SWR 4 Blickpunkt 29.04.2011

Die Einen sehen ihn schon im Himmel, die Anderen wünschen Ihn zur Hölle. Der Streit um die Seligsprechung von Johannes Paul II beschäftigt uns heute Abend kurz nach 19 Uhr bei Daniela Engelhardt.

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SWR:
Die Seligsprechung von Johannes Paul II. beschäftigt uns heute Abend im Blickpunkt auf SWR 4 Rheinland Pfalz. Wir haben schon gehört, dass er Kritik gibt an dieser Ehrung gibt. Zu Wort gemeldet haben sich auch Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kirche. Sie empfinden die Seligsprechung als Salz in der Wunde. Z.B. Norbert Denef, er wurde als Kind von einem Priester in Magdeburg missbraucht. Dieser Priester wurde von der katholischen Kirche immer wieder weiter versetzt, in sieben Gemeinden. Norbert Denef hat ihn öffentlich als Serientäter angeprangert, der mindestens 100 Kinder missbraucht haben soll. Das Bistum Magdeburg hat ihm daraufhin, im Jahr 2003, 25.000,- Euro an geboten, als Schweigegeld. Wie haben Sie reagiert Herr Denef?

Norbert Denef:
Ich brauchte Hilfe und da kam für mich nur noch der Papst in Frage, der helfen konnte, nämlich gegen dieses Verschweigen vorzugehen und da habe ich ich ihm die ganzen Akten hingeschickt und habe ihn um Hilfe gebeten. Ich ein halbes Jahr lang gewartet. Dann hat er mir schreiben lassen, dass er für mich betet, dass ich wieder vergeben kann. Das war für mich das absolute Aus. Ich wusste nicht mehr weiter. Das war der Punkt wo ich mir das Leben nehmen wollte, auch versuchte habe, weil ich keine Hoffnung mehr hatte. Der mächtigste Mann der Welt, der hilft mir nicht. Ich soll wieder weiter schweigen. Dann habe ich noch zwei Jahre lang kämpfen müssen darum, dass die Schweigeklausel entfernt wird. Und jetzt wird dieser Mann, der dafür verantwortlich ist, seliggesprochen. Da habe ich gesagt, das geht nicht, das muss ich laut sagen, was da abgelaufen ist.

SWR:
Sie sind ja nun selbst katholisch und Teil dieser Kirche, Herr Denef, können Sie uns das noch mal erklären, warum sagen Sie, die Aufforderung zu beten und um Vergebung für die Täter zu bitten, sei höhnisch?

Norbert Denef:
Das ist das gleiche, als Beispiel, wenn Sie mein Auto kaputtfahren und Sie kommen dann zu mir und sagen, ich hab dein Auto kaputtgefahren, ok, ich bete jetzt für Dich, dass Du mir vergeben kannst. Da würde man auch sagen, ja wie, ich will mein Auto bezahlt haben. Und so ähnlich ist das mit dem Missbrauch, da betet man, dass die Opfer wieder vergeben können und erwartet das von den Opfern. Das geht nicht.

SWR:
Und wenn Sie jetzt z.B., wie das die Kirche getan hat, 5.000,- Euro angeboten bekommen, wie beurteilen Sie das?

Norbert Denef:
Das ist eine doppelte Verhöhnung. Mit 5.000,- Euro können sie gerade mal ein Jahr Therapie bezahlen. Was ist danach? Wie geht es dann weiter? Da werden die Betroffenen abgespeist, mit 5.000,- Euro.

SWR:
Was erwarten Sie, was würde Sie wirklich rehabilieren?

Norbert Denef:
Mich würde rehabilitieren, wenn der Vatikan, in dem Fall der Papst Paul II. lebt ja nicht mehr, der Herr Ratzinger, der ja hauptverantwortlich war als Vorsitzender der Glaubenskonkrekation, der von den Fällen alles wusste und dem Papst die Fälle vorgetragen hat, das hier Farbe bekannt wird: Ja, wir haben die Verbrechen verschwiegen, verleugnet und vertuscht, wir sind schuldig und wir sind verantwortlich dafür, dass die Schäden, die da entstanden sind, in einer angemessenen Form wieder gut gemacht werden.
Und das kann diese Institution nicht selbst leisten. Das wäre das Gleiche, wenn die Maffia ihre Verbrechen aufarbeiten würde. Das muss von außen geschehen. Das heißt, die Aktenarchivlager müssen geöffnet werden, von neutraler, externer Seite. Das ist das was ich fordere, eine echte und ehrliche Aufklärung auf Augenhöhe mit den Betroffenen.

SWR:
Herr Denef, eine Frage habe ich noch, was hat Ihnen denn geholfen, dass Erlebte zu verarbeiten?

Norbert Denef:
Ich möchte nicht sagen geholfen, ich möchte nicht sagen, dass ich nun der Geheilte bin, sondern das ist ein ewiger Prozess. Das mache ich täglich. Ich arbeite täglich daran. Ich zweifle täglich. Ich habe täglich diese Not, zu überleben. Das heißt, dass ist immer da. Das kann man nicht irgendwo mal weg-therapieren. Da kann man nicht irgendwo mal mit 5.000,- Euro ein Jahr  Therapie machen und das war es dann. Das bleibt also ewig. Man kann nur lernen damit zu leben, das heißt lernen, mit den Schäden die man davon genommen hat, die man ja erstmal akzeptieren muss. Das ist ja der schwierigste Weg überhaupt, was habe ich für Schäden, wie ist mein Leben verlaufen, wenn ich zurückschaue. Das tut am meisten weh und davor hat man die meiste Angst. Das ist die größte Hürde, die man erstmal nehmen muss und dann kann man nur lernen zu leben, mit diesen Schäden, mit diesen Wunden, die Vernarbten, die aber immer wieder aufbrechen können. Durch so eine Seligsprechung unglaublich aufbrechen.

SWR:
Dankeschön an Norbert Denef, vom Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt. Und das war die Sendung mit den kritischen Stimmen zur Seligsprechung von Johannes Paul II. Stimmen, die sonst in der Öffentlichkeit nicht unbedingt Gehör finden.