netzwerkB 17.09.2010

Von Amos Ruth

Der Chef des Bistums Osnabrück hat am 17.09.2010 angekündigt, einen Bußgottesdienst zu feiern, in dem er ein Schuldbekenntnis sprechen und für sexuelle Missbrauchsfälle der Vergangenheit um Verzeihung bitten will.

Was bedeutet dieser Wille, was bedeutet die Feier des Bußgottesdienstes? Die nächstliegende Bedeutung ist: Dr. Bode will sich zu persönlicher Schuld durch persönlichen Missbrauch bekennen und um Verzeihung bitten. Er wird diese Deutung – vermutlich mit Recht – weit von sich weisen. Er will also nicht für sich persönlich, sondern will für einen oder mehrere andere(n) Schuld bekennen.

Bei der Suche nach dem anderen fällt der Blick  sofort auf die `Kirche´, deren Vertreter und regionaler Vorsteher er ist. Dennoch kann Kirche nicht der gemeinte Andere sein, weist doch ein Blick in den katholischen Kirchenkatechismus von 1983 in Nr. 827 auf, dass Kirche zwar Sünder, Schuldige umfasst, jedoch selbst heilig, schuldlos und unbefleckt ist. Es mag folglich nicht um Schuld der Kirche, sondern um die Schuld von Gliedern der Kirche gehen – also den Missbrauchenden. Aber wie?

Dr. Bode kann nur für verstorbene Missbraucher nur in deren Vertretung und in deren Vollmacht die Schuld bekennen und um Verzeihung bitten. Es muss also eine Vollmacht geben, in Vertretung zu sprechen – und diese muss vorgelegt werden können, ansonsten spricht Dr. Bode im leeren Raum. Selbst wenn er sagt, diese Vollmacht sei ihm mündlich – spirituell gegeben, ist Schuld nur dann überhaupt zu bekennen, wenn die Vertretenen ein Schuldgefühl hatten oder haben. Er kann nicht wissen, ob die Missbrauchenden die Tat als Untat empfunden haben oder ob sie nicht in Anwendung der Nr. 1765 des KKK aus 1983 reinen Gewissens handelten. Dr. Bode mag vermuten, wissen kann er um die richtige Antwort nicht.

Die Lebenden Missbraucher muss er dagegen nicht vertreten, sie können selbst ihre Schuld bekennen und um Verzeihung bitten, wenn sie denn in Ansehung von Nr. 1765 KKK 1983 überhaupt Schuldgefühle haben und wenn sie den Mut haben, sich vor die Gläubigen zu stellen. Dieser aber darf nicht nur angenommen, sondern muss gefordert werden.

Was ist das für ein Geistlicher, der von den Gläubigen die Bereitschaft fordert, für Kirche alles einschließlich des Lebens zu geben, selbst aber zu feige ist, zum eigenen Handeln zu stehen?

Scheidet somit auch das Bekennen der Schuld in Stellvertretung für die Missbrauchenden aus, so bleibt nur noch eine Gruppe: Die Gläubigen selbst, die Laien. Sie haben Schuld in Bezug auf die Missbrauchsfälle auf sich geladen, dass zu bekennen und für das um Verzeihung zu bitten ist. Sie haben nicht missbraucht. Sie haben aber gegen das Kirchenrecht, genauer gegen Can 212 CIC 1983, verstoßen und verstoßen immer noch, wenn sie den Oberen, wenn Sie Dr. Bode nicht einfach glauben, gehorchen und ansonsten schweigen, sondern stattdessen nachfragen, überprüfen und eigenständig urteilen. Genau das aber ist geschehen und geschieht noch immer. Die Funktionen des Bußgottesdienstes, wie sie in KKK 1983, Nr. 1448 erklärt sind, sind hier einzuordnen. Die erste Funktion ist das Bekenntnis des Menschen, seine Bereitschaft zur Reue, zum Bekenntnis und zur Genugtuung. Die zweite Funktion ist die durch einen Kleriker im Name Jesu zu schenkende Sündenvergebung, verbunden mit der Wiederaufnahme in die kirchliche Gemeinschaft. Vor diesem Hintergrund – und nur dieser ist kirchenrechtlich möglich, steht doch das Wohl der Kirche nach Can 223, CIC 1983 über allem – spricht Dr. Bode somit stellvertretend für die Laien das Bekenntnis ihrer Schuld, für das er dann großzügig Vergebung gewährt.

Der Missbrauch selbst, die Täter und die Missbrauchten; sie spielen keine Rolle in diesem Geschehen. Folgerichtig ist von Ihnen in den Pressemitteilungen nicht mit einem Wort die Rede, noch weniger sind sie eingeladen noch können sie überhaupt eingeladen werden. In der Tat, Dr. Bode kann den Bußgottesdienst feiern, trägt er doch mit ihm einen grandiosen Sieg über `seine´ Laien davon. Kein Wunder auch, dass er solche Bußgottesdienste so gern und so häufig feiert.

Will Dr. Bode seinem öffentlich erhobenen Anspruch wörtlich erfüllen, steht ihm eine einfache Möglichkeit offen. Er verzichte auf die mediale, hochmütige, jeder Wahrhaftigkeit bare Darstellung nicht vorhandener Demut. Stattdessen ziehe er sich in sein stilles Kämmerlein zurück, schreibe auf sein Privatvermögen bezogene Schecks mit hohen Summen für die Opfer aus, bete für deren Deckung – und schweige ansonsten. Sollte er sich die Frage stellen, wem Schecks auszustellen seien, so möge er den Canon 212 des CIC von 1983 gegen sich selbst gelten lassen: Dort ist von der Pflicht zum Glauben und gehorchen die Rede, aber nicht vom Recht zum Fragen und zur Überprüfung.