netzwerkB 16.08.2011

Am 5. August 2011 haben wir – eine Gruppe Betroffener von sexualisierter Gewalt in der Kindheit (nicht netzwerkB!) – in uns bekannten Betroffenenforen eine (natürlich nicht repräsentative) Umfrage gestartet zur Existenz einer „Bundesinitiative der Betroffenen“.

Hintergrund war eine Pressemitteilung des Runden Tischs zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs vom 6. Juni 2011, in der es hieß, dass zur Mitwirkung am Runden Tisch unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Bundesinitiative der Betroffenen eingeladen worden seien. Da uns bis dahin nicht bekannt war, dass es eine offizielle „Bundesinitiative der Betroffenen“ gibt, die Betroffene von sexueller Gewalt in der Kindheit am Runden Tisch vertritt, wollten wir wissen, ob wir möglicherweise die einzigen sind, die von einer solchen – für die Betroffenen doch recht wichtigen – Initiative noch nie etwas gehört haben.

Daher haben wir diese kleine (nicht repräsentative) Umfrage gestartet.

Hier die Ergebnisse/Antworten:

Insgesamt haben wir von 28 Personen Rückmeldungen zu unserer Umfrage erhalten. Der überwiegende Teil hat sich über die Seite von netzwerkB gemeldet. Zwei Rückmeldungen kamen über die angegebene Mailadresse. Darüber hinaus haben uns einige Betroffene signalisiert, sie hätten sich gerne an einer solchen Umfrage beteiligt, es aber unterlassen, weil sie sich nicht an einer (fälschlicherweise angenommenen) netzwerkB-Umfrage beteiligen wollten.

Von den 28 Personen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, haben auf die Frage „Wer kennt die/eine „Bundesinitiative der Betroffenen“?“ 15 mit „Nein“ geantwortet (54 Prozent). Fünf Antwortende kannten die „BI“ oder haben zumindest schon einmal etwas von ihr gehört (18 Prozent). Die Antworten von acht Personen konnten dahingehend nicht ausgewertet werden (28 Prozent).

Auf die Frage: „Wer weiß, wie und wo sie organisiert ist?“ gab es insgesamt fünf Hinweise auf die so genannte „die-bundesinitiative“.

Die Frage „Wer weiß, wie man Mitglied dieser „Bundesinitiative“ wird?“ blieb weitgehend unbeantwortet. Es gab lediglich Hinweise darauf, dass es sich bei den Vertretern der „die bundesinitiative“ um Betroffene handelt, die von der Bundesmissbrauchsbeauftragten bzw. dem Runden Tisch Ende 2010/Anfang 2011 ausgewählt worden waren, um angehört zu werden.

Die Frage „Wer weiß, welche Positionen diese „Bundesinitiative der Betroffenen“ vertritt?“ blieb gänzlich unbeantwortet.

Auf die Fragen „Wer ist evtl. Mitglied dieser Bundesinitiative und kann Auskunft geben, woraus sich der Name und Einsatz der „Bundesinitiative der Betroffenen“ legitimiert?“ bzw. „Wer kann Auskunft geben, woraus sich die Vertretung der Betroffenen durch diese „Bundesinitiative der Betroffenen“ am Runden Tisch sexueller Kindesmissbrauch der Bundesregierung legitimiert?“ gab es keine direkten Antworten. Allerdings gab es insgesamt 7 Rückmeldungen, die es begrüßen, dass die „Bundesinitiative der Betroffenen“ bzw. ihr Zustandekommen, ihr Name und ihre Legitimation kritisch hinterfragt werden.

Insgesamt drei Mal wurde von den an der Umfrage Beteiligten explizit der Wunsch bzw. die Aufforderung geäußert, netzwerkB solle mit der „die bundesinitiative“ zusammenarbeiten. Zwei Mal wurde konkret der bundesweite Zusammenschluss von Betroffenen gewünscht/gefordert.

Zusammenfassung:

Es hat sich gezeigt, dass wir nicht die einzigen Betroffenen sind/waren, denen die seitens der Bundesregierung erwähnte „Bundesinitiative der Betroffenen“ nichts sagte, bzw. die von deren Existenz nichts wussten.

