taz.de 12.05.2012
Die französischen Verfassungshüter haben den Straftatbestand der sexuellen Belästigung abgeschafft. Der Begriff sei zu unpräzise. Ein Schock für Betroffene.
PARIS taz | Vor drei Jahren reichte die klein gewachsene blonde 37-jährige Sekretärin A. D. gegen ihre Vorgesetzten Klage wegen sexueller Belästigung ein. Unterstützt wurde sie von der Vereinigung Association européenne contre les violences faites aux femmes au travail (AVFT) als Nebenklägerin.
A. D. beschuldigte ihren heute 72-jährigen Vorgesetzten in der Rentnervereinigung der Banque de France, sie sexuell belästigt und an Brüsten und Beinen angefasst zu haben. Der Prozess fand vor wenigen Wochen statt. Am Mittwoch sollte das Pariser Strafgericht sein Urteil verkünden. A. D. zweifelte keine Sekunde an der Verurteilung ihres Peinigers.
Doch zu ihrer Überraschung und Empörung erklärte ihr der Gerichtspräsident, es werde kein Urteil geben, da für die Klage gar keine gesetzliche Grundlage existiere. Der Angeklagte war fein raus, sie aber fühlte sich als Opfer verachtet. In ihrer Wut stürzte sie sich auf ihn und bezichtigte ihn, er sei ein widerlicher Kerl.
Schon vor einigen Jahren begründete ein religiöser Würdenträger die Unschuld von Vergewaltigern damit, dass auch eine Katze unschuldig ist, wenn sie ein herumliegendes Stück Fleisch isst. Schuld ist der, der es herumliegen lassen hat, also ist bei einer Vergewaltigung der schuld, der aufreizend aussieht und trotzdem das Haus verlässt. Eine kirchliche Sprecherin erklärte, dass nach ihrer Überzeugung Frauen, die vergewaltigt worden sind, dies durch ihre Art, sich zu kleiden, hervorgerufen haben. Mir selbst empfahl eine religiöse Missionarin und überzeugte Kopftuchträgerin, dass ich im Orient schon allein aus strategischen Gründen ein Kopftuch tragen soll, da ein Orientale sich nicht zurückhalten kann, wenn er die Haare einer Frau sieht, denn das ist er nicht gewöhnt! Diese Aussagen zeigen, warum Gesetze gegen Belästigung für unnötig gehalten werden: Wer zu Hause bleibt, sich belästigungssicher kleidet und sich strategisch richtig verhält, wird auch nicht belästigt werden!