SPIEGEL ONLINE 30.09.2010
Die Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch sollen künftig deutlich länger Schadensersatz einklagen können: Die Bundesjustizministerin will die Verjährungsfristen von drei auf dreißig Jahre verlängern. Dies kündigte sie nach dem Runden Tisch an.
Hamburg – Bislang gilt für zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld eine Verjährungsfrist von drei Jahren, die mit dem Ende des 21. Lebensjahres des Opfers einsetzt. Diese soll nun deutlich verlängert werden – und zwar auf 30 Jahre. Dies kündigte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Donnerstag nach der zweiten Sitzung des Runden Tisches gegen Kindesmissbrauch in Berlin an.
Die Expertenrunde vereinbarte zudem eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch und zum Schutz der Opfer. So sollen wiederholte Befragungen von Missbrauchsopfern durch einen verstärkten Einsatz von Videovernehmungen vermieden werden. Außerdem sollen Opfer von Sexualdelikten in größerem Umfang als bislang auf Staatskosten einen Anwalt in Anspruch nehmen können.
Eine Anzeigepflicht für Menschen, die von sexuellen Übergriffen erfahren, lehnten die Rechtsexperten dagegen ab. Die Ministerin setzt vielmehr auf eine Selbstverpflichtung der betroffenen Organisationen, im Verdachtsfall die Staatsanwaltschaft zu informieren.
An der zweiten Sitzung des Runden Tisches nahmen rund 60 Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft teil. Leutheusser-Schnarrenberger hatte den Kreis im Frühjahr gemeinsam mit Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder ins Leben gerufen. Zuvor waren zahlreiche Missbrauchsfälle in Schulen und katholischen Einrichtungen bekannt geworden.
Täter sollen Entschädigungen zahlen
Für die finanzielle Entschädigung von Missbrauchsopfern sollen nach dem Vorschlag der katholischen Kirche vor allem die Täter aufkommen. „Der Täter soll im Blick bleiben“, betonte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, am Rande des Treffens. Der Täter könne allerdings nicht gezwungen werden, sondern müsse freiwillig zahlen. Zeige er sich nicht bereit oder nicht in der Lage, sei die betroffene kirchliche Organisation – also das Bistum, die Diözese oder der Orden – gefragt, bis zu einer nicht näher genannten Höchstsumme zu zahlen.
Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) stellten am Donnerstag ein Konzept für eine finanzielle Entschädigung vor, legten sich darin aber nicht auf eine konkrete Summe fest. „Fokussieren wir uns jetzt schon auf Zahlen, schüren wir Emotionen und Unzufriedenheit“, sagte der Trierer Bischof Ackermann. „Ich kann verstehen, dass die Ungeduld vieler Opfer wächst und man es nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinausschieben will.“
Das Fehlen konkreter Entschädigungssummen sei aber unter anderem ein „Zeichen der Fairness gegenüber dem Runden Tisch“. Die Kirchen wollten sich zusammen mit den anderen Institutionen auf eine Höhe einigen, damit die Missbrauchsopfer nicht unterschiedliche Summen erhielten. Kleinere Gruppen wie zum Beispiel Sportvereine könnten bei bestimmten Summen überfordert sein und sich zurückziehen. Zur Bearbeitung der Anträge soll eine zentrale Koordinierungsstelle eingerichtet werden.
Wie der SPIEGEL bereits Anfang der Woche berichtete, will die katholische Kirche Opfer nicht mit einem pauschalen Betrag entschädigen, sondern strebt individuelle Lösungen an, die sich an der Schwere eines Falls orientieren sollen. Vertreter von Opfern sexuellen Missbrauchs fordern einen pauschalen Betrag von rund 82.000 Euro, Gerichte verhängen üblicherweise Entschädigungen von lediglich 5000 bis 10.000 Euro je Opfer.
Kirchen wollen Therapiekosten übernehmen
Ziel des von der DBK vorgelegten Konzepts ist laut Ackermann unter anderem, eine Diskussion des Gremiums in Gang zu bringen. Die Kirche verschließe sich auch weiteren Vorschlägen nicht. Komme es bei den Treffen des Runden Tisches allerdings nicht zu einer einvernehmlichen und gesamtgesellschaftlichen Lösung, werde die katholische Kirche einen eigenen Weg gehen. „Unser Modell ist verallgemeinerungsfähig“, sagte der Sekretär der DBK, Hans Langendörfer. „Notfalls sehen wir das aber auch unilateral.“
Das Modell der katholischen Kirche beruht nach Ansicht Ackermanns vor allem auf einem therapeutischen Ansatz. Deshalb sieht der Vorschlag vor, dass die Kirchen für die Therapiekosten aufkommen, sofern diese nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Außerdem will die Kirche einen sogenannten Präventionsfonds vorschlagen, mit dem Projekte zur Prävention gefördert werden sollen.
