netzwerkB 23.05.2012

netzwerkB im Gespräch mit Andrea Voßhoff, MdB und rechtspolitische Sprecherin der CDU

Der Murks mit den Verjährungsfristen

Berlin/Scharbeutz – Es war sehr heiß in Berlin, 30 Grad im Schatten, als sich Andrea Voßhoff, rechtspolitische Sprecherin der CDU, am 23. Mai 2012 mit netzwerkB im Deutschen Bundestag traf. Wir sprachen mit ihr über die Aufhebung der Verjährungsfisten. Trotz drückender Temperaturen hat dieses Gespräch netzwerkB Mut gemacht, denn Frau Voßhoff positioniert sich überraschender weise klar auf Seiten von netzwerkB.

netzwerkB:
Betroffene sexualisierter Gewalt fordern von der Politik die Aufhebung der Verjährungsfristen, weil das eine Signalwirkung hat und dadurch eine Anerkennung der Schäden in der Gesellschaft stattfinden würde. Werden Sie uns dabei unterstützen?

Andrea Voßhoff:
Wir von der CDU unterstützen Ihr Anliegen. Die Aufhebung der Verjährungsfristen generell, das müssen Sie auch in der Rechtssystematik sehen, ist natürlich nicht so einfach. Es ist zwischen der Koalition, also CDU und FDP, thematisiert worden. Wenn die zivilrechtlichen Verjährungsfristen verlängert werden, war es zumindest auch ein Anliegen bei uns in der Union, dass wir das auch in gleicher Weise bei den strafrechtlichen Verjährungsfristen tun. Unser Argument ist vielschichtig. Wenn wir unter anderem die zivilrechtlichen Verjährungsfristen verlängern, hilft es den Opfern ja nur begrenzt. In der Regel sind Zivilvefahren schließlich an staatsanwaltlichen Ermittlungen gekoppelt. Hier ergibt sich unter Umständen eine andere Beweislage für das Zivilverfahren. Sie müssen mich nicht inhaltlich überzeugen. Als Jurist sage ich, es gibt bestimmte Grenzen der Ausgestaltung. Unser Anliegen ist auch, dass wir das Alter herauf schrauben wollen, ab wann die Verjährungsfrist beim Opfer beginnt. Wir würden aber gern noch weiter gehen, Ihr Anliegen auch unterstützen. Wir haben zur Zeit nur das Problem, dass wir derzeit bei den Liberalen dort auf Widerstand stoßen. In dieser Frage gibt es keine Einigung. Wir meinen, dass sich bei der Verlängerung oder Aufhebung strafrechtlicher Verjährungsfristen eine Menge noch tun muss. Das könnten wir wunderbar in diesem Opferschutzgesetz, was zur Zeit im parlamentarischen Verfahren ist, unterbringen. Da würde es auch von der Systematik passen. Wir entscheiden das Thema innerhalb der Koalition, deshalb haben wir es auch hinausgeschoben, weil wir erst die Ergebnisse des Runden Tisches abwarten wollten. Der Runde Tisch hat sich nach meinen Kenntnisstand zu dieser Frage ja leider nicht positiv geäußert.

netzwerkB:
Der Runde Tisch hat in seinem Abschlussbericht im November 2011 mit deutlicher Mehrheit beschlossen, dass die Verjährungsfristen ausreichend lang seien, gleichwohl die wissenschaftliche Begleitforschung durch Prof. Fegert klar und deutlich ausgesagt hat, dass die Verjährungsfristen ganz abgeschafft werden müssen. Diese Fehlentscheidung des Runden Tisches wurde bisher von der Bundesregierung mitgetragen und deshalb spricht netzwerkB hier von Verrat an den Betroffenen von sexualisierter Gewalt.

