TLZ.de 2.12.2010

Das Verschweigen, Vertuschen und Verdrängen habe nun ein Ende, zeigten sich die Initiatoren des Gremiums gestern sichern. 60 Teilnehmer hatten zum dritten Mal zusammen beraten.

Berlin. Gestern tagte zum dritten Mal der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ und legte nach einer Beratung mit zahlreichen Vertretern von Ländern, Verbänden, Kirchen und Universitäten einen ersten Zwischenbericht vor. Moderiert wurde die Runde von Christine Bergmann (SPD). Die ehemalige Familienministerin im Kabinett von Gerhard Schröder war als unabhängige Beauftragte für dieses Thema von der Bundesregierung berufen worden. Die übrigen Damen waren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Alle vier zeigten sich sehr zufrieden mit dem bisher Erreichten.

Die Justizministerin will die zivilrechtlichen Verjährungsfristen für Entschädigungen von drei auf dreißig Jahre verlängern, weil viele Opfer lange Zeit brauchen, um über das Erlittene zu sprechen. Auch sollen die Ermittlungen nicht zu einer erneuten Tortur für die Missbrauchten werden. Deshalb sollen Mehrfachvernehmungen vermieden werden und Opferanwälte bereitstehen.

Auch Kristina Schröder zeigt großen Ehrgeiz. Sie will, dass in Einrichtungen mit großer Nähe zu Kindern und Jugendlichen Leitlinien zur Verhinderung von Übergriffen erarbeitet werden sollen. Dazu gehören Ansprechpartner für Kinder in und außerhalb des Hauses sowie ein Managementplan für den Fall, dass ein Verdacht auftritt. Bei Sportvereinen hofft man auf Selbstverpflichtungen, da ihnen solche Leitlinien rechtlich nicht vorgeschrieben werden können. Allerdings zeigte sich der Runde Tisch einig, dass eine solche Selbstverpflichtung Voraussetzung sein könnte, um an staatliche Fördergelder zu kommen. Einen Entwurf für ein Kinderschutzgesetz will die jüngste Ministerin des Kabinetts noch dieses Jahr vorlegen.

Annette Schavan lässt mit zwanzig Millionen Euro das Forschungsnetz „Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt – Ursachen, Folgen, Prävention und Therapie“ fördern. Ein weiteres Projekt für einen besseren Kinderschutz sowie die Aus- und Weiterbildung zum Umgang mit Missbrauchsopfern wird mit zehn Millionen Euro gefördert.

Christine Bergmann forderte, dass die Institution einer Missbrauchs-Beauftragten auf Bundes- oder Landesebene erhalten bleibt, weil der Bedarf riesig sei. Allein ihr letzter öffentlicher Auftritt hatte 160 Anrufe von Betroffenen zur Folge.

Sie selbst stünde dafür aber nicht mehr zur Verfügung. Ihr Auftrag ende, wenn im nächsten Jahr der Runde Tisch die Arbeit abschließt. Bis dahin sieht sie ein großes Problem noch in der Regelungen von Entschädigungen für Übergriffe innerhalb der Familie. Hier sei es sehr schwierig, Gerechtigkeit walten zu lassen.

Der Einlass zur abschließenden Pressekonferenz wurde gestern streng kontrolliert, nachdem auf der vorangegangenen Veranstaltung Betroffene von sexueller Gewalt dort lautstark ihren Protest kundgetan hatten.

Einem der Opfer, Norbert Denef, gelang es dennoch in das Gremium zu gelangen, er verteilte aber nur eine Mitteilung und kommentierte die Aussagen der Ministerinnenriege mit ausdauerndem Kopfschütteln.

In eisiger Kälte beantwortet der 61-Jährige, der jahrelang von einem katholischen Pfarrer missbraucht wurde, die Fragen der Medienvertreter. Da die sexuelle Gewalt meist in Familien ausgeübt werde, so Denef, nützten die strengeren Leitlinien für Institutionen in öffentlicher Hand recht wenig. Die Verjährungsfristen würde er am liebsten vollständig aufheben. Außerdem seien die Therapieplätze nicht ausreichend und für die Beratung gäbe es zu wenig Anlaufstellen.

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