Am Rande des Treffens gab es eine Demonstration des Vereins „Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt“. Die Beteiligten machten ihrem Unmut mit Transparenten und Mikrofonen Luft. „Das ist politisches Lügentheater“, schimpfte Norbert Denef, Gründer des Vereins und selbst Opfer. Die Täter seien durch Arbeitgeber und Berufsverbände „mannigfaltig“ in der Runde vertreten, nur die Opfer würden ausgegrenzt. Eine Anhörung von Betroffenen beim Runden Tisch hatte er ausgeschlagen. Die Politik wolle die Opfer nur „klein machen“. Er wolle nicht angehört werden, er wolle mitreden.
Hallo @ll
30 Jahre das ist keine “ gute Idee “ die Verjährungsfrist muss ganz weg.
Was ist mit den Opfern die sich erst nach Jahrzenten erinnern koennen?
Wir wollen uns nicht klein machen lassen!
“ Sagt es LAUT “
Pia Survivor
Als im Februar die Diskussion um das Aloisiuskolleg begann und man uns endlich glaubte, war meine Zeit mit Pater Stüper genau 30 Jahre und 8 Monate vorbei, wenn man von den späteren Nachstellungen (heute Stalking genannt) die noch 2 Jahre länger andauerten absieht.
Genau so ist es! Bei mir ist es 36 Jahre her. Seit vier Jahren ist es in all seiner Intensität im Körper und im Bewusstsein. Mein „Täter“ war zwar vor Gericht (1974/75), aber was mit ihm passiert ist, ist nicht bekannt. Er drohte mir über meine Stiefschwester ( 1980), dass er mich umbringen würde, wenn er mich in die Hände bekommen würde.Ich habe mich damals nicht getraut den Mund aufzumachen. Mir wurde unterstellt, dass ich ihm doch nur eins auswischen wolle, meiner Mutter den Mann wegnehmen würde und ich das alles nur erfunden hätte. Ein Kind ist dem nicht gewachsen. Und teils frage ich mich heute noch, ob es erlaubt war, was er gemacht hat. Teils habe ich heute noch Schuldgefühle.
Heute, nach ÜBER 30 Jahren würde ich den Mund aufmachen!
Heute, nach ÜBER 30 Jahren hätte ich keine ANGST mehr vor ihm und vor meiner Mutter, die mich ständig verprügelte mit den Worten „ich schlage dich kaputt du kleine Schlampe“, weil auch sie glaubte, ich hätte ihr ihren Mann weggenommen.
Vor vier Jahren, als mir alles bewusst wurde, sprach ich mit einer Anwältin.
Ich könne nichts mehr machen, zudem wäre ich „ZEUGIN“!
So sieht es aus! Ich bin nur eine „ZEUGIN“. ………..ich wollte Akteneinsicht, aber darauf hat eine „ZEUGIN“ kein Recht.
Heute fahre ich einmal im Jahr vor seine Haustür. Wie gerne würde ich ihn ins Gesicht spucken.
Wie gerne würde ich ihn HEUTE vor Gericht sehen.
Die Seele vergisst nicht!
Mein Körper vergisst nicht!
Ich verzeihe ihm nicht!
Bei mir ist es 52 Jahre her….52 Jahre Leid, Elend, Verunglimpfung, Verhöhnung, so-tun-als- ob, Verstecken, weil mir niemand glaubte….
das unsagbare Leiden trägt nicht der kirchliche Nachbar, das trage ich…
mit allen Auswirkungen eines verpfutschten Lebens ohne Freude, ohne Nähe…
hallo Marianne
ja man ist nur Zeugin ( Nebenkläger kannte ich als Begriff )
Aber Zeugin hört sich an , wie als wenn man dabei gewesen währe ( Nur als Zuschauer ), bei der Tat .Nicht als selbst Betroffene /r
Als ob man das , bei einem anderen nur beobachtet hätte .
Was ist denn wenn man einen Anwalt an seiner Seite hätte , der hätte dann doch Akteneinsicht ?
Aber was das dann kostet !
Mfg
Larissa