netzwerkB 04.04.2012

Treffen mit Burkhart Lischka, Christine Lambrecht und Marlene Rupprecht am 28.03.2012 in Berlin


(Foto v.l. Burghard Lischka MdB, SPD, Norbert Denef, netzwerkB)

Der Beschluss des SPD-Parteitags, die Verjährungsfristen aufzuheben, liegt schon fast ein halbes Jahr zurück. Seit diesem Tag hat netzwerkB seine Bestrebungen ausgeweitet und konnte viele Politiker für die Sache des Gerechten gewinnen. Doch wäre die Aufhebung der Verjährungsfristen einfach durchzusetzen, dann hätten sich vernünftige Politiker längst dazu durchgerungen. Wenn jedoch Bundestagsabgeordnete Lambrecht, um nur ein Beispiel zu nennen, schon nach einer Rede im Bundestag über die schlichte Verlängerung der Verjährungsfristen einiges an unsachlicher Kritik und Häme einstecken muss, dann weiss netzwerkB, dass selbst ein eindeutiger Beschluss der Bundesdeligiertenkonferenz der SPD noch einen weiten Weg zur Umsetzung hat.

Im folgenden Video können Sie die Rede von Christine Lambrecht für die Verlängerung der Verjährungsfristen anschauen. Obwohl ihre Argumente durchaus richtig sind, ist die Forderung für netzwerkB zu wenig. Dennoch ist es aus Sicht von netzwerkB gleichsam ernüchternd, dass Frau Lambrecht mit der Forderung nach einer Verlängerung der Verjährungsfristen schon an zu viele Grenzen stößt und politisch zu viel riskiert. Bitte machen Sie sich hiervon ein eigenes Bild und teilen Sie uns ihre Einschätzung in den Kommentaren mit: http://youtu.be/tvZ_NYJKXEI

Um also zu erfahren, wie die Politiker den Beschluss des Parteitags vom 6. Dezember 2011 (http://youtu.be/j3sUibSUnu0) umsetzen wollen, traf sich netzwerkB nun mit den Mitgliedern des Rechtsausschuss‘ Burkhart Lischka, Christina Lambrecht und Marlene Rupprecht.

Die Ergebnisse dieses Gesprächs haben netzwerkB nicht überrascht. Gerade aus der Rechtsperspektive sei es schwierig, den Parteitagsbeschluss umzusetzen. Die dafür notwendige Mehrheit eine entsprechende Gesetzesänderung im Deutschen Bundestag durchzusetzen, würde schlichtweg fehlen. Eine Umsetzung des Parteitagsbeschlusses würde nach Ansicht von Lamprecht, Lischka und Ruprecht bedeuten, dass die Bundestagsfraktion der SPD einen neuen Gesetzentwurf einbringen müsste, nämlich, die Verjährungsfristen nicht mehr wie bisher nur zu verlängern, sondern grundsätzlich aufzuheben.

Die aktuellen Machtverhältnisse würden hierbei jedoch eine Niederlage herbeiführen, wenn es zur Abstimmung der Gesetzesvorlage im Deutschen Bundestag kommt. Offenbar sperrt sich vor allem die christlich geführte Regierungskoalition dagegen die Verjährungsfristen wenigstens zu verlängern. Es scheint als wäre ein lebensfernes, aber systematisch bindendes Recht wichtiger als das Leid der Betroffenen. Auch Frau Ruprecht, als Kinderschutzbeauftragte der SPD, berichtete darüber, wie schwierig es sei, unter der jetzigen Bundesregierung die Rechte der Kinder durchzusetzen.

Wenig Mut zeigt sich also bei der SPD-Fraktion für das Gerechte auch gegen Widerstände anzugehen. Anders als der Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach, der das Scheitern ins Kalkül zieht, um für das moralisch Richtige einzutreten, kann der Rechtsausschuss sich nicht ohne weiteres dazu durchringen, diese Position, die Verjährungsfristen bei sexualisierter Gewalt aufzuheben, vollends und sofort zu vertreten.

Die Gewissheit einer Niederlage sollte nach Ansicht netzwerkBs nicht dazu führen, einen fragwürdigen Kompromiss einzureichen (die Verlängerung der Verjährungsfristen), sondern das Gerechte an sich einzufordern und die gegenwärtige Niederlage in Kauf zu nehmen. Allein die Verlängerung der Verjährungsfristen als Kompromiss ist aus Sicht von netzwerkB kein Erfolg und würde, auch wenn sie sich als kleiner Erfolg herausstellte, die tatsächliche Aufhebung auf Jahre hinaus verzögern. netzwerkB geht es um die Aufhebung der Verjährungsfristen, weil Verjährungsfristen bei den Verbrechen der sexualisierten Gewalt, immer zu substantiellen Ungerechtigkeiten bei Betroffenen führen. Allein der Klagedruck oder die fehlende Anerkennung der Spätfolgen durch Verjährungsfristen sind bedeutende Einwände (Für eine umfassende Darlegung unserer Position, die sich nicht auf die tatsächlichen Konsequenzen in Prozessen beziehen, lesen sie unseren Artikel Argumente zur Aufhebung der Verjährungsfristen)

Die Bedenken von Frau Lamprecht, Frau Ruprecht und Herr Lischka hinsichtlich der Niederlage sind zwar realistisch, netzwerkB ist jedoch der Auffassung, dass den Delegierten auf dem Parteitag die aktuelle Machtsituation durchaus bewusst war und sie dennoch ein klares Signal setzen wollten, in dem sie mit ihrem eindeutigen Votum sich auf die Seite der Betroffenen gestellt haben. Die eindringliche Darstellung der Ungerechtigkeit, die beispielsweise Norbert Denef widerfahren ist, der eindeutige Nachweis, dass es sich bei den Verjährungsfristen um Täterschutz handelt, hat den Bundesparteitag überzeugt und so hat dieser sich klar gegen die Verjährungsfristen positioniert. Kompromisse, nun doch wieder nur für die Verlängerung der Verjährungsfristen einzutreten, sind seit diesem Beschluss demokratisch undenkbar. Das Eintreten der SPD für die Aufhebung der Verjährungsfristen auch im Bundestag würde hingegen ein klares, politisches Signal setzen und zugleich die Lobby derer, die ein Fortkommen in diesen Fragen blockieren, offen an den Tag legen. Hier hat die SPD allen Grund sich klar zu positionieren und sich von der nun zögerlichen und somit ungerechten Politik klar zu distanzieren.

Diese Einschätzung netzwerkBs zeigte sich auch, wie schon oben erwähnt, im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Gerold Reichenbach als richtig (LINK zu Reichenbachartikel). Auch Reichenbach ist der Auffassung, dass es nicht darum geht, das Gesetz zur Aufhebung der Verjährungsfristen im ersten Anlauf durchzubekommen. Es geht auch nicht darum mit der CDU Kompromisse einzugehen, sondern es geht darum, dass die SPD den Beschluss des Parteitages umsetzt und somit deutlich das Ziel verfolgt, die Verjährungsfristen grundsätzlich aufzuheben. Dieses Bekenntnis der SPD, sich unmissverständlich auf die Seite der Betroffenen zu stellen, wäre das notwendige Signal an unsere Gesellschaft, Gerechtigkeit endlich wieder in den Blick zu nehmen. Das Gesetz zur Aufhebung der Verjährungsfristen würde dann spätestens umgesetzt, wenn die SPD im Deutschen Bundestag wieder die Mehrheit hat.

netzwerkB fordert also die Bundestagsfraktion der SPD auf, den Beschluss der Delegierten des Bundesparteitages der SPD auch umzusetzen. Wir wollen Frau Lambrecht, Herr Lischka und Frau Rupprecht bewegen, einen großen Schritt nach vorn zu gehen, anstatt sich mit vielen kleinen Schritten in der Zeit zu verlaufen. 10 Millionen Betroffene (Jeder Achte ist betroffen) haben ein  Recht darauf, dass die Gesellschaft ihr Leid in dieser Weise anerkannt  und ernst nimmt. Es ist an der Zeit, dass eine Partei diese Betroffenen endlich auch ernsthaft vertritt.

Nachtrag:
Nach dem aufschlussreichen Gespräch verwiesen uns Herr Lischka und Frau Lambrecht darauf, dass wir mehr Aufmerksamkeit für das Thema der Verjährungsfristen benötigen. Wir müssen mehr Leute davon überzeugen und dürfen nach der hervorragenden Arbeit der Medien, dieses Thema anzugehen, den Druck nicht weniger werden lassen. Bitte unterstützen Sie uns daher. Kommentieren Sie beispielsweise unter diesem Artikel  und bringen Sie Ideen, wie wir die Bevölkerung für die Aufhebung der Verjährungsfristen sensibilisieren können. Twittern Sie unsere Beiträge weiter und veröffentlichen Sie diese Beiträge auf anderen Medien wie zum Beispiel Facebook. Auch so können Sie helfen.

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