Dramatischer allerdings werten wir die Tatsache, dass keine/r der Umfrage-Beteiligten – nicht einmal diejenigen, die von einer solchen „Bundesinitiative der Betroffenen“ schon einmal gehört hatten – etwas zu den Positionen, die sie vertritt, sagen konnte. Hierin sehen wir ein großes Defizit. Unserem demokratischen Verständnis nach sollten Betroffene wissen, was in ihrem Namen vertreten wird.

Allem Anschein nach handelt es sich bei der in der Pressemitteilung des Runden Tischs zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs erwähnten „Bundesinitiative der Betroffenen“ um den Zusammenschluss „die bundesinitiative“.

„die bundesinitiative“ ist eigenen Angaben zufolge „ein Bündnis von Vereinen und Initiativen von Missbrauchs-Betroffenen, sowie weiterer individuell von sexuellem Missbrauch betroffenen Einzelpersonen. Sie hat sich am 5. März 2011 in Berlin konstituiert. Sie versucht die Arbeit der an den Runden Tisch geladenen Betroffenen zu koordinieren. Sechs Vertreter der Bundesinitiative werden die in ihr zusammengeschlossenen Vereine am Runden Tisch vertreten. Als Vereine in der Bundesinitiative vertreten sind unter anderen: ECKIGER TISCH, Augen auf Heilung e.V., MOGiS e.V. — Eine Stimme für Betroffene, Aufklärung e.V., Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V., Missbrauch in Ahrensburg e.V., SHI Lela e.V. — Selbsthilfe-Initiative Lebenslang damit leben, Glasbrechen e.V.“. (Quelle: www.die-bundesinitiative.de)

Es gibt auf der Internetpräsenz der „die bundesinitiative“ keine Informationen dazu, wie man Mitglied dieser „Bundesinitiative“ werden kann. Unsere Schlussfolgerung lautet: Man muss Mitglied in einem der Vereine werden, die in „die bundesinitiative“ zusammengeschlossen sind. Wie es für „vereinsfreie“ Betroffene möglich ist, Mitglied dieser „Bundesinitiative“ zu werden, ist uns unklar.

Die „Inhaltlichen Standpunkte der Bundesinitiative“ können auf der Internetpräsenz von „die bundesinitiative“ eingesehen werden. Dazu können auch (inhaltliche) Anmerkungen gemacht werden. Wen diese erreichen bzw. inwieweit man als „vereinsfreie“ Betroffene/r die am Runden Tisch vertretenen Positionen mitbestimmen kann, ist uns unklar.

Unklar ist für uns auch geblieben, unter welchen Umständen es zur Gründung dieser „Bundesinitiative der Betroffenen“ gekommen ist, und warum die Einrichtung so wenig kommuniziert wurde und wird. Zumindest deuten die Rückmeldungen zur (nicht repräsentativen) Umfrage darauf hin, dass es hier Informationsbedarf gibt.

Die Rückmeldungen zur Umfrage deuten nicht zuletzt an, dass von zahlreichen Betroffenen eine bundesweite Vernetzung aller Betroffenen und Betroffenenverbände gewünscht wird.

Offen ist für uns allerdings geblieben, ob „die bundesinitiative“ sich als solche bundesweite Vernetzung aller Betroffenen und Betroffenenverbände versteht oder nur als Vertretung der in ihr zusammengeschlossenen Vereine. Ausdrücklich weist „die bundesinitiative“ nämlich darauf hin, dass sie „nicht für alle Opfer von sexualisierter Gewalt, sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch im Kindesalter sprechen“ könne, und dass sie hoffe, „einen repräsentativen Querschnitt ab[zu]bilden und so den Interessen der so von uns vertretenen Betroffenen am Runden Tisch angemessen Gehör [zu] verschaffen“. Somit könnte der Name „die bundesinitiative“ bzw. „Bundesinitiative der Betroffenen“ eher so zu verstehen sein, dass die darin vertretenen Betroffenenvereine aus dem ganzen Bundesgebiet stammen, und weniger, dass darunter eine bundesweiter Zusammenschluss aller Betroffenen in Deutschland zu verstehen ist.

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