Flensburger Tageblatt 2.12.2010

Kommentar zum Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch

Als Anfang des Jahres immer neue entsetzliche Fälle von Kindesmissbrauch ans Licht kamen, reagierte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger prompt und gut: Die Opfer haben auch nach langer Zeit noch Anspruch auf Sühne, stellte sie fest und schlug vor, die Verjährungsfristen für Entschädigungsansprüche möglichst zügig von drei auf dreißig Jahre anzuheben. Daneben forderte sie einen „Runden Tisch“ zur Aufarbeitung der Ereignisse. Sie wäre mit ihrer Arbeit wohl schon erheblich weiter gekommen, hätten die Ministerinnen Schröder (Familie) und Schavan (Bildung) den öffentlichkeitswirksamen Einsatz gegen Missbrauch nicht auch für sich entdeckt. Sie bestanden auf einem gemeinsamen Runden Tisch „Sexueller Missbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“. Diese Einrichtung ist genauso monströs wie ihr Name. Rund 60 zumeist hochrangige Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft treffen sich unter dem Vorsitz der drei Damen. Überwiegend sind sie damit beschäftigt, die eigenen Interessen zu vertreten. Nur wenige haben überhaupt mit Opfern zu tun. Kaum einer war anwesend, als Missbrauchsopfer in geheimer Konferenz von ihren Erlebnissen berichteten. Manch Abwesender schickte zwar anstandshalber noch einen Vertreter. Aber die Botschaft war klar: „Eigentlich interessiert uns Euer Leid nicht.“ Von diesem Runden Tisch ist – neben den bereits angesprochenen verlängerten Verjährungsfristen – nicht viel zu erwarten. Annette Schavan will rund 30 Millionen Euro in Forschungsprojekte investieren. Die Aufträge werden sicherlich an Einrichtungen gehen, deren Vertreter mit ihr am Tisch sitzen. Und Kristina Schröder plant neue Verwaltungsvorgaben. Echte Opferhilfe sieht anders aus; ein vorbildlicher, verantwortlicher Umgang mit diesem wichtigen Thema auch.

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