AD HOC NEWS 30.09.2010
Norbert Denef ist ein unbequemer Mensch. Der 61-Jährige kämpft hartnäckig für die Rechte von Missbrauchsopfern. In den vergangenen Wochen tauchte er regelmäßig bei Pressekonferenzen und Veranstaltungen auf, um Kirchen und Politik an ihre Verantwortung zu erinnern. Das tut er auch an diesem Donnerstag. Mit einem Dutzend Mitstreitern steht Denef vor dem Bundesjustizministerium.
Berlin (dapd). Drinnen berät ein Runder Tisch mit etwa 60 Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft über Strategien gegen Missbrauch. Denef säße gerne mit am Tisch, aber er darf nicht.
Die Runde nahm im April ihre Arbeit auf, nachdem massenhafte Missbrauchsfälle in Schulen und katholischen Einrichtungen ans Licht gekommen waren. Gleich drei Ressortchefinnen – Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Familienministerin Kristina Schröder und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) – nahmen sich der Sache an und holten sich Experten dazu.
‚Das ist politisches Lügentheater‘, schimpft Denef draußen auf dem Bürgersteig gegenüber. Die Täter seien durch Arbeitgeber und Berufsverbände ‚mannigfaltig‘ in der Runde vertreten, nur die Opfer würden ausgegrenzt. ‚Ich bin nicht auf Krieg aus‘, sagt Denef, ‚aber wir müssen auf Augenhöhe verhandeln.‘ Eine Anhörung von Betroffenen beim Runden Tisch hat er ausgeschlagen. Die Politik wolle die Opfer nur ‚klein machen‘. Er will nicht angehört werden, er will mitreden.
Denef ist selbst ein Opfer. In seiner Jugend wurde er über mehrere Jahre von einem katholischen Priester missbraucht. Die Kirche hat sein Martyrium offiziell eingeräumt – sein Peiniger hatte gestanden. Jahrzehntelang kämpfte er für sich, inzwischen hat einen Verein gegründet: das ‚Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt‘ – kurz Netzwerk B. Die Gruppe wollte sich am Runden Tisch beteiligen, wie viele andere Opferverbände, aber die Einladung blieb aus. Nun warten die Netzwerker fröstelnd draußen, protestieren leise mit Transparenten und lautstark mit Botschaften in Mikrophone.
Drinnen im Ministerium sitzt der Kreis mit Vertretern von Kirchen, Schulen, Kinderschutzverbänden, Psychologen, Juristen und Politikern. Nach dreieinhalb Stunden Beratung verkünden die Ministerinnen erste Ergebnisse. In drei Arbeitsgruppen hatten die Ressortchefinnen an Vorschlägen gearbeitet.
Leutheusser-Schnarrenberger will die Verjährungsfristen für eine Entschädigung von Missbrauchsopfern deutlich verlängern und Betroffenen wiederholte Vernehmungen ersparen. Schröder will in Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, strengere Standards durchsetzen – und davon auch die staatliche Förderung abhängig machen. Schavan verspricht Millionen für die Forschung zu Kindesmissbrauch. Und die katholische Kirche macht Hoffnung auf einen Präventionsfonds, auf Entschädigungen und finanzielle Hilfe für die Therapien von Betroffenen.
Bei der Pressekonferenz übernimmt ein anderer die unbequeme Rolle von Denef. Ein junger Mann steht auf und redet sich in Rage. ‚Wir Betroffenen wollen selbst für uns sprechen‘, sagt er, ‚wir werden untergebuttert. Das lassen wir uns nicht länger gefallen.‘ Die Ministerinnen schauen irritiert, ein Sprecher müht sich um Ruhe. Doch der Mann lässt nicht locker, unterbricht immer wieder, fordert, dass Opferverbände an den Runden Tisch kommen.
Schröder wiegelt ab. Das sei nicht ‚machbar‘, hält sie dagegen. Es gebe ’so viele unterschiedliche Schicksale‘ und Betroffenen-Verbände. Jede Auswahl wäre ‚willkürlich‘. Den jungen Mann überzeugt sie nicht. Das Treffen endet unversöhnlich.
Auch Denef winkt ab, als er draußen von den Ergebnissen erfährt. Die Entschädigungen seien eine ‚Verhöhnung‘, das Geld für die Forschung nichts als eine Beruhigungspille. Und die Verjährungsfristen würde er am liebsten ganz aufheben. Durch die Gesellschaft müsse ein richtiger Ruck gehen, sagt er, ‚wir müssen aufwachen.‘ Missbrauch, das sei ‚Seelenmord‘.
Der 61-Jährige hat lange gebraucht, so offen zu reden. Schweigen will er nun nicht mehr. Beim nächsten Treffen des Runden Tisches Anfang Dezember wird Denef vermutlich wieder vor der Tür stehen.
Danke Norbert! Danke junger Mann!
Ja die Opfer gehören auch mit an den Tisch, aber die Husten uns was. Ich habe eine Wut auf das ganze.
Die Kirche sagt: Wer an Jesus- Christus glaubt hat ewiges Leben.
Die Heimkinder sagen: Wer die Kinder Missbraucht, hat kein ewiges Leben.
..und statt um die Genugtuung an die Opfer sorgen sich unsere kompetenten und erfahrenen Frauen Ministerinnen um die Befindlichkeiten der Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit. Da dürfen wir bloss keinen Verdacht hegen! Viele sind bestimmt guten Gewissens dabei, dass aber einige auch andere Motive haben, kann man sich sehr schön beim AKO-Pro der Freizeit-Organisation am Aloisisuskolleg in Bonn Bad Godesberg anschauen. Dessen Leiter ist momentan beurlaubt.
Danke an die Mutigen, die sich vor das Bundesjustizminsterium gestellt haben und sich für uns Missbrauchsopfer eingesetzt haben. Ich bin sehr stolz.
Sehr geehrter Herr Denef,
hatte geplant sie bei der kleinen Demenstration zu unterstützen wurde aber leider von Zivilpolizisten darann gehindert. Habe den Fehler begangen einige Päckchen mit mir herum zu tragen, die wohl einiges für Irritationen gesorgt haben.
Machen sie weiter so und werden sie nicht leiser.
@Wilma: Immer gern. Danke für Deinen Dank. 🙂
Immer wieder wird seitens der Politik versucht, Kompromisse zu erreichen.
Will man bei dem Thema moralisch richtig handeln, gehört die Verjährungsfrist kompromisslos komplett abgeschaft.
Was sollen hier wieder die 30 Jahre??…so ein Unsinn.
Nur die Opfer scheinen zu wissen, warum das so und nicht anders geregelt sein muß. Und ja, Betroffene gehören unbedingt mit an den runden Tisch.
Es sind doch die Einzigen, welche genau um die folgen Bescheid wissen.
Ich bin 70 Jahre alt und würde mich gern in Berlin neben Sie stellen und demonstrieren gegen diese Ausgrenzung der Opfer. Ich bin für eine komplette Aufhebung der Verjährungsfrist, denn die Opfer leiden ja auch ein Leben lang. Alle Opfer müssen entschädigt werden. Die Frauen Ministerinnen stellen sich selbst ein Armutszeugnis aus. Sie sind auch nicht anders als männliche Politiker. Norbert Denef, machen Sie weiter, hören Sie nicht auf.