glaubeaktuell.net 10.12.2011

Adventsempfang der Bischöfin – „Im Kleinen wird die Vision Gottes sichtbar“

10.12.2011

(Hamburg/mb) – Die neue Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs, hat auf dem heutigen (08. Dez.) traditionellen Adventsempfang der Nordelbischen Kirche in der Hansestadt dazu aufgerufen, der zunehmenden Gott- und damit Heilsvergessenheit in der Gesellschaft entgegenzutreten. In der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg sagte sie, es gelte, von der weihnachtlichen Vision des kleinen Kindes, das die Welt verändere, zu erzählen. Daraus sei auch ein Umkehrschluss
zu ziehen. „Achtet nicht die Würde derer gering, die verletzt sind und beiseite geschwiegen, die erniedrigt wurden und klein gemacht. Achtet nicht eines der Kleinen gering, denn in ihnen ist Gottes Achtung für jedes Geschöpf präsent“, so Fehrs vor mehreren hundert Gästen aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Kirche, unter ihnen auch der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz.

Im weiteren Verlauf ihrer Rede skizzierte die Bischöfin das Programm für ihre Amtszeit als „eine der Welt zugewandte Theologie mit ethischem Nachdenken über Themen, die keine einfachen Antworten brauchen können. Einem Handeln, wenn es an der Zeit ist und mit einem Eintritt in den Dialog dort, wo Stummheit droht.“ Sie hob hervor, dass dabei nicht alle Themen sofort und erschöpfend behandelt werden könnten. So sei insbesondere bei dem Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche Sorgfalt und Geduld gefordert. „Weil es mit tiefer Verletzung verbunden ist und mit der Erfahrung ständiger Demütigung, verdient es in seiner Differenziertheit sensible Einfühlung und ruhige Gründlichkeit.“

In diesem Zusammenhang sagte sie weiter: „Die Erwartungen an die Bischöfin, die öffentlich geäußert werden, zeugen von einem Druck, der sicherlich zum einen den Betroffenen geschuldet ist, die Aufklärung und Eingeständnisse fordern. Dazu haben sie unbedingtes Recht.“ Irritierend sei jedoch die hochemotional besetzten Erwartungen, die
geradezu messianischen Charakter enthielten. Erleuchtend, lösend, aufklärend, alles erfassend, sofort handelnd müsse die Kirche jetzt sein. „Enttäuschung ist vorprogrammiert, weil kein Mensch, auch ich nicht, leisten kann, was ich als Wunsch zutiefst verstehe: eine Form der Satisfaktion, die binnen kürzester Zeit die langjährige, tiefe Verletzung von Körper und Seele, wenn schon nicht heilen, so doch wenigstens ausgleichen kann“, so Fehrs. Die Bischöfin betonte, dass
sie dabei auch die Schuld der Kirche sehe: „Menschen in unserer Kirche haben so vielen grausames Leid zugefügt. Dass dies geschehen konnte, dafür bitte auch ich Sie in aller Form um Verzeihung.“

Zum weiteren Umgang mit den Geschehnissen aus den 1970er und 1980er Jahren in der Kirchengemeinde Ahrensburg sagte die Bischöfin: „Ich will die Vorgänge verstehen. Genau so wie etliche Betroffene und Gemeindemitglieder, wie die anderen Mitglieder der Kirchenleitung, wie die Präventionsgruppe des Kirchenkreises Hamburg-Ost. Das sind wir zuallererst den Betroffenen schuldig. Wie andere in unserer Kirche es seit Monaten tun, will ich nachfragen, meine Gesprächsbereitschaft anbieten und versuchen, aus meinem Verstehen Schlussfolgerungen zu ziehen, die wirksam sind.“

Auf diesem Weg seien zunächst drei Schritte angedacht: Zum einem werde die externe Hilfe von Fachpsychologen herangezogen, um neben der juristischen Aufarbeitung auch psychologisch aus den Versäumnissen und Fehlern der Institution Kirche zu lernen. Das brauche Zeit und Geduld, so die Bischöfin. „Zum anderen werde ich gemeinsam mit Bischof Ulrich am 1. April 2012 einen Gottesdienst in der Kirchengemeinde Ahrensburg feiern und uns anschließend in einer Gemeindeversammlung den Fragen der Gemeindeglieder stellen“, so Fehrs weiter. Ein dritter Schritt werde nicht öffentlich sichtbar sein. „Ich habe denjenigen, die sexualisierte Gewalt in Ahrensburg erlebt haben, persönliche und vertrauliche Gespräche angeboten und werde ein solches Gespräch mit allen führen, die das möchten“, sagte die Bischöfin.

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