Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte MitgliederInnen des Bundestages und des Bundesrates,

der Runde-Tisch Berlin hat am 13.Dez. 2010 ein Verhandlungsergebnis vorgelegt, nach dem tausende Heimkinder aus einem noch einzurichtenden Hilfsfond mit 120 Millionen Euro entschädigt werden sollen.

Wie die SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier und viele Ehemalige, finde auch ich diese Vereinbarung ungerecht und beschämend!

Obwohl ich Mitglied in zwei Missbrauchsvereinen bin, kann ich diesen Aufruf nur ganz persönlich an Sie richten und Sie auffordern, diesem Verhandlungsergebnis so nicht zuzustimmen.

Das Verhandlungsergebnis RTH soll nun in den Bundestag und Bundesrat eingebracht und verabschiedet werden. Ich möchte an Sie appellieren, diesem RTH-Vorschlag in seiner jetzigen Fassung nicht zuzustimmen und den Hilfsfond um ein
mehrfaches aufzustocken. Desweiteren möchte ich Sie bitten, die Latte der parlamentarischen Hürden nicht zu hoch anzulegen, um zu einer raschen einvernehmlichen Lösung zu kommen.

Der RTH hat die Fakten hierfür auf den Tisch gelegt und anerkannt, dass in den damaligen Heimen massiv gegen die Menschenrechte und gegen die Würde des Menschen verstoßen wurde und viele Heime ein Ort des Bösen waren (Zitat: Antje Vollmer).

Viele Ehemalige sind mittlerweile verstorben und/oder haben sich schon früher das Leben genommen, weil sie das Erlebte nicht verkraften konnten bzw. mittlerweile zu alt, krank und seelisch zerbrochen waren. Wenn Sie also nicht zu einer schnellen Entscheidung gelangen, weil im nächsten Jahr z.B. Landtagswahlen anstehen, werden weitere Ehemalige verstorben sein, bevor ihnen Wiedergutmachung zuteil werden konnte. Das erinnert mich an die viel zu spät geleistete Entschädigung der Trümmerfrauen, welche auch schon viel zu alt und gebrechlich waren, um überhaupt einen Antrag auf Entschädigung stellen zu können. Dies darf sich bei uns nicht wiederholen und es darf auch nicht von staatlicher und kirchlicher Seite damit spekuliert werden. Das würde nur dem Ansehen der MitgliederInnen des Bundestages und der Landtage weltweit schaden und das wäre respekt-u.würdelos den ehemaligen Heimkindern gegenüber.

In vielen anderen Fällen kam es schon zu raschen politischen Entscheidungen, obwohl eine längere parlamentarische Debatte von Nöten gewesen wäre. Aber hier liegen die Fakten alle auf dem Tisch und waren auch schon lange vorher, auch dank der Medien der breiten Öffentlichkeit bekannt .

Wie Sie wissen, wären diese Missbrauchsfälle schon weitaus früher an das Tageslicht gekommen, wenn die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen diese Vorfälle rechtzeitig und zeitnah gemeldet hätten. So manche Verjährungsfrist wäre dann nicht abgelaufen gewesen und Klagen hätten Aussicht auf Erfolg gehabt. Stattdessen wurde weggeschaut, geschwiegen und vertuscht, wie wir heute wissen.

Die schon 1954 im Grundgesetzt verankerte Menschenwürde und viele andere Grundrechte sind dermaßen in vielen Heimen
mit Füßen getreten worden, so dass jetzt und heute eine schnelle ausreichende Entschädigung stattfinden muss. Auch, um uns nachträgliche und lange vorenthaltende Rechtssicherheit zu gewähren.

Ich glaube an Sie, als eine gerechte, dem Wohle der ehemaligen Heimkinder verpflichtenden Institution, welche aber auch die verspätete Verantwortung für versäumte Wiedergutmachung schnellstens übernehmen muss.

Ich bitte Sie, nehmen Sie die Kirchen noch mehr in ihre Pflicht und wenn nötig, wegen der finanziellen Aufstockung des Hilfsfond, veranlassen Sie sie zu Zahlungen, welche dem gerecht werden muss, was die Kirchen in ihren Einrichtungen an Bösem zugelassen hat.

Ein weiterer Aufruf an Sie wäre, das Sie uns/mich nicht als Bittsteller betrachten mögen, sondern als BürgerInnen eines demokratischen Staates, welche zurecht für ihre geraubte Kindheit und ihrer schon damals geltenden und vorenthaltenden Menschenrechte ausreichende Wiedergutmachung verlangen. Gönnen Sie uns zumindest jetzt und für die uns noch verbleibenden Jahre einen menschenwürdigen Lebensabend.

Was geschehen ist, können wir und auch Sie nicht rückgängig machen, aber Sie können als Vertreter des Deutschen Bundestages dafür Sorge tragen, das da, wo der damalige Staat Unrecht zugelassen und geduldet hat, Sie als Rechtsnachfolger dafür einstehen, das der Gerechtigkeit wieder genüge getan wird.

Gleiches möchte ich den Kirchen in Deutschland sagen. Werden sie ihrem göttlichen Auftrag gerecht und lassen sie sich durch das von ihnen so oft zitierte Evangelium leiten, und geben sie in angemessener Art und Weise, schnellstens zurück, was sie uns ungerechtfertigter weise genommen und vorenthalten haben. Hierfür bedarf es keiner Aufzählung mehr, um zu wissen, dass das was sie finanziell bereit sind zu geben, nur ein Bruchteil dessen ist, was wir an Kinderarbeit in ihren Einrichtungen über Jahre leisten mussten. Von den seelischen und körperlichen Grausamkeiten ganz zu schweigen!

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch zu bedenken geben, das wir/ich unter starken persönlichen und finanziellem Aufwand den Nachweis erbringen mussten (insbesondere die Beschaffung der Heimakten), damit wir beim Versorgungsamt, beim Landschaftsverband, ARGE und den Kirchen, als ehemalige Heimkinder und Missbrauchsopfer anerkannt wurden.

Ihnen allen eine fröhliche Weihnachten und eine für uns schnelle finanzielle Entschädigung noch in 2011.

Mit freundlichen Grüssen
Uwe Werner
Aachener Str. 316
41069 Mönchengladbach
0152/ 236 27 521