Pressemitteilung 12. Dezember 2010 (als PDF herunter laden English, German)

„Runder Tisch Heimerziehung“ traumatisierte betroffenen Heimkinder weiter Betroffene von sexualisierter Gewalt erklären sich solidarisch mit den Heimkindern.

Statement vom Eckigen Tisch, netzwerkB, SNAP Europa zu den Berichten über den Abschlussbericht und die Entschädigungen für die Heimkinder der 50er und 60er Jahre:

„Die praktischen Vorschläge zur Entschädigung der Opfer sind beschämend.“ (Süddeutsche Zeitung)

Dazu erklärt Jürgen Repschläger, Sprecher des Eckigen Tischs und ehemaliger Schüler der von Jesuiten geführten Aloisius-Kollegs (Bonn):

  • „Wir erklären uns solidarisch mit den ehemaligen Heimkindern, die sich berechtigterweise von Staat und Kirche verraten fühlen.“
  • „Der Runde Tisch Heimerziehung war eine Farce, soll das Gewissen der verantwortlichen Einrichtungen (Staat und Kirchen) beruhigen. Doch die Verantwortlichen scheinen nicht zu merken, dass die misshandelten Heimkinder heute wie damals gedemütigt werden.”
  • „Die unsensiblen Äußerungen von Frau Vollmer (die Opfer sollen doch dankbar sein, dass sie reden durften) und anderen stellen eine Verhöhnung der Betroffenen dar. Die Unterstützung der Opfer sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Stattdessen wurden viele durch den Jahre andauernden Prozess re-traumatisiert.“
  • „Den Betroffenen sollten bei der Einforderung ihrer Rechte gefördert und nicht mit Füssen getreten werden. Dafür sind zusätzliche Mittel frei zumachen – für Beratungsstellen und Vereine. Die Täterorganisationen haben oft genug die Akten vernichtet, und wollen nun mit vereinten Kräften die Ansprüche Betroffener durch bürokratische Hürden minimieren. Das zeugt nicht von Empathie für die Traumatisierten. Die Betroffenen dürfen nie mehr als Bittsteller gesehen werden.“
  • „Wir fordern, dass die Höhe der individuell auszuzahlenden Lebenshilfe in keinem Fall hinter dem europäischen Durchschnitt zurückbleibt (z.B. Irland 70.000 €). Es steht einem Land wie Deutschland international gut zu Gesicht hier vorbildlich zu sein. Der nun zu bildende Fonds sollte bei Bedarf aufgestockt werden können. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich hier einzusetzen.”

Dazu erklärt Norbert Denef, Vorsitzender vom Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt (netzwerkB e.V.):

  • „Die geforderte bescheidene Summe von 300,- € Rente bzw. 54.000 € Einmalzahlung, von den geschädigten ehemaligen Heimkindern, ist die absolute Untergrenze, als Anerkennung der Schäden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, denen die Heimkinder unter staatlicher Kontrolle ausgesetzt waren. Wir als Gesellschaft in Deutschland als einem der reichsten Länder der Erde müssten uns schämen, wenn – wie am Runden Tisch versucht wird – die Heimkinder mit Almosen abzuspeisen.“
  • „Wenn die Politik nicht mehr weiter weiß bildet sie einen Runden Tisch und redet, möglichst sehr lange, bis das mediale Interesse am Thema verloren geht. Am Runden Tisch Heimerziehung wurde zwei Jahre lang geredet mit dem Ergebnis, die Heimkinder mit einem Almosen abzuspeisen. Beim Runden Tisch sexueller Kindesmissbrauch hat die Politik das gleich vor – möglichst lange reden mit dem Ziel, die Täter-Organisationen zu schützen.“
  • „Warum tun sich deutsche Politiker immer noch so schwer und versuchen nach wie vor mit aller Macht die Vergangenheit zu verschweigen, zu verleugnen und zu vertuschen? Anstatt zu reden, sollten sie handeln – nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg, sondern auf Augenhöhe mit ihnen.“
  • „netzwerkB fordert die Aufhebung der Verjährungsfrist für sexualisierte Gewalt im Zivilrecht und zwar rückwirkend, weil es sich hier um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt. Das geht nicht sagen die, die ihre Macht erhalten wollen, in dem sie die Täter schützen.“
  • „Das was Heimkinder erleben mussten, waren ebenfalls Verbrechen gegen die Menschlichkeit. netzwerkB fordert die Politik auf zum Handeln, anstatt sich hinter dem Gerede von Runden Tisch zu verstecken.“

Ich verweise dazu noch auf einen Kommentar auf netzwerkB.org, der genau ins Schwarze trifft:
http://netzwerkb.org/2010/12/10/aber-es-ist-besser-ein-bisschen-zu-erreichen-als-gar-nichts-zu-erreichen/#comment-16329

Dazu erklärt Barbara Blaine, Präsidentin des weltweiten größten Netzwerks der Überlebenden von Missbrauch durch Priester (SNAP):

