AFP 24.09.2011

D/Vatikan/Papst/Religion

Opfervertreter kritisieren Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern

– Gespräch nach Motto „verschweigen und vertuschen“

Erfurt, 24. September (AFP) – Die in Verbänden organisierten Opfer sexualisierter Gewalt haben das Treffen von Papst Benedikt XVI. mit fünf Missbrauchsopfern am Freitagabend in Erfurt scharf kritisiert. Das Treffen sei abgelaufen nach dem wie schon in anderen Ländern verwandten Muster „Verleugnen, Verschweigen und Vertuschen“, sagte Norbert Denef, der Vorsitzende des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt, am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Der Papst habe sich hinter dicken Kirchenmauern mit Opfern getroffen, die sich nicht kritisch zu Wort meldeten. Dies sei „scheinheiliges Getue“, sagte Denef.

Er und andere des Netzwerks wären bereit gewesen, sich in Berlin mit dem Papst zu treffen und in aller Öffentlichkeit zu diskutieren, sagte Denef. „Wir kamen mit offenen Händen.“ Doch an solch einer öffentlichen Auseinandersetzung über den Missbrauchskandal bestehe offenbar in der katholischen Kirche kein Interesse.

Auch Peter Bringmann-Henselder von der Bundesinitiative Kinder in Heimen kritisierte die Umstände des Treffens. „Es bringt in unseren Augen nichts, dass der Papst einige wenige trifft, die kirchentreu geblieben sind. Viele sind aus der Kirche ausgetreten, und er will sie nicht treffen“, sagte Bringmann-Henselder AFP.

Der Papst hatte Freitagabend bei einem zuvor geheim gehaltenen Treffen eine halbe Stunde lang mit fünf Männern und Frauen gesprochen, die von Priestern und Kirchenmitarbeitern sexuell missbraucht worden waren. In einer Erklärung des Vatikan im Anschluss hieß es, der Papst sei bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer. Deren Identität hält der Vatikan aber geheim.

Der Missbrauchskandal der katholischen Kirche war im vergangenen Jahr bekannt geworden. Über Jahrzehnte hatten sich auch in Deutschland wie in anderen Ländern Geistliche an Kindern und Jugendlichen vergriffen. Erst nachdem eine Gruppe Betroffener an die Öffentlichkeit gegangen war, brachen auch viele andere Betroffene ihr Schweigen.