nordwestradio 30.11.2011

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nwr: Hat denn der Runde Tisch seine Aufgabe erfüllt bislang?

Norbert Denef: Nein aus unserer Sicht nicht. Aus unserer Sicht ist er gescheitert.

nwr: Weshalb ist er gescheitert?

Norbert Denef: Weil unsere Regierung nicht bereit ist, ihre politische Fürsorgepflicht gegenüber den Opfern sexualisierter Gewalt zu erfüllen.

nwr: Und wie sehe die Fürsorgepflicht dann aus ihrer Einschätzung nach aus?

Norbert Denef: Es wäre ein ganz klares Signal nötig, nämlich die Verjährungsfristen generell aufzuheben, um auch für das Umdenken zu sorgen, dass es wirklich ein Verbrechen, anerkannt als Verbrechen wird und die Betroffenen von sexualisierter Gewalt endlich mal ein Zeichen bekämen, dass sie in der Gesellschaft anders dastehen als bisher.

nwr: Bislang wird sexuelle Gewalt doch aber auch als Verbrechen angesehen oder etwa nicht?

Norbert Denef: In sofern bei Kindern zählt das immer noch als Vergehen und nicht als Verbrechen. Daran sehen Sie schon, welche Einstufungen da bisher auch waren. Da gibt es viel, viel nachzuholen.

nwr: Bleiben wir bei diesen Verjährungsregeln. Christine Bergmann, die Chefin des Runden Tisches, die hat bei uns im Nordwestradio gerade folgendes gesagt:

Chrisitine Bergmann: „Die Betroffenen sagen, eigentlich dürfte es gar keine Verjährungsfrist geben. Ich kann das verstehen das sie so reagieren, weil sie ihre Schäden ihr Leben lang haben. Es ist für mich sehr nachvollziehbar. Aber auf der anderen Seite muss man natürlich unser Rechtssystem sehen und sagen, wie fügt sich das in das normal Rechtssystem ein.“

nwr: Herr Denef möchten sie unser Rechtssystem sehen bei solchen Fällen?

Norbert Denef: Na sorry, aber diese Begründung ist doch nicht wirklich eine Begründung. Man kann doch nicht sagen, ja weil unser Rechtssystem so ist, weil wir da Fehler im Rechtssystem haben, deshalb bleibt alles so wie es ist. Das kann doch wohl nicht war sein. Wir müssen die Verjährungsfristen aufheben. Die müssen einfach weg. Und die Frau Bergmann hat in ihre Anfangszeit auch das genau gefordert und hat sich erst jetzt in der letzten Zeit wahrscheinlich irgendwo einholen lassen von der Politik, die da sagt, nein das geht nicht, unser Rechtssystem gibt das nicht her und ist umgeschwenkt und hat sich gegen die Opfer, gegen die Betroffenen von sexualisierter Gewalt, ausgesprochen und hat gesagt, ätschi-pätschi, das geht nicht.

nwr: Gehts ihnen um Geld, wenn sie von Entschädigung sprechen?

Norbert Denef: Was heißt, es wird immer gesagt, naja gehts ums Geld, der ist geldgierig. Natürlich braucht man Geld um eine Therapie zu bezahlen. Natürlich hat man ein Recht auf einen Schaden. Wenn man Ihnen ein Auto kaputtfährt, dann sagen Sie ja auch nicht, naja mir gehts ja gar nicht ums Geld. Dann wollen Sie das neue Auto haben. Ganz so einfach ist das. Da ist ein Schaden entstanden der riesengroß ist. Teilweise sind da Lebensschicksale kaputtgegangen. Das sind Leute, die haben kein Beruf. Die Leben von Harz 4. Ja soll denn das alle so bleiben? Und jetzt werden die abgespeist nach den neuen Regeln, nach den Vorschlägen des Runden Tisches, mit maximal 10.000 Euro, für Therapiekosten. Ist uns, der Gesellschaft, ein Menschenleben so wenig wehrt?

nwr: Hatte der Runde Tisch ihrer Einschätzung nach überhaupt ein ehrliches Interesse an der Aufarbeitung? So wie ich Sie bisher gehört habe ja nicht, oder?

Norbert Denef: Wissen Sie, ich hab gleich am Anfang, da wurde ich auch schon gefragt, als der Runde Tisch losging, ich hab vorausgesagt, wie es läuft, wie es ablaufen wird und genauso ist es jetzt auch. Da ist anderthalb Jahr geredet worden und geredet worden und noch mal geredet worden. Da ist die Frau Bergmann eingestellt worden. Da stand von vornherein fest, die bleibt nur ein Jahr. Die ist jetzt, kurz bevor das jetzt nun halt weiter gehen sollte, ist die auch gegangen. Das heißt also, jetzt ist der Dampf raus. Jetzt arbeitet man das noch ab und das läuft jetzt aus und im Grunde genommen ist nichts wesentliches passiert. Das einzige was die Frau Schavan gemacht hat, sind halt Forschungsgelder locker gemacht, das man jetzt darüber nachdenkt oder jetzt darüber forschen kann, was denn das alles Schlimmes ist. Seit 20, 30 Jahren kennt man die Verbrechen, weiss genau was ist. Die Opferverbände haben Jahrzehnte lang hervorragende Arbeit geleistet an der Basis und man weiss das alles schon. Jetzt tut man so als wäre das völlig neu. Das stell aus meiner Sicht wieder eine Verhöhnung dar. Das ist richtig, dass die Forschungsgelder jetzt fliesen. Das finde ich auch sehr gut, dass unterstützen wir auch. Aber es müssen wesentliche Dinge passieren. Es muss die Anerkennung stattfinden, so dass die Betroffenen auch Mut finden, ihr Schweigen zu brechen, die jetzt immer noch schweigen.

nwr: Andererseits hat ja die Vorsitzende, also Frau Bergmann, sie zum Runden Tisch eingeladen. Warum haben sie die Einladung nicht angenommen?

Norbert Denef: Wir haben lange geredet und diskutiert. Und ich hab mir das auch angeschaut, wie sie das dann ablaufen lassen hat. Man hat eine Hand voll Opfer vor den Runden Tisch gestellt, die dann ihre leidvollen Geschichten vorheulen konnten. Ja und man tut jetzt so, als wären das die Opfervertreter. Die haben keinerlei Legitimation. Da ist keinerlei demokratische Abstimmung abgelaufen. Das heißt also, das ist nur ein Schein, was die Politik hier sagt, die Betroffenen sind ja mit am Runden Tisch. Das ist gelogen. Das stimmt einfach nicht.

nwr: Und nun, wie wollen Sie und die Betroffenen in Ihren Netzwerk auf das ganze reagieren, auf dieses Scheitern wie Sie sagen?

Norbert Denef: Wir werden dran bleiben. Wir werden auch dran bleiben, dass die Verjährungsfristen aufgehoben werden. Und wir haben auch schon Verbündete. Und wir werden jetzt einen weiteren Weg einschreiten. Wir werden gegen den Deutschen Staat klagen, weil man die Betroffenen nicht schützt, weil man eben die Verjährungsfristen nicht aufhebt. Das ist unser weiterer Schritt. So das meine Petition, meine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof, damit auch unterstützt wird. Das heißt, wir haben kein Vertrauen mehr zu der Politik. Die hilft uns nicht, also müssen wir andere Wege gehen und die werden wir jetzt gehen.

nwr: Heute tagt also der Runde Tisch gegen Kindesmissbrauch zum letzen Mal. Dazu im Nordwestradio Norbert Denef, er ist Vorsitzender des Netzwerkes Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.