  • „Der Runde Tisch Heimerziehung in Deutschland geht zu Ende geht. Wir erwarten enttäuschende Ergebnisse. Was wir brauchen, ist ein entschiedenes Handeln von der Kirche unabhängig und unbeeinflusst handelnder säkularer Autoritäten, die sich sowohl dem Schutz der Schwachen, als auch der Heilung verletzter und traumatisierter Heimkinder widmen.“
  • „Wir verstehen, dass einige Überlebende sich aufregen, weil die finanzielle Entschädigung sehr gering ist für Tausende von tief verwundeten Opfern. Wir verstehen ihre Schmerzen.“
  • „Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass weltliche und religiöse Autoritäten sich darum kümmern sollten, dass Kinder heute sicher sind und glaubhaft angezeigte Täter entfernt und angeklagt werden. Es geht darum die Wahrheit darüber herauszufinden, wie viel Amtsträger der Kirche wussten und wie wenig sie getan haben, wenn überhaupt irgendetwas, um unschuldige Kinder zu schützen.“
  • „Wir hoffen auch, dass staatliche Behörden endlich rechtliche Reformen in Gang setzen, damit Opfer sexualisierter Gewalt in der Kindheit nicht durch Verjährungsfristen davon abgehalten werden, die Täter vor Gericht zu bringen“.

www.sueddeutsche.de/politik/misshandelte-heimkinder-gedemuetigt-damals-und-heute-1.1034534

www.sueddeutsche.de/politik/nach-zwei-jahren-verhandlungen-heimkinder-koennen-auf-entschaedigung-hoffen-1.1034971


www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,734053,00.html

– Ende des Statements –

Für Rückfragen und Interviews stehen zur Verfügung:

Jürgen Repschläger (Sprecher Eckiger Tisch, Bonn)
Telefon 0170-41 93 09, jrepschlaeger@gmx.net
Rudolf Jeckel (Pressesprecher Eckiger Tisch, Bonn), 0177-25 45 756, jekel@pensionata.de
Miguel Abrantes Ostrowski (Eckiger Tisch, Berlin), 0171-75 27 779, miabos@t-online.de

Norbert Denef (Vorsitzender netzwerkB e.V.)
Telefon 04503-89 27 82, Mobil: 0163-16 25 091, norbert.denef@netzwerkb.org
Dr. Marcella Becker (Zentrale Landesbeauftragte netzwerkB e.V.)
Telefon 05130-37 51 61, Mobil: 0)63-21 82 557, dr.marcella.becker@netzwerkb.org

Barbara Blaine (Präsidentin SNAP, Chicago, USA)
Telefon +1-312-399 4747, SNAPblaine@gmail.com (Englisch)

Eckiger Tisch
Der Eckige Tisch ist die organisierte Vertretung der durch sexuell motivierten Missbrauch Betroffenen an jesuitischen Einrichtungen im deutschsprachigen Raum. Der Eckige Tisch hat sich im Herbst 2009 in Berlin gegründet und besteht in Berlin, Bonn, Hamburg und St. Blasien. Der Eckige Tisch ist eine unabhängige Organisation zur Unterstützung der Betroffenen von Kindes-Missbrauch mit keinerlei politischen oder sonstigen Ausrichtung und kooperiert mit ähnlich ausgerichteten Organisationen und Initiativen weltweit, besonders in Irland und den USA.
www.eckiger-tisch.de

netzwerkB.org (Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt) ist eine unabhängige Interessenvertretung. Betroffene setzen sich für die Rechte Betroffener ein, indem sie das gesellschaftliche Schweigen brechen, über Ursachen und Auswirkungen sexueller Misshandlung informieren, beraten und sich für konkrete Veränderungen stark machen.
netzwerkB.org kooperiert weltweit mit Netzwerken wie dem SNAP (Netzwerk der Überlebenden von Missbrauch durch Priester www.snapnetwork.org) und unterstützt die Netzwerkbildung der Überlebenden.
netzwerkB bittet darum an Opfer die netzwerkB-Kontaktdaten weiterzugeben und Kontakt-Email (info@netzwerkb.org) und Website zu veröffentlichen.
www.netzwerkB.org

SNAP – Netzwerk der Überlebenden von Missbrauch durch Priester
SNAP ist seit 1988 die Stimme der Opfer von sexualisierter Gewalt und Missbrauch
SNAP (Survivors Network of those Abused by Priests) hat 9000 + Mitgliedern in den USA und der ganzen Welt.
SNAP ist die größte und aktivste Unterstützungsgruppe von Menschen, die von religiösen Autoritätsfiguren (Priestern, Bischöfen, Diakonen, Nonnen und anderen) verletzt wurden.
SNAP ist unabhängig und ist nicht mit der Kirche oder Kirchenautoritäten verbunden. SNAP ist für die Opfer eine Selbsthilfegruppe um einander zu heilen und zu helfen.
SNAP sitzt in Chicago. Bei SNAP vertreten die Opfer von sexuellem Missbrauch die Interessen der Opfer. Barbara Blaine, eine Sozialarbeiterin, ist SNAP-Gründerin und Präsidentin der Organisation.
SNAP kooperiert in Europa mit lokalen Netzwerken und unterstützt die Netzwerkbildung der Überlebenden.
www.SNAPnetwork.org