Andrea Voßhoff:
Wir haben damals immer gesagt, dass wir das Anliegen der Betroffenen teilen und wir warten noch das Ergebnis des Runden Tisches ab in der Annahme, dass wir da Unterstützung bekommen. Ich habe es immer unter dem Aspekt gesehen, dass die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen nur effizient ist, wenn wir auch unabhängig davon Strafansprüche zu recht erheben, wodurch dann auch die Möglichkeiten der Beweisführung in der Regel besser wird. Diesbezüglich benötigen wir Mehrheiten in der Koalition und führen deshalb auch Gespräche mit der FDP. Zur Umsetzung des Zivilanspruchs muss eben auch die Möglichkeit strafrechtlicher Ermittlungen bestehen. Denn das bekommen sie ja alleine gar nicht hin. Da habe ich ja gehofft, dass der Runde Tisch uns hier Rückenwind gibt. Ich hatte mir gewünscht, dass der Runde Tisch sich hier klar positioniert. Ich habe mal auch mit Vertretern der Opferschutzverbände am Runden Tisch wie dem Weißen Ring gesprochen, die der Meinung sind, dass es kontraproduktiv für die Opfer sei, wenn mangels Beweise frei gesprochen werden muss. Ich hab dann gesagt, dass das kaum ein Risiko für die Opfer darstellen würde. Weil das vielleicht in dem einem oder anderen Fall so wäre, kann man die übrigen Fälle nicht ausschließen. Wenn der Beweis nicht anzutreten ist, kann das dazu führen, dass ein Ermittlungsverfahren im Sande verläuft. Weil es in manchen Fällen so sein kann, muss ich es doch nicht in allen Fällen bleiben lassen.

netzwerkB:
Bei unserer Forderung die Verjährungsristen aufzuheben ist uns bewusst, dass nur ein sehr geringer Teil der Betroffenen eine Klage anstreben kann, weil in der Regel die Beweislage das nicht zulässt. Also müsste die Politik keine Angst haben, dass das öffentliche Rechtssystem wegen Überlastung zusammen brechen würde. Es geht uns im wesentlichen um die Freiheit des Einzelnen, die Verbrechen zeitlich unbegrenzt anzeigen zu können. Denn es ist ja nun unumstritten bekannt, dass Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Regel lebenslänglich unter den Folgen der Verbrechen leiden und auf Grund dessen oft erst viele Jahrzehnte nach der Tat darüber sprechen können. Die Bundesregierung schaut zu, wie die Betroffenen mit 5.000,- Euro verhöhnt werden. Das muss ein Ende haben.

Andrea Voßhoff:
Im Grundanliegen sind wir ja nicht unterschiedlicher Auffassung. Wir müssen aber in der Politik dafür in unserer Koalition Mehrheiten haben. Das sind die Gespräche, die wir zur Zeit führen. Ich empfehle Ihnen, dass Sie dort auch mal mit Vertretern der FDP in Kontakt kommen.

netzwerkB:
Warum reden Sie nicht mit der FDP? Warum schicken Sie uns dahin?

Andrea Voßhoff:
Da bin ich ganz pragmatisch und praktisch, denn durch den Streiter von außen wird der Druck erhöht. Wie man Ihr Problem löst, die Verjährungsfristen aufzuheben, das sind ja nur Detailfragen. Diesen Anspruch, dass Sie auch bei der zivilrechtlichen Schadensersatzverfolgung Unterstützung haben, denn nichts anderes ist ja ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Es nimmt Ihnen so zu sagen die Beweisführung. Das ist eine Frage der Ausgestaltung. Aber die endscheidende Frage ist der politische Wille. Können wir so verbleiben, ich habe Ihren Gesetzentwurf  erhalten und Sie bekommen von mir dazu auch eine Antwort. Ich werde diesen Gesetzentwurf auch weiter leiten und der FDP schon mal mitteilen, dass Sie mit denen gern ein Gespräch führen würden.

netzwerkB bedankt sich für das Gespräch.

Vor allem positionierte sich Frau Andrea Voßhoff bezüglich der Aufhebung der Verjährungsfristen auf Seiten von netzwerkB. Sie machte im Selben aber deutlich, dass sich die Parteien mehr Unterstützung vom Runden Tisch erhofft hatten. Letztlich kommt es daher darauf an, dass wir als Betroffene es schaffen, unser Anliegen in den politischen Mittelpunkt zu bringen und klar zu vertreten. Hier müssen sich auch Betroffenenvertreter kritisch hinterfragen, die am fragwürdigen Runden Tisch mitgewirkt haben. Gleichzeitig sei aber auch abschließend darauf verwiesen, dass der Runde Tisch in der entsprechenden Zusammensetzung niemals ein demokratisch gewählter Vertreter der Betroffenen war, sondern von den Parteien selbst instituiert wurde. Lesen sie hierzu mehr unter:
Selbsternannte Opfervertreter

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