OSNABRÜCKER ZEITUNG 4.11.2010
Runder Tisch Heimerziehung vor dem Scheitern? – Ehemalige Heimkinder mahnen Lösung an und drohen mit Klage
Die Angst vor dem zweiten Trauma
Osnabrück. „Es hat alles keinen Sinn mehr … Wir erreichen sowieso nichts… Ich mache Schluss.“ Es ist noch nicht lange her, da erhielt Jürgen Beverförden einen alarmierenden Anruf aus einem Dorf im Emsland. Der in Osnabrück lebende Sprecher ehemaliger Heimkinder in Niedersachsen reagierte sofort und organisierte telefonisch Hilfe für den verzweifelten, mit Selbsttötung drohenden Mann. Denn er wusste: Es ist ein früherer Zögling zweier Kinderheime in Freistatt und Hannover. Und der Mann haderte schon lange mit dem Schicksal: Als Kind war er im Heim missbraucht worden, was ihn bis heute verfolgt – ebenso wie die Tatsache, dass ehemalige Heimkinder immer noch um Rehabilitierung und Entschädigungen kämpfen müssen.
… armes Deutschland! – ein Luxemburger wird „es“ richten müssen. Im Ausland sieht man klarer, auf welchem Auge unsere politischen und kirchlichen Obrigkeiten blind sind.
Straßburg ist angesagt!
Wir fordern und erwarten von Kirchen und Staat eine klare, eindeutige Antwort auf folgende Fragen:
Warum werden Menschen mit Behinderungen, die als Kinder Unsägliches in Heimen erlitten haben, vom „Runden Tisch Heimerziehung“ (RT) ausgegrenzt?
Warum sollen nur ehemalige Heimkinder der 50er und 60er Jahre berücksichtigt werden? Was ist mit denen, die in den 40er Jahren gefoltert, gedemütigt, sexuell vernichtet wurden? Was ist mit denen, die selbiges in den 70er, 80er oder 90er Jahren erleiden mussten?
Warum wird nicht endlich anerkannt, dass es in Bezug auf die Behandlung von Heimkindern keinen substanziellen Unterschied zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gab?
Warum müssen sich Ausgleichszahlungen an den beschämenden Zahlungen an die ehemaligen Zwangsarbeiter (2.500 Euro pro Person) messen und dürfen – lt. „Moderatorin“ des RT – nicht darüber liegen?
Warum richten sich Staat und Kirchen nicht nach den Zahlungen, die international an ihre eigenen Opfer (!) geleistet werden? Irland, Norwegen, USA, Australien, Kananda…
Warum werden Tausende von ehemaligen Heimkindern in diesem Land brüskiert und erneut traumatisiert?
Wir fordern und erwarten, dass die Schuldeingeständnisse und „Mitleidsbekundungen“ sich ausdrücken in Zahlungen. Mitleid nämlich brauchen wir nicht! Wir brauchen klare Worte, wir brauchen Gelder, um ein würdiges Alter zu gestalten! Ergo:
Wir fordern und erwarten Ausgleichszahlungen (Schmerzensgeld, Rentenausgleich, Lohnzahlungen…) in einer unserem Leid angemessenen Höhe – d.h. mindestens dem internationalen Vergleich standhaltend!
Wir fordern und erwarten, dass der RT sich endlich geschlossen für diese Forderungen ausspricht und sie der Bundesregierung als Empfehlung auf den Tisch legt!
Wir fordern von Bundesregierung, Kirchen und anderen Täterorganisationen (DRK, AWO, Ordenshäuser etc.) dass sie zügig damit beginnen, die Zahlungen an die Opfer zu organisieren und voranzutreiben!
Und: Wir werden uns NICHT mit einem Almosen abspeisen lassen!