netzwerkB 07.02.2012

Frage:

Was ist beim Thema Verjährung zu Bedenken?

Habe ich es richtig verstanden, dass eine Verjährung nach z.B. 30 Jahren auch im Interesse eines ehemaligen Opfers für Rechtsfrieden sorgt und dass eine mögliche nachträgliche Verfolgung auf Antrag des Betroffenen wünschenswert wäre?

Antwort:

Über diese Frage könnte man sowohl eine philosophische als auch eine juristische Dissertation schreiben.

Durch den deutschen Gesetzgeber und teilweise auch durch einige Betroffenen- und Opfervereine und – verbände wird immer wieder das Argument vorgebracht, es sei auch im Interesse der Betroffenen von Straftaten, wenn die Taten zu einem bestimmten Zeitpunkt verjähren und somit Rechtsfrieden einkehrt.

Das Argument des Rechtsfriedens überzeugt jedoch allenfalls aus Sicht eines Straftäters, welcher sich nach Auffassung des Gesetzgebers darauf verlassen können soll, dass nach Verstreichen einer bestimmten zeitlichen Frist, in welcher keine strafrechtlichen Maßnahmen gegen ihn eingeleitet wurden, eine Strafverfolgung nunmehr definitiv ausgeschlossen ist.

Im Hinblick auf Betroffene von Straftaten, insbesondere von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, mag es in einzelnen Fällen durchaus zutreffen, dass die Einkehr von „Rechtsfrieden“ für den Betroffenen eine Erleichterung, ein gewisses Abschließen mit dem Tatgeschehen, darstellt.

Die pauschale Behauptung, die Einkehr des Rechtsfriedens nach Ablauf einer bestimmten Verjährungsfrist sei auch im Interesse von Opfern derartiger Straftaten erscheint jedoch verfehlt und lässt sich zudem in keiner Weise empirisch belegen.

Schließlich tritt gerade im Bereich von Straftaten, welche sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung richten, häufig das Problem auf, dass sich die Betroffenen erst viele Jahre oder gar Jahrzehnte nach der Tat aufgrund eines bestimmten Ereignisses bzw. Auslösers an die Tat erinnern und beginnen (können), diese zu verarbeiten.

In diesen Fällen besteht jedoch angesichts des Ablaufs von Verjährungsfristen keine Möglichkeit mehr, gegen den täter zivil- oder strafrechtlich vorzugehen. Der Täter kann also nicht mehr belangt werden, während das Opfer, der Betroffene, ohne Aussicht auf eine Entschädigung weiter unter den Tatfolgen leidet und nicht selten gerade angesichts dieser Tatsache retraumatisiert wird.

Insofern wäre es mehr äußerst wünschenswert, wenn eine Möglichkeit der nachträglichen Verfolgung auf Antrag des Betroffenen geschaffen werden würde.

Konsequent und effizient erscheint diesbzüglich allerdings ausschließlich eine Aufhebung der Verjährungsfristen, da die Instrumentarien der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Ahndung von Straftaten durchaus bereits vorhanden sind, die Durchsetzung von Strafverfolgungs- und Entschädigungsansprüchen nach Ablauf der bestehenden Verjährungsfristen jedoch durch ebendiese häufig verhindert wird.