsitzende der SPD
Wilhelmstraße 141
10963 Berlin
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manuela.schwesig@spd.de


(Foto kurz nach der Rede von Norbert Denef auf dem Bundesparteitag der SPD am 6. Dezember 2011 – Manuela Schwesig signalisierte unmissverständliche Zustimmung für die Aufhebung der Verjährungsfristen)

Sehr geehrte Frau Schwesig,

vielen Dank für ihre verständnisvollen Worte. In ihrem Brief vom 30. Mai 2012 betonen sie vor allem, dass Aufhebung der Verjährungsfristen bei sexualisierter Gewalt das einzig Gerechte für Betroffene sein kann. Solange Sexualstraftäter unter dem Schutz dieses fragwürdigen Gesetzes der Verjährungsfristen für sexualisierte Gewalt stehen, fehlt in unserer Gesellschaft die soziale Gerechtigkeit. Im Gegensatz aber bestehen die Rechtsdogmatiker auf Einheitlichkeit unserer Rechtssprechung und behaupten, Verjährungsfristen müssten sich nach dem Strafhöchstmaß richten. Uns aber geht es nicht um Strafen, sondern um Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt, die eben unserer Auffassung mit unserer Rechtssprechung verfolgt werden sollte. Für diese so notwendige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft ist es nötig, das Gerechte in den Vordergrund zu stellen, was nur eine Aufhebung der Verjährungsfristen bedeuten kann.

Aus diesen Gründen können wir ihre Position, dass eine Verlängerung ein erster Schritt wäre, nicht teilen. Wir wollen eine tiefgreifende Reform unseres Systems, die unsere Gesellschaft wach rüttelt. Der erste Schritt muss daher signalisieren, dass wir Sexualstraftaten nicht länger verharmlosen und durch Recht und Gesetz die Betroffenen schützen. Wir müssen gesellschaftlich zeigen, was gesunde, psychische Entwicklung für unsere Gesellschaft bedeutet. Eine bloße Verlängerung würde bedeuten, dass viele Millionen Betroffene wieder für lange Zeit schweigen müssten, weil das Gesetz es ihnen vorschreibt.

Verlängerung der Verjährungsfristen ist weiterhin Täterschutz. Traumatisiert ein Täter den Betroffenen genügend, steht er weiterhin unter Schutz des Gesetzes. Es ist paradox aber je schamvoller die Tat für den Betroffenen, je brutaler der Täter mit der Psyche des Betroffenen umgeht, desto größer seine Chance, sich Recht und Gesetz zu entziehen. Am Ende gehen dann gerade die Betroffenen leer aus, die es am härtesten getroffen hat. Die Ungerechtigkeit besteht weiter.

Machen Sie sich daher stark für die Aufhebung der Verjährungsfristen, seien Sie eine der ersten Politiker/innen, die uns bei unserem Weg begleitet und unterstützt. Da nun nur wenige die Jahrzehnte währende Scham, Angst und die Selbstzweifel von Betroffenen verstehen, haben sich bereits 5 Mitglieder von netzwerkB zu einem Hungerstreik entschieden und es könnten durchaus noch mehr folgen:
http://netzwerkb.org/category/meldungen/hungerstreik/

Dies ist keine Form der Erpressung, sondern eine Form des passiven Widerstands, die allerdings auch unser Leiden eindringlicher verdeutlicht und zum Hinhören aufruft. Die Form des Umgangs mit Betroffenen, das weitere Schweigen über sexualisierte Gewalt wollen wir nicht weiter erdulden und daher haben wir uns dazu entschieden.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Denef


Für Journalisten-Rückfragen:
netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
Norbert Denef, Vorsitzender
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