General-Anzeiger 28.09.2010
Heppenheim (dpa) – Die Odenwaldschule will den mehr als 50 Opfern sexuellen Missbrauchs doch eine Entschädigung zahlen. Der Sprecher des Schulvorstands, Johannes von Dohnanyi, sprach am Dienstag von einem „sechsstelligen Betrag“, der noch in diesem Jahr an Betroffene ausgezahlt werden soll.
Damit bestätigte er einen Bericht der „Frankfurter Rundschau“, die eine Summe von mindestens 100 000 Euro nannte – durchschnittlich wären das rund 2000 Euro pro Person.
Da die Verschuldung der Länder und Bund immer mehr zunimmt, bin ich dafür dass alle Kirchen und sonstige Glaubensvereine in einen Fond einzahlen müßten, ähnlich wie Arbeitgeber an die Berufsgenossenschaften etwas zahlen müssen, damit Berufskranke unterstützt werden können , wenn eindeutig ist, dass die Berufkrankheit von der Arbeit gekommen ist. Da liegen diese Renten um ein Vielfaches höher als die hier diskuirten 2000€.
Denn auch 2000€ kann man die psychsichen Schäden kaum lindern.
Allerdings bleiben alle anderen Kaputtgemachten, die nicht durch Gläubige mißbraucht und / oder mißhandelt dann immer noch auf der Strecke.
Es ist schon beachtenswert, was mit einer einfachen Aussage geschehen kann. Ebenso ist die Art und Weise ihrer Wirkweise beachtlich. Ein Sprecher der Odenwaldschule spricht. Er sagt laut Artikel nur, dass mindestens 100.000,- € an die Opfer von sexuellem Missbrauch an der Odenwaldschule ausgezahlt werden sollen. Selbst wenn die Zahl der Opfer bekannt ist – die Zahl 50 wird genannt – ist damit keineswegs die Summe benannt, die an ein die Opfer ausgezahlt werden soll, sondern es ist eine Mindestsumme genannt. Die Nennung der 100.000,- € schließt eben nicht eine höhere Gesamtsumme aus, sondern im Gegenteil eine niedrigere Summe aus. Tatsächlich geschieht 1. die Gleichsetzung von Mindestsumme mit der tatsächlichen, gar maximalen Summe und 2. der Vergleich mit dieser als tatsächlich oder maximalen gesetzten Summe mit der Möglichkeit der Nichtzahlung. Beides aber – und das ist wichtig – geschieht nicht durch den Sprecher, noch weniger durch die Verantwortlichen der Odenwaldschule, sondern durch die Angesprochenen selbst. Dabei sei unbestritten, dass der Mächtige die Mechanismen kennt und sich ihrer bedient. Es bleibt aber wahr: Sie haben den – sicher gewollten und implizierten – Schluss eben nicht selbst gezogen.
Dennoch wird ein sehr wichtiger Aspekt angesprochen: Woher sollen die Gelder kommen, die ausgezahlt werden? Hier wird ein Zusammenhang konstruiert, der nicht gültig ist. Es geht um die Abhängigkeit der zu zahlenden Summe von der Bonität des Beanspruchten. Konkret: Die Summe der Zahlungen soll die Existenzfähigkeit und die uneingeschränkte Tätigkeit des Beanspruchten nicht beeinträchtigen dürfen – oder aber es muss ein anderer – natürlich der Staat – einspringen. Nur: Diese Konstruktion ist im geltenden Rechtssystem nicht enthalten und auch nicht mit ihm kompatibel. Eine (Vermögens-)Strafe wird nach dem Einkommen und dem Vermögensstatus des Pönitenten ermessen, so dass sie schmerzhaft, allerdings nicht Existenz vernichtend ist. Hier aber geht es eben nicht um eine (Vermögens-)Strafe, sondern um eine Entschädigung für unbestritten erlittenen Schaden. Die Höhe einer Entschädigung richtet sich nach geltendem Recht aber nach dem erlittenen Schaden, nicht nach dem Entschädigungspotential des Schädigenden. Ein Geschädigter verliert seinen Anspruch auf Entschädigung nicht einmal dann, wenn die schädigende und jetzt entschädigungspflichtige Person die Zahlungen nicht oder nicht mehr zu leisten vermag, d.h. wenn weitere Zahlungen seine materielle Existenz selbst auf einem minimalen materiellen Niveau nicht mehr zulassen würde. In diesem Falle geht nur die Realisierungsmöglichkeit der Entschädigung verloren. Hier aber verspricht nicht eine Person `Odenwaldschule´ die Entschädigung, sondern die Institution `Odenwaldschule´, für die es kein personales Existenzminimum geben kann und folglich im Rechtssystem auch nicht gibt. Daraus folgt: Entweder ist sie zur Zahlung der Entschädigung entsprechend des Schadens in der Lage – dann hat sie zu zahlen-, oder sie ist es nicht – dann hat sie ihr Vermögen herzugeben und ansonsten ihre Existenzberechtigung wie – fähigkeit verloren. Dieser Maßstab wird an jeden Gläubiger oder Gläubigerin angelegt, warum also nicht an die Odenwaldschule oder all die anderen Institutionen wie Jesuiten, Maristen, Kirche?
Ich sehe keinen moralischen Grund für die Missbrauchten, auf diese letzte Konsequenz zu verzichten noch ist auch nur ein juristischer Grund sichtbar, der anderes vorschriebe oder auch nur nahe legte. Es gibt keinerlei moralischen Anspruch für die Entschädigung Anbietenden, diesen Verzicht zu fordern oder gar als von vornherein selbstverständlich zu setzen. Sehr wohl aber gibt es guten Grund, die Moralität des Vorgehens der Verantwortlichen der Odenwaldschule und auch anderer Institutionen sehr gründlich zu prüfen.
Amos